Mieten:Sie wollen doch nur wohnen

Am Wochenende protestierten in München 10 000 Demonstranten gegen Mietwucher. Eine Leserin wirft den Regierungsparteien hier vor, die Mieter müssten die Versäumnisse der Politik ausbaden. Eine andere fragt: Wer schützt eigentlich die Vermieter?

Foto für die Forumseite vom 18.9.2018

Schild mit Seltenheitswert - zumindest in Großstädten: Haus im brandenburgischen Luckenwalde.

(Foto: Ralf Hirschberger/dpa)

"Gut gemeint" vom 4. September sowie "Eigentum verpflichtet" und "Bauherrenmodell aus dem Hause Scholz" vom 3. September:

Die Versäumnisse der Regierungsparteien in den vergangenen zwei Jahrzehnten hat der Mieter auszubaden, und dazu will der Gesetzgeber ihn in das Boot des Vermieters setzen - bis beide gemeinsam ins Wasser fallen. Ich meine jetzt nicht als Vermieter die großen Wohnungsbaugesellschaften mit Tausenden Mietwohnungen, sie beherrschen ihr Metier, auch wenn sich die Gesetzeslage ändert. Es leiden vielmehr zukünftig die kleinen Unternehmen und Privatvermieter unter der Gesetzesvorgabe und mit ihnen die Mieter.

Der Mieter wird per Gesetz zum Fachmann ernannt, obwohl er eigentlich nur eines will, ein Dach über dem Kopf, das zu einem der Grundrechte der Menschheit gehört. Er soll als Revisor die Daten seines zukünftigen Vermieters prüfen - welche Konstellation! Und welche Demütigung des Eigentümers, den man per se schon zum Abzocker erklärt! Hoffentlich denken die Verantwortlichen auch an den Datenschutz und die Datenschutzverordnung, die der Mieter gegenüber dem Vermieter einzuhalten hat. Das Justizministerium wird das wohl schaffen.

Ist der Mieter ein Wohnungs-Hopper und zieht nach kurzer Zeit wieder um - Renovierungskosten, Neuvermietungskosten, zusätzliche Verwaltungskosten - trägt der Eigentümer das Risiko und die Kosten. Der Vermieter wird schnell kapieren, dass er die neue Nettomiete so hoch wie möglich ansetzen muss, will er nicht auf der Strecke bleiben, egal wer der nächste Bewohner ist und was dieser vorgibt. Und dann meldet sich der neue Mietinteressent, lehnt sich zurück und prüft die Daten - hurra, welche Freude für beide! Wie lange wird dieses Szenarium laufen? Bis zum nächsten Geistesblitz der Regierungsparteien. Nur wird das kaum neuen Wohnraum schaffen.

Marianne Wirtz, Kissing

Und der Bürger fördert mit

Das Bauherrenmodell aus dem Hause Scholz sucht private Investoren für ein Steuersparmodell, wenn diese Wohnungen bauen lassen und sie dann vermieten. Abgeschrieben werden können maximal 200 000 Euro, die ersten fünf Jahre erhöht, danach weniger; alles in allem sind es eben 200 000 Euro. Die Steuerersparnis bei einem angenommenen Steuersatz von 42 Prozent beträgt satte 84 000 Euro, plus erspartem Soli und Kirchensteuer. Die Abschreibungen (AfA genannt: Absetzung für Abnutzung) sollen die Wertminderung durch die Nutzung ausgleichen. Wer diese Wertminderung über Instandhaltungen bzw. Instandsetzungen ausgleicht, kann allerdings auch diese Ausgaben im laufenden Steuerjahr als Werbungskosten zusätzlich geltend machen, ohne dass die bereits berücksichtigte Abschreibung angerechnet wird. Also doppelt? Darüber könnte man mal nachdenken.

Der Staat (also die Bürger) zahlt kräftig mit. Warum aber braucht man erst Investoren, damit Mieter (sind auch Bürger) Wohnungen bekommen? Mit weniger Geld könnte man Familien über einen einmaligen Eigenkapitalzuschuss (und das bestehende Baukindergeld) den direkten Erwerb einer Wohnung ermöglichen. Abschreibungen und Werbungskosten spielen beim Eigennutz keine Rolle. Warum Steuersparmodelle an Besserverdienende, die später die Wohnung noch mit einem satten, steuerfreien Gewinn veräußern können? Für die Eigennutzer ist das Wohneigentum darüber hinaus noch die beste Altersvorsorge, anstatt später eine Miete zu zahlen, für die gerade die Rente noch reichen dürfte. Abrunden könnte man die Förderung noch durch eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer. Börsenorientierte Konzerne wissen seit Jahren, diese per Steuerschlupfloch zu umgehen.

Der EuGH ist gefordert, diese Praxis zu kippen, deutsche Länderfinanzminister schaffen es offenbar nicht selbst. Die CDU mauert, die FDP verhindert bei diesem Thema. Schwarz-Gelb in reinster Form. Wie dem auch sei: Im europäischen Vergleich liegen die Eigentumsquoten zwischen 42,5 und 96 Prozent. Deutschland steht mit 51,7 Prozent Wohneigentum auf dem vorletzten Platz. Die Bundesregierung (diesmal Schwarz-Rot) scheint damit zufrieden zu sein.

Gerade höre ich, die fast noch nagelneue Mietpreisbremse wird schon verstärkt. Hurra! Wirklich? Die Vermieter müssen erweiterte Auskünfte über den geforderten Mietpreis geben! Etwa so: Für die freie Wohnung gibt es zehn Interessenten, mindestens. Einer davon traut sich, die Vormiete zu erfragen, und will sich die Erhöhung begründen lassen. Der Vermieter zeigt ihm die Haustüre von außen. Sechs weitere gehen wieder, weil sie sich die Wohnung sowieso nicht leisten können. Von den restlichen dreien, die keine Fragen haben, bekommt der die Wohnung, der die wenigsten Kinder hat. Eigentum verpflichtet.

Berthold Tischbein, Uhldingen-Mühlhofen

Wo bleibt der Vermieterschutz?

Ich lese in kurzen Abständen über Mieterschutz, kaum je aber über Vermieterschutz. Wer als Vermieter einmal erlebt hat, wie viel Ärger, Nerven, Wut und Geld es kostet, wenn ein Mieter plötzlich seine Mietzahlungen einstellt und über Monate, wenn nicht Jahre, nicht zum Auszug zu bewegen ist, wird sich zweimal überlegen, ob er sein Geld in Mietwohnungen anlegt.

Prof. Ingrid Lazarus, München

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Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion. Wir behalten uns vor, die Texte zu kürzen.

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