Süddeutsche Zeitung

Maut:Neue Ideen nach dem Scheitern

Einige SZ-Leser sind wütend, weil schon wieder ein Projekt made in Germany nicht funktioniert und viel Geld kostet. Manche sehen die Chance auf ein europaweites Konzept verbrauchs- und nutzungsabhängiger Abgaben fürs Auto.

Zu "Debatte über Maut für alle" vom 21. Juni sowie zu "Die Niederlage", "Freie Fahrt" und "EU-Richter kippen deutsche Pkw-Maut", alle vom 19./20. Juni:

Teures Mautmonster

Im Januar 2019 waren laut Kraftfahrt-Bundesamt 47,1 Millionen Pkw in Deutschland angemeldet. Bei berechneten jährlichen Mauteinnahmen von 500 Millionen Euro ergäbe sich damit ein Jahresertrag pro Pkw von 10,62 Euro. Würde man also eine einfach gestrickte Maut in Höhe von lediglich 20, 30 oder 40 Euro pro Pkw einführen, blieben - nach Abzug der Verwaltungskosten - wohl deutlich mehr Einnahmen für den Bund übrig als mit dem von der CSU geplanten Mautmonster. Hinzu kämen die Einnahmen durch ausländische Pkw. Ein solcher Betrag wäre wohl für die meisten in- und ausländischen Pkw-Eigentümer problemlos zu akzeptieren, wenn dafür in die Straßensanierung entsprechend investiert würde.

Nebenbei: Angesichts einer diskutierten Jahresmaut von bis zu 130 Euro pro Pkw hätte der erwartete Überschuss von 10,62 Euro bedeutet, dass der Verwaltungsaufwand bis zu 92 Prozent der Einnahmen aufgefressen hätte. Was für eine Farce! Und mit solch einer Maut-Idiotie hält die CSU die Republik jahrelang in Atem und verbrät dabei wieder zig Millionen Steuergelder, um das eigene Ego zu befriedigen. Es ist ja nicht die eigene Geldbörse.

Thomas Schmidbauer, Erding

Blamage für Verkehrsminister

Schon zu Beginn der Maut-Pläne hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundesverkehrsministeriums davor gewarnt, dass diese Pläne nicht mit EU-Recht vereinbar seien. Der damalige Minster Dobrindt hat dies ignoriert. Als eine dubiose Unterschriftenkampagne von Lungenfachärzten behauptete, die vom Autoverkehr produzierten Schadstoffe seien gar nicht so schlimm, sprang der jetzige Minister Scheuer begeistert und ohne jegliche Überprüfung darauf an, weil es die Autoindustrie entlastete - und blamierte sich gründlich. Wieso wird dieses wichtige Ministerium stets mit Dilettanten besetzt?

Hermann Engster, Göttingen

Nationales versus EU-Recht

In den Medien wird/wurde ausführlich über die Ablehnung der deutschen "Maut" berichtet. Allerdings fehlt mir ein Aspekt, und zwar stört den Europäischen Gerichtshof (EuGH) wohl die gleichzeitige Absenkung der Kfz-Steuer für deutsche Autofahrer. Damit greift der EuGH in die deutsche Steuergesetzgebung ein. In der EU ist aber diese Gesetzgebung nationales Recht und die Bestimmung der Höhe bleibt der Bundesregierung vorbehalten. So sind zum Beispiel die Steuersätze auf Benzin/Diesel in den Ländern nicht gleich, und die vielen Briefkästen in Luxemburg, Irland oder Holland zeigen die unterschiedlichen Steuersätze zu Lasten anderer EU-Länder. Leider geht unsere Regierung über diese Diskriminierung klaglos hinweg.

Jürgen Schmücker, München

Europäische Mineralölsteuer

Was für ein bürokratischer Wahnsinn. Der Umwelt ist es schnurzegal, ob das CO₂ auf der Autobahn oder der Bundesstraße oder sonstwo ausgestoßen wird. Eine alle Kosten und Schäden des Kfz-Verkehrs deckende Mineralölsteuer, und zwar in allen EU-Ländern, wäre erheblich umweltgerechter. Der Kleinwagen und der Monstertruck sind doch nicht in "gefahrene km auf der Autobahn" vergleichbar. Verbrauchter Treibstoff ist ein angemesseneres Maß. Bei der Kfz-Steuer sollte man noch über Einpreisung von Feinstaub oder NOx sowie Lärm und erreichbare Geschwindigkeit etcetera je nach Wagentyp nachdenken.

Weil mal ein CSU-Minister in finsterer Ausländerfeindlichkeit das Wort "Maut" in die Diskussion geworfen hat, muss man das doch nicht um jeden Preis umsetzen. Nebenbei kostet auch und vor allem der Bau und Unterhalt von Bundesstraßen und Gemeindestraßen; besonders teuer kommen alle Tunnelstrecken. Bei einer Autobahnmaut würden diese kostenfrei benutzbar, was ja schon einmal dazu geführt hat, dass plötzlich Lastwagenkolonnen durch kleine Dörfer gefahren sind, sodass die Bewohner kaum noch die andere Straßenseite erreichen konnten.

Kassieren Sie doch bitte lieber Maut von den Industrielobbyisten, die in die Abgeordnetenbüros eintreten - und legen Sie bitte diese Einnahmen offen.

Gunhild Preuß-Bayer, München

Lob an die Richter

Das eigentlich Erstaunliche ist, dass es eine Regionalpartei geschafft hat, angesichts der Steuereinnahmen von neun Milliarden Euro aus der Kfz-Steuer und eines auf Kraftstoffe entfallenden Anteils von knapp 37 Milliarden Euro aus der Energiesteuer (Fiskaljahr 2018, Quelle BMF-Monatsberichte) eine zusätzliche Einnahme von nur 0,5 Milliarden Euro als Rettung für die Verkehrsinfrastruktur zu verkaufen. Wenn besagte Regionalpartei damit, trotz aller rechtlicher und sachlicher Bedenken, bei der Schwesterpartei und dem Koalitionspartner durchkommt und erst vom EuGH gestoppt werden kann, muss Herrn Seehofer, der meint, dieses Urteil werde die "Zustimmung gegenüber europäischen Institutionen nicht gerade erhöhen", dringend widersprochen werden. Dieses Urteil zeigt im Gegenteil, dass Institutionen wie der EuGH bitter notwendig sind.

Robert Otto, Stadtbergen

Ein europaweites Konzept

Bei dem Thema könnte sich die EU wirklich beweisen. Nötig wäre ein europaweites einheitliches Konzept für die Besteuerung vom Kfz (jährlich oder beim Verkauf), von Kraftstoff und Straßenbenutzungsgebühren für Autobahnen. Gemeinsam mit diesem Konzept braucht es ein Umsetzungskonzept (für jeden Mitgliedsstaat einzeln), welches das jeweils bestehende System binnen zum Beispiel zehn Jahren in mehreren Schritten in das einheitliche Konzept überführt.

Grundsätzlich könnte darin enthalten sein, dass die Mitglieder wirtschaftlich schwächerer Länder leicht niedrigere Steuersätze anlegen. Tanktourismus wäre damit ebenso Geschichte, sodass Tankstellen wieder gleichmäßig verteilt entstehen. Grundsätzlich sollte auf Autobahnen ein streckenabhängiger Tarif gelten, zentral erfasst durch ein System wie Tollcollect. Härtefälle könnte dann jedes Land individuell unterstützen.

So könnten Leute in strukturschwachen Regionen (etwa in Ostdeutschland), solange es dort keinen akzeptablen Nahverkehr gibt, entweder einzeln oder pauschal unterstützt werden, damit es dort nicht zu noch mehr Abwanderungen kommt. Dabei muss Autofahren grundsätzlich teurer werden, da es kein Grundrecht darauf geben kann, dass jeder jederzeit staufrei mit dem eigenen Auto von A nach B fahren kann, vor allem nicht im urbanen Raum.

Auch Elektroautos dürfen nicht ganz ausgenommen werden, da wir heute ja nicht nur ein Problem mit Emissionen, sondern auch mit Platzbedarf durch Autos haben. Im gleichen Zuge sollte übrigens die EU sich auf eine einheitliche Besteuerung von Kerosin einigen. Hauptziel muss sein, mit den eingenommenen Geldern überall den Öffentlichen Personennahverkehr und den platzsparenden Individualverkehr (Radfahrer, Elektro-Roller) zu fördern.

Matthias Dangl, Riedering

Benutzer- statt Besitzersteuer

Das Urteil des EuGH eröffnet die Chance für eine einfache, klare, verständliche Lösung. Sie ist nicht eine anders gestaltete Maut, sondern die Verabschiedung von Mautplänen und Kfz-Steuer und die aufkommensneutrale Umlegung ihrer Einnahmen auf die Mineralölsteuer. Sie gibt es schon. Neuer, nicht unerheblicher Erhebungsaufwand für eine Maut würde vermieden, der Erhebungsaufwand für die Kfz-Steuer würde entfallen, und neuer Erhebungsaufwand für die Mineralölsteuer würde nicht entstehen. Die Umstellung wäre ein nachhaltiger Beitrag zur Deregulierung. Und gerecht ist sie auch: Die Umstellung von der Besitzsteuer zur Benutzungssteuer führt zu einer Bemessung nach tatsächlich durch Benutzung entstehenden Emissionen und Straßenverschleiß. Nicht das in der Garage stehende Auto, sondern dessen Benutzung belastet die Umwelt. Die nutzungsbezogene Steuer bewirkt nachhaltig ein verbrauchsarmes Fahren und die Wahl verbrauchsarmer Autos. Und zur Freude der CSU würden über die Mineralölsteuer auch ausländische Autofahrer beteiligt werden. Vielleicht gelingt den Politikern auch einmal eine intelligente, einfache Lösung.

Hans Lafrenz, Hamburg

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Quelle:
SZ vom 29.06.2019
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