Sprachlabor:Klassenverbleibung

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Ferner: Wie viel Schmarrn der Leser kann.

DEN SCHÖNHEITSPREIS würde keines der beiden Wörter erhalten, und doch zieht unser Leser C. den Verbleib dem Erhalt deutlich vor. Er tut dies nicht im luftleeren Raum, sondern im Hinblick auf den sportlich hochwichtigen Begriff Klassenerhalt, den durch Klassenverbleib oder wenigstens Nichtabstieg zu ersetzen er sich aufs Panier geschrieben hat. Das Wort Verbleib hat den Vorteil, dass es die Verbleibung nicht mehr gibt; einst war sie, laut Grimm, ein "beliebtes Kanzleiwort", etwa in der Formel "in Verbleibung einer Sache" (im Falle des Unterbleibens). Der Erhalt aber muss mit der Erhaltung leben, besonders damit, dass sich die ursprünglichen Bedeutungen - Empfang (eines Briefs) vs. Sicherung (des Regenwalds) - im alltäglichen Sprachgebrauch vermischt haben. Bei uns in der SZ rangiert der Klassenerhalt deutlich vor dem Klassenverbleib. Herr C. rühmt sich, aus seinem Heimatblatt, dem Trierischen Volksfreund, den Klassenerhalt per Leserbrief verbannt zu haben. Freilich, noch gibt es Ausreißer. Erst vor ein paar Tagen schrieb der dortige Sportredakteur B., der Luftgewehr-Mannschaft des SuSC Müllenborn sei der "Klassenerhalt" sicher.

ÜBER DAS HUMANE PAPILLOMVIRUS war zu lesen, dass an ihm "im wörtlichen Sinne" nichts human sei, da es Karzinome auslösen könne. Leser N. plädiert für eine begriffliche Nachschärfung: Da das Virus Menschen befalle, sei es im wörtlichen Sinn eben schon human, nämlich menschenbezogen. Im philosophisch-übertragenen und häufiger gebrauchten Sinne - menschenfreundlich - sei es das zugegebenermaßen nicht.

VOR DREI JAHREN beschäftigte uns die Klage einer Leserin, die hinter der Überschrift "Kann Söder Deutschland?" den Sprachverfall heraufsteigen sah. Unsere damalige Vermutung: dass können sich vom Modal- zum Vollverb mausert und dann so viel bedeutet wie schaffen, bewältigen oder beherrschen. Kürzlich hatten wir die Überschrift "Wie viel Hitze kann der Mensch?", in der kann ersichtlich den Sinn von erträgt hatte. Leser V. dürfte den Fall ähnlich gedeutet haben. Seine knappe Frage: "Wie viel Schmarrn kann der Leser?"

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