Mieten:Gerechte Preise - eine Frage der Perspektive

Soll der Staat bei stark steigenden Mietpreisen reagieren? Manche fordern deutliche Eingriffe, ein Leser sieht sogar ein Grundrecht auf bezahlbares Wohnen. Einige Vermieter unter den SZ-Lesern fühlen sich unfair behandelt.

Zu "Überlastet durch die Miete" vom 2. Juli, "Die Mieten-Mär" und "Grüne wollen Mieter von Grundsteuer befreien", beide vom 28. Juni, sowie zu "Bei zehn Euro pro Quadratmeter ist Schluss" vom 26. Juni und "Druck unterm Deckel" vom 13. Juni:

Mutige Schritte nötig

Mit dem Vorhaben, die Mieten am unteren Ende der jeweiligen Mietspiegel anzusetzen, will der Bund dazu beitragen, dass Wohnungen - auch für Bundesbedienstete - bezahlbar bleiben. Dieser Beschluss wird ergriffen, nachdem die Mieten in Großstädten und begehrten Wohnlagen in den letzten Jahren rapide angestiegen sind. Von diesem Anstieg profitierte in der Vergangenheit auch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), und jetzt soll sie laut Beschluss von SPD und CDU ganz großzügig werden.

Warum aber muss eine Wohnung in Berlin, München oder Heidelberg teurer sein (unteres Ende des jeweiligen Mietspiegels!) als in Görlitz oder Chemnitz oder Oberhausen? Welcher Bundesbeschäftigte von Zoll, Bundespolizei oder Bundeswehr kann sich eine Wohnung für zehn Euro Nettokaltmiete plus Nebenkosten und Heizung erlauben? Ein mutiger Schritt wäre die Begrenzung der Miete auf maximal zwei Drittel des unteren Endes des Mietspiegels, wie es als Ausnahme für total überhitzte Wohnungsmärkte gilt.

Johannes Lakes, Oberhausen

Zu gute Lobbyarbeit

Der Aufruf zur fristgerechten Mieterhöhung noch vor dem Mietendeckel am 17. Juni von einem Berliner Eigentümerverband, wie im Artikel "Druck unterm Deckel" beschrieben, ist eine Frechheit! Ich empfehle dem Berliner Senat, den Mietendeckel-Beschluss rückwirkend zum 1. Januar 2019 zu erklären, um diesen Wucherern den Boden ihrer Tätigkeit zu entziehen, mit dem gleichen Recht wie 2004 die rückwirkende Krankenkassen-Beitragspflicht für alle Direktversicherungen und Betriebsrenten eingeführt wurde.

Miete

Protestaktion in Berlin: Preise neu und alt, fast 1000 Euro Unterschied. Nach Renovierungen springen die Mieten oft in die Höhe.

(Foto: imago images)

Bis heute wird dagegen gekämpft, aber es gibt keine parlamentarische Unterstützung, die Lobby hat ganze Arbeit geleistet!

Reinhard Göhler, München

Vermieter werden abgestraft

Offensichtlich wollen die Grünen mit ihrem Vorhaben, Mieter von der Grundsteuer zu befreien, Vermieter mit sozialer Einstellung abstrafen! Diese halten zwei Drittel aller Mietwohnungen und haben die Mieten zwischen 2015 und 2018 durchschnittlich um 4,2 Prozent erhöht, wogegen die Öffentliche Hand um fünf Prozent erhöhte und Wohnungsunternehmen bei knapp über sechs Prozent Verteuerung liegen. Private Vermieter werden also dafür bestraft, dass sie in der Vergangenheit gespart und auf vieles verzichtet haben, um sich Wohneigentum leisten zu können, und dass sie sich zudem bei den verlangten Mieten zurückhalten. Ist das jetzt sozial gerecht?

Josef Feuerstein, Markt Schwaben

Wohnen und Menschenwürde

Dauerhaftes Leben in vor äußeren Einflüssen schützenden Räumlichkeiten, sprich Wohnen, stellt unbestrittenerweise ein essenzielles Grundbedürfnis eines jeden Menschen dar. Schutz vor Kälte, Hitze, Niederschlägen, starken Windböen, neugierigen Blicken respektive Eindringlingen wird durch die Bank begehrt. Jedoch bleibt den von Obdachlosigkeit Betroffenen nichts anderes übrig, als draußen zu nächtigen. Sie sind aufgrund dessen gehalten, stets, zwecks Erkennung von Gefahren mit einem offenen Auge zu schlafen. Menschen mit Wohnung sind im Gegensatz zu den Wohnungslosen in ihrer Privatsphären geschützt. Wenn ein Mangel an Wohnungen ausgenutzt wird, um Mieten drastisch zu erhöhen, ist korrigierendes Eingreifen dringend erforderlich. Denn Wohnungsnot, unbezahlbare Mieten sowie Herausmodernisierungen ohne Vorhandensein von alternativem Wohnraum verletzen zweifelsohne die Würde der davon betroffenen Mieter. Dabei ist kraft Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes das Recht eines jeden in Würde zu leben unantastbar - darin enthalten ist auch ein angemessenes und bezahlbares Wohnen. Meines Erachtens verstößt die derzeitige Wohnungsmarktdisparität, existent besonders in Ballungsgebieten, gegen das Grundgesetz. Unsere Rechts- und Solidargemeinschaft darf einen solchen Missstand daher nicht tolerieren, denn angemessenes und bezahlbares Wohnen verkörpert Menschenrecht.

Siegbert Frontzek, Gladbeck

Einseitiges Bild von Eigentümern

Thema des Beitrages "Härtefall" vom 23. Mai ist das BGH-Urteil zur Eigenbedarfs-Klage von Vermietern. Als Mitglied einer Familie, die ein in dritter Generation vererbtes, liebe- und sinnvoll erhaltenes, in einer der attraktivsten Städte Deutschlands gelegenes Miethaus seit Jahren bezahlbar an "normale Leute" vermietet, bin ich entsetzt über die einseitige Berichterstattung. Selbstverständlich gibt es unter Vermietern schwarze Schafe, wie der im Beitrag zitierte "Chefarzt"(klischeehafter geht es kaum), der Mieter seiner Berliner Wohnung über Eigenbedarf herausgeklagt hat, um sich nur wenige Tage im Monat dort aufzuhalten.

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Dass das Urteil soziale Härten abfedert, ist grundsätzlich wichtig. Den Fakten angemessen wäre es allerdings, in einem solcherart einseitigen, vermieterkritischen Beitrag der Fairness halber darauf hinzuweisen, wie viel gepflegter und dennoch bezahlbarer Wohnbestand bundesweit in Städten von privater Hand garantiert wird.

Da die Kosten für Renovierungen (kein Luxus!) von Altbauwohnungen rasch in den oberen fünfstelligen Bereich gehen und eine "normale Vermieterfamilie" das auch nicht aus der Portokasse finanzieren kann, dienen Mieteinnahmen grundsätzlich der Reinvestition ins Haus, und Kredite müssen abbezahlt werden.

Dass "Eigentum verpflichtet", ist sehr vielen privaten Vermietern absolut bewusst, und sie handeln auch danach. Sollte ein Familienmitglied dann bei allem Engagement doch einmal selbst Bedarf haben und sich zu einer Klage auf Eigenbedarf gezwungen sehen, muss das möglich sein, ohne dass man gleich als Menschenfeind verteufelt wird?!

Michael Kremin, München

Zusatzkosten für Ältere

Der Artikel "Überlastet durch die Miete" weist sehr gut auf wesentliche Schwachpunkte hin. Doch barrierefrei genügt nicht im (Sozial-)Wohnungsneubau für ältere Bürger. Kleine Wohnungen sind kein Allheilmittel. Flexibel nutzbare, alten- und behindertengerecht geplante müssen es sein. Immer mehr Menschen sind im Alter für lange Zeit auf mobile Hilfen angewiesen. Wem nutzt es denn, wenn die Bezeichnung barrierefrei für die Wohnung zutrifft, aber nicht für das Haus/die Anlage und das Wohnumfeld? Auf die Mietüberlastung addieren sich bei mangelhaft barrierefreien, selbständig kaum nutzbaren Wohnmöglichkeiten Dauerkosten für Hilfspersonal.

Annette Gümbel-Rohrbach, München

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