Süddeutsche Zeitung

Neue Seidenstraße:Eine Frage der Perspektive

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Muss man sich wehren gegen das das Vorgehen der Chinesen? Ein Leser sieht in dem Projekt Hegemonialpolitik im Stile der USA, ein anderer anerkennt eine notwendige Strategie, um die Zukunft Chinas zu sichern.

Zu " Zeit, sich zu wehren" vom 24. April:

China ist das Land, das sich als erstes umweltfreundlich und ressourcenschonend geben muss, will es überleben, eine Voraussetzung für das Überleben eines überbevölkerten Planeten. Das wird vielleicht Chinas großer Beitrag zur Weltzivilisation sein. China hat einen 100-Jahresplan. Bis alle EU-Staaten demokratisch waren, vergingen 300 Jahre!

Wir müssen uns daran gewöhnen, dass da ein Land ist, mit dem zigfachen Potenzial an Intelligenz und das bei einem einzigen, grob gesagt, Führungszentrum. An diesem Potenzial gemessen, ist China sehr besonnen. Kritik ist woanders zu üben: So sitzt Herr Juncker in Brüssel und sieht zu, wie 16 Staaten sich nicht an die EU-Verträge halten, nämlich an Artikel 3 des EU-Vertrags (AEUV). Der nennt sämtliche Wirtschaftskontakte, Handel, Zölle über die Grenzen hinaus, als zentrale Kompetenz der Union (EU-Kommission). Die EU hat gegenüber China nur einen Trumpf: 500 Millionen Konsumenten. Diesen Trumpf ist die EU bisher nicht in der Lage auszuspielen.

Dr. Johannes Rauter, Germering

Die China-Korrespondentin der SZ ruft kämpferisch zu einer härteren Gangart Europas gegenüber China auf. Mag ja sein, dass es auch im Sinne fairer globaler Wirtschaftsbeziehungen angeraten ist, sich nicht von gewieften chinesischen Verhandlungspartnern über den Tisch ziehen zu lassen. Doch das in Kalter-Kriegs-Rhetorik gemalte Feindbild, das da präsentiert wird, provoziert doch heftiges Kopfschütteln: Wir sollen uns gegen Chinas Markterschließungsstrategien wehren, wo doch VW zehnmal so viele Autos für den chinesischen Markt liefert als für deutsche Kunden? Wir sollen besorgt sein darüber, dass Peking keine Einhaltung von Umweltstandards verlangt, wo doch unsere Regierung die betrügerische Missachtung solcher Standards durch die deutsche Kfz-Industrie jahrelang stillschweigend tolerierte?

Wir sollen in dem Versuch Chinas, sich mittels der "Neuen Seidenstraße" aus seiner geostrategischen Umklammerung zu befreien, eine üble "Machenschaft" sehen, wo doch die USA unangefochten für sich in Anspruch nehmen, alle Welthandelswege - mitsamt ostasiatischer Meerengen - zu kontrollieren? Wer richtet da über wen?

Die auf Kontrolle von Rohstoffquellen und Erschließung von Märkten ausgerichtete Interessenpolitik Chinas ist eine Kopie alter und anhaltender westeuropäischer und US-amerikanischer Hegemonialpolitik. Nicht besser. Nicht schlechter. Der Artikel aber ist in einer Tonlage geschrieben, die suggeriert, dass sich nun endlich die Guten gegen die Bösen wehren müssten. Tatsächlich ist es ein Aufruf an die Reichen und Starken, sich gegen die gernereichen Halbstarken zu wehren - nicht dienlich für fairere Weltwirtschaftsbeziehungen und - auf lange Sicht - auch nicht für den Weltfrieden.

Prof. Dr. Theo Rauch, Berlin

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Quelle:
SZ vom 09.05.2019
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