Süddeutsche Zeitung

Medizin:Herz vom Schwein - ein Graus

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Eine Leserin wendet sich mit Vehemenz gegen die These, eine Xenotransplantation, wie sie jüngst mit Schwein und Affen geschah, sei ein Fortschritt. Sie beklagt das Leid der Tiere.

Ein Schweineherz schlägt nach jahrzehntelangen Versuchen nur wenige Monate in einem Affen. Diese Nachricht wurde jüngst als wissenschaftlicher Durchbruch verkauft (" Schweineherz im Affenleib", 6. Dezember). Aber was ist mit den quälerischen Tierversuchen, die diesem "Erfolg" vorausgingen? Im Fachbegriff: Xenotransplantation. Als ob dieses Wort besser macht, was hier im Namen der Wissenschaft geschieht: Affen wird das gesunde Herz entnommen und durch das gentechnisch veränderte - und viel zu große - Herz eines Schweins ersetzt.

Ich kann meiner Abscheu keinen Ausdruck verleihen. Seit Jahrzehnten werden Affen und Schweine diesem Martyrium ausgesetzt. Zum Wohle der Menschheit? Wir Menschen wollen auf dem Rücken dieser hilflosen und ausgelieferten Kreaturen einen Fortschritt erreichen? Kein höheres Ziel rechtfertigt diese Qual. Wenn es nach den Heilsversprechungen einiger Forscher ginge, wäre Aids seit 1983 besiegt, Krebs seit 1990, und schon seit 2005 könnten standardmäßig Schweineherzen auf Menschen transplantiert werden. All das sollte durch grausamste Tierversuche erreicht werden. Jetzt wieder: Die funktionierende Organverpflanzung von einer Spezies in eine andere läge in wenigen Jahren nahe. Tiere als Ersatzteillager für den Menschen.

Was wissen wir schon von den Tierversuchen, die dieses ermöglichen sollen? Es ist ja nicht nur die Operation und das anschließende Leiden bis zum nahen Tod. Der Transport der Tiere, die Haltung unter septischen Bedingungen, die gentechnische Veränderung. Primaten, die uns vom Verhalten her so nah sind, wie leben diese in den Laboren? All das Grauen, um ein Schweineherz in einer Menschenbrust schlagen zu lassen. Irgendwann. Angeblich. Wollen wir das überhaupt? Vor allem, da es längst Alternativen gibt, an denen sinnvollerweise weitergeforscht werden sollte. Das Kunstherz funktioniert als Überbrückung bereits sehr gut. Zudem sei die Züchtung menschlicher Miniorgane im Labor (sog. Organoide) ein vielversprechender Ansatz für die Transplantation. Hierüber informieren die "Ärzte gegen Tierversuche" und verurteilen die Xenotransplantation als "schlimmsten Auswuchs der tierexperimentellen Forschung".

Für andere Menschen kann ich nicht sprechen, aber für mich ganz klar: Mein Herz von einem Schwein? Ganz sicher nein.

Claudia Bee, Berlin

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Quelle:
SZ vom 20.12.2018
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