NSU-Prozess:Zu teuer, zu lang, zu bemüht

Der NSU-Prozess hat den Steuerzahler bereits mehrere Millionen Euro gekostet. Ein Ende ist auch heute noch nicht in Sicht. Leser stört vor allem der umsichtige Umgang mit der Hauptangeklagten Beate Zschäpe.

NSU-Prozess: SZ-Zeichnung: Jan Rieckhoff

SZ-Zeichnung: Jan Rieckhoff

"Verteidigung mit Psychiater" vom 31. März:

Allzu trickreiche Anwälte

Mal kurz ausgerechnet: 35 Millionen Euro kostet das NSU-Verfahren also bis heute. Wer ist für diese Schadenshöhe verantwortlich? Die Landeskriminalämter und Länderverfassungsschützer, die dieses Trio nicht früher gestoppt haben? Oder die geltungssüchtigen Politiker, die diese Täter zu wichtigen Terroristen hochstilisieren und gleichzeitig verhindern, dass bei den verwickelten Behörden nach tatsächlichen oder vermeintlichen Beteiligungen gegraben wird?

Eine seltsame Justiz haben wir auch hier, die Täter immer mit Respekt und Umsicht behandelt. Die die Opfer vorher als vermeintliche Mittäter drangsaliert und heute immer noch allein lässt gegenüber diesen hämischen Angeklagten und Verteidigern, die viel mehr wollen als ein rechtsstaatliches Verfahren. Anwälte, die ihren eigenen Wert daran messen, wie gut sie den Reststaat austricksen, die Strafen für ihre Klienten vermeiden können. Wie Steuerberater und Banken, die eine maximale Steuervermeidung erreichen wollen, ohne bei Gesetzesverstößen/-verbiegungen erwischt zu werden.

Echte Gemeinwohl-Schädlinge also, denen hier wie dort Raum gegeben wird von unserem System. Auch dies ließe sich ohne Verlust an Freiheit einschränken. Rudi Seibt, Wolfratshausen

Der Rechtsstaat wird veräppelt

Ich bin 63 Jahre alt und habe die Baader-Meinhof-Zeit damals schon politisch interessiert mitverfolgt. Ein Vergleich dieses Verfahrens mit dem NSU-Prozess ist in keiner Weise zu ziehen - nicht mal mit Äußerlichkeiten. Damals gab es rigide Maßnahmen gegen linke Terroristen, dagegen sind die Frechheiten und das Verhalten von Beate Zschäpe im Gefängnis ohne prozessuale Konsequenzen. Kann man das Isolationsverhalten des Staates gegenüber RAF-Terroristen mit dem Laissez-faire-Verhalten gegenüber Zschäpe in der Haft gleichsetzen? Was mich am NSU-Prozess stört, ist Folgendes: die lange Zeit, mit der man sich mit Zschäpe und ihren Befindlichkeiten beschäftigt - ein Graus! Hier wird der Rechtsstaat vorgeführt und von einer berechnenden Person veräppelt. Die wirklich Betroffenen, die Nebenkläger, werden prozesstechnisch abgewürgt. Das Verhalten des Vorsitzenden, das Verfahren weiter auszudehnen, verstehe ich nicht - Revisionsgefahren nehmen mit zunehmender Zeit zu und nicht ab. Und ich finde es besonders tragisch, dass die Verfahrensdauer nicht den Belangen der Opfer, sondern wie häufig in Verfahren mit Kapitalverbrechen, dem Täter zugutekommen. Das alles finde ich tragisch und dem Rechtsempfinden der normalen Bevölkerung nicht zu vermitteln.Günther Gerhardt, Köfering

Frage der Verantwortung

Der Artikel zum neuen Gutachten des Psychiaters Joachim Bauer über Beate Zschäpe offenbart die Diskrepanz zwischen zwei Psychiatrierichtungen: Die eine - konservative, vertreten durch Henning Saß - betont die Eigenverantwortlichkeit einer Person, selbst wenn sie unter widrigen Umständen aufwächst und sich erkennbar nicht "normgerecht" verhält. Die andere, vertreten durch den Gutachter Bauer, betont die Einflüsse der sozialen und biologischen Umwelt auf Formung der Persönlichkeit und verlagert damit die Verantwortung nach extern. Im extremen Fall geht es um das Negieren oder Befürworten der Existenz eines freien Willens.

Denkt man als Nichtkrimineller über Kriminelle nach, dann nimmt man an, dass diese anders sind, als es der sozialen Norm entspricht. Die Frage ist die nach dem Warum der Andersartigkeit. Eigentlich sollte es logisch erscheinen, dass die allerwenigsten Menschen als Kriminelle geboren werden; vielmehr werden sie durch den Umgang mit anderen Menschen zu dieser oder jener Persönlichkeit geformt. Dies fängt bei der elterlichen Erziehung an und setzt sich fort beim Umgang mit den Menschen, die nach Verlassen des Elternhauses für die oder den Betreffenden eine Rolle spielen. Da wir soziale Wesen sind, drücken uns die Mitmenschen ihren Stempel auf. Keine(r) agiert nur aus sich heraus oder nur für sich. Prof. Hans J. Markowitsch, Baden-Baden

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