Nord Stream 2:Die große Einmischung

Die US-Sanktionen gegen Firmen, die am Bau der Ostsee-Pipeline beteiligt sind, sehen viele Leser als unlautere Einmischung in Belange Europas. Allerdings nehme die fast fertige Gasleitung Berlin den Druck, neue Energien zu fördern.

North Stream 2

Ein Rohr, viele Interessen: Bauarbeiten bei Lubmin, Mecklenburg-Vorpommern, wo die rund 1200 Kilometer lange Gaspipeline Nord Stream 2 enden soll.

(Foto: Tobias Schwarz/AFP)

Zu "Berliner Geisterfahrt" vom 24./25./26. Dezember, "Berlin beharrt auf Ostsee-Pipeline" vom 23. Dezember sowie zu "Kanzlerin rügt US-Sanktionspläne " vom 19. Dezember und "Wer am Ende in die Röhre gucken könnte" vom 13. Dezember:

Verhalten wie im Imperialismus

Es mag gute Gründe gegen den Bau von Nord Stream 2 geben. Was aber gar nicht geht, ist, dass eine auswärtige Macht versucht, die souveräne Entscheidung der deutschen Bundesregierung, getroffen im Einvernehmen mit den europäischen Institutionen, durch völkerrechtswidrige Sanktionen und exterritoriale Strafen zu torpedieren. Deutschland und die EU sind sehr wohl in der Lage, Entscheidungen die Energieversorgung betreffend selbst zu treffen. Das kann im Einvernehmen mit dem Nato-Partner USA erfolgen, muss es aber nicht in jedem Fall - ganz besonders, wenn der Partner eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt. Den USA steht es dann selbstverständlich frei, ihrerseits daraus hinsichtlich ihrer Beistandspflicht als Nato-Partner für sich Konsequenzen zu ziehen.

Völkerrechtswidrige Sanktionen und exterritoriale Strafen zur Durchsetzung eigener, auch wirtschaftlicher Interessen aber ist Imperialismus, dem nicht nur im Fall Kuba, aber auch beim Übergehen europäischer Interessen im Iran-Konflikt entschieden entgegenzutreten ist.

Der Autor des Kommentars "Berliner Geisterfahrt" mag die Entscheidung der Bundesregierung bedauern, eine völkerrechtswidrige Einmischung einer fremden Macht herbeizuwünschen oder auch nur zu begrüßen, ist nicht akzeptabel. Wenn europäische EU-Partner in Washington tatsächlich intrigiert haben sollten, so ist dies bedauerlich, aber kein Grund, deshalb von einer für richtig gehaltenen Entscheidung abzurücken. Die Konsequenz kann nur sein, dass die deutsche Politik dem Vorbild Frankreichs folgt und einen vernünftigen Interessenausgleich mit Putin sucht.

Dr. Michael Griesbeck, Kronberg/Taunus

Unverschämte Erpressung

Das wird interessant: 2100 Kilometer sind fertig, 300 fehlen noch, die USA wollen die Fertigstellung von Nord Stream 2 unbedingt verhindern; jetzt bin ich neugierig, ob die unfähigen Deutschen sowie die beauftragte Schweizer Firma, die uneinige EU, Polen und Russen diese unverschämte Erpressung als solche zur Kenntnis nehmen werden.

Stefan Mezgolits, Draßburg

Es geht nur ums Fracking-Gas

Warum bezeichnet Hubert Wetzel die Zustimmung der Bundesregierung als Berliner Geisterfahrt? Dies ist doch eine rationale Entscheidung im Interesse Deutschlands. Dann unterstellt er: "Die Bundesregierung hat Republikaner und Demokraten dazu gebracht ... " Wobei dieser Akt ja nun nicht nur eine Sanktion gegen Russland ist, hier wird auch Deutschland sanktioniert, von einem Bündnispartner, der allerdings zunehmend aus eigenen weltmachtpolitischen Interessen und zum Nachteil der anderen Bündnispartner handelt. Es glaubt doch wohl niemand mehr, die USA handelten aus Sorge um die Unabhängigkeit Deutschlands und der EU. Sie wollen ihr Frackinggas verkaufen! Und Polen und die Ukraine wollen die Transitgebühren für das Gas einnehmen. Seit fast einem halben Jahrhundert liefern die Sowjetunion und nun Russland zuverlässig Gas. Warum auch nicht? Bei einem Lieferstopp würde Russland die eigene Geldeinnahme kappen.

Günter Weber, Essen

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Rapallo 2

Russland und Deutschland ergänzen sich hervorragend: Russland hat Rohstoffe im Überfluss, Deutschland Technik. Also wurde 1922 in Rapallo vereinbart, dass Russland billig Erdöl an Deutschland liefert und Deutschland die Technik dafür. Dieser Vertrag beförderte 1923 die französische Rheinlandbesetzung, denn die Westmächte wollten Deutschland kleinhalten.

Nun wird bald Russland mittels Nord Stream 2 verstärkt Erdgas nach Deutschland liefern, was der Supermacht USA nicht gefällt. Amerikanische Strafmaßnahmen waren nur eine Frage der Zeit. Ehrlich wäre es, die neue Gasleitung als Rapallo 2 zu bezeichnen. Die Strafmaßnahmen der USA betreffen nicht die in Bau befindliche Turk Stream 2 von der Kaukasusgegend durch das Schwarze Meer bis zur türkisch-griechischen Grenze. Die USA nehmen auf die Türkei außenpolitisch Rücksicht. Die USA erweisen sich zudem mit ihren aktuellen Sanktionen als undankbar, denn die Bundesregierung erleichterte den Bau der vorgeplanten Fracking-Flüssiggas-Terminals Wilhelmshaven und Brunsbüttel, indem sie per Verordnung im März 2019 definierte, dass die Anbindungsleitungen zu den allgemeinen Fernleitungen gehörten und damit über die allgemeinen Netzentgelte bezahlt werden - im Gegensatz zu den Anbindungen zu Gaskraftwerken.

Wolfgang Maucksch, Herrieden

Bekenntnis zu fossilen Rohstoffen

Wer am Ende sicher in die Röhre guckt, ist das Weltklima, denn die Pipeline zementiert die Ausrichtung auf fossile Brennstoffe, von der Klimaforscher vehement abraten. Sie nimmt somit von unserer Regierung den Druck umzusteuern in Richtung regenerative Energien und bestärkt Russland in seiner Energie- und Menschenrechtspolitik.

Lucian Jauch, Konstanz

Ist es ein Deal mit der Ukraine?

Donald Trumps Haltung gegenüber anderen Präsidialrabauken (Kim Jong-un, Putin und andere) erscheint vielen die einzig sinnvolle. Wo Gewalt unbegrenzt herrscht, ist nur Gegengewalt effizient. Er ist jedoch inkonsequent, insofern er einerseits als "Freund" Moskaus die Nato schwächt, also Ost- und Mitteleuropa gefährdet, andererseits aber den Bau der Nord-Stream-Pipeline blockiert und somit Russlands Einnahmen auch gefährdet. Durch diese Erpressung sichert er - vorläufig - nebenbei die Versorgung der Ukraine mit Gas und die Einnahmen dieses Landes. War das vielleicht auch ein Teil des Deals mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij ?

Jean-Patrick Donzey, München

Russland kann Europa ausspielen

Dieses Projekt war ein großer Fehler. Nord Stream 2 und auch Nord Stream 1 sind ein Projekt europäischer Unsolidarität. Es ermöglicht Russland, europäische Länder gegeneinander auszuspielen. Da die EU über eine Landgrenze mit Russland verfügt, wäre eine Pipeline-Trasse zu Lande über das Baltikum und Polen problemlos möglich gewesen. Die Trasse über See wurde gewählt, um EU-Neumitglieder einzeln unter Druck setzen zu können. Die EU sollte das Spiel nicht mitspielen. Denn es ist wichtig, dass die EU geschlossen und selbstbewusst gegenüber einem immer aggressiver werdenden Nachbarn im Osten auftritt.

Michael Oberseider, München

Europäische Interessen geopfert

Die von Senat und US-Kongress mit großer Mehrheit beschlossenen Sanktionen gegen Russland und Deutschland wegen Nord Stream 2 öffnen der deutschen Politik hoffentlich die Augen, dass die US-Politik des "America First" ohne Zögern ihre Interessen auch gegen engste Bündnispartner durchboxt. Deutschland kann kein Interesse an teurem schmutzigen Fracking-Gas haben, wenn billiges russisches Gas kontinuierlich seit Jahrzehnten durch Pipelines fließt, erst recht nicht, wenn Sanktionen und Erpressung dahinterstehen.

Angeblich geht es Trump um eine gefährliche Abhängigkeit Europas von Russland, tatsächlich aber richtet sich seine auf militärischer Überlegenheit fußende Außenpolitik gegen alle Staaten, die wie China, Russland eine Bevormundung ablehnen oder eigene Interessen verfolgen. Statt als Gegenreaktion etwa Importzölle für US-Fracking-Gas anzukündigen oder den Baustopp für die teuren Flüssiggasterminals zu verfügen, belässt es Merkel bei "sehr entschiedenen Gesprächen". Auf dem Altar der transatlantischen Freundschaft werden deutsche und europäische Interessen geopfert.

Thomas Jansen, Kassel

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