Süddeutsche Zeitung

Maut:Entgegen aller Vernunft 

Lesezeit: 4 min

Viele Leser können nicht nachvollziehen, wie es dazu kommen konnte, dass der Bundesverkehrsminister Verträge abgeschlossen hat für eine Maut, die nun nicht kommt. Ein Leser fordert, die CSU solle für die entstandenen Kosten aufkommen.

Zu " Die Niederlage" vom 19./20. Juni und " Ultimatum verstrichen" vom 13./14. Juli:

Eine Vignette wie in Österreich

Als Steuerzahler finanzieren wir Bürger den Verkehrsetat zu einem erheblichen Teil. Es ist empörend, wie viele Millionen Euro durch den stümperhaften Umgang mit der Pkw-Maut in den Sand gesetzt werden. Deshalb die dringende Forderung an die Politik: Leiten Sie eine preisgünstige Lösung in die Wege. Eine Vignette für alle nach österreichischem Vorbild erscheint mir im Vergleich zu Ihren sinnlosen Ausgaben unserer Steuergelder inzwischen sinnvoll. Die sogenannten "Pickerl" können Sie bestimmt in Österreich bestellen, da läuft die Produktion bereits seit vielen Jahren problemlos.

Ruth Schneider, Regensburg

Mehr als nur fahrlässig

Das Gebaren Minister Scheuers ist unerträglich. Gibt es denn niemanden, der diesen Minister stoppt, denn von alleine wird Scheuer niemals seinen Posten räumen. Schon bei der Vergabe des Mautsystems hat Scheuer alle fachlichen Empfehlungen ignoriert, die sich für den deutschen Staat als Betreiber der Maut aussprachen. Stattdessen beauftrage er im Alleingang ein privates, ausgerechnet österreichisches Unternehmen mit der Durchführung - denn diese Möglichkeit der zusätzlichen Demütigung Österreichs wollte er sich anscheinend nicht entgehen lassen.

Für all diese Vorbereitungen hat er, so wird bisher gemeldet, bereits bis zu 50 Millionen Euro an Beratungen ausgegeben, und nun ist das Vorhaben, wie übrigens zu erwarten war, vom Europäischen Gerichtshof gestoppt worden. Da die Verträge zur Durchführung aber bereits geschlossen wurden, stehen nun Schadenersatzforderungen im Raum, die mit bis zu einer Milliarde Euro beziffert werden. Man muss sich diese riesigen Summen einmal vorstellen, die zum Schaden des Steuerzahlers bereits entstanden sind und noch entstehen werden, allein weil ein Minister entgegen jeglicher rationalen Vorgehensweise voreilig Fakten schaffen wollte. Das hat mit Fahrlässigkeit schon nichts mehr zu tun.

Rudolf Thieser, Radolfzell am Bodensee

Der Rechnungshof hat versagt

Der Präsident des Bundesrechnungshofes, Kay Scheller, formuliert in aller Klarheit seine und seines Hauses Aufgabe, zu kontrollieren, "ob die Regierung rechtstreu arbeitet und wirtschaftlich". Beim Thema Pkw-Maut allerdings spielte dies offenbar keine Rolle. Hatte der Rechnungshof nicht die Vergabe der Lkw-Maut an ein Privatkonsortium scharf kritisiert? Und wurde die flächendeckende Erhebung der Lkw-Maut auf Bundesstraßen nicht nach Vertragsablauf nunmehr in die öffentliche Hand zurückgeholt?

Die Pkw-Maut wurde dann noch versucht, vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu retten, mit dem Hinweis, man sei ja bereits Verträge eingegangen - obgleich es gar keine technische oder rechtliche Vorgabe gab, dies zu tun. Im Klartext: CSU-Minister Scheuer wollte den Europäischen Gerichtshof zwingen, Recht in seinem Sinne zu sprechen. Nun ist das Malheur groß, denn die Verträge scheinen keine dezidierte Vorbehaltsklausel zu enthalten, die das zu erwartende EuGH-Urteil als Bedingung nennt und daraus resultierende Schadenersatzforderungen ausschließt. Was aber macht dann der Rechnungshofpräsident? Statt das völlig unstimmige Konzept zu benennen, wird der Präsident politisch. Das nützt dem Rechnungshof und seinem Ruf nicht.

Torsten Warnecke, Bad Hersfeld

So entsteht Politikverdrossenheit

In den Nachrichten hat Verkehrsminister Scheuer die Niederlage in geradezu staatsmännischer Weise verkündet. Dabei hätte er doch einen Großteil der Verantwortung für das Desaster an seinen Vorgänger im Amt und an den damaligen CSU-Vorsitzenden Dobrindt weiterreichen können.

Letzterer hätte seinen Minister davor bewahren müssen, diese Schnapsidee als großartige Lösung einzubringen. Er ist ja lange genug im Geschäft. Fachleute hatten früh errechnet, dass die Abwicklung der vorgeschlagenen Maut mehr kostet, als diese jemals einspielen würde. Die Ratschläge wurden offensichtlich selbstherrlich beiseitegeschoben. Da braucht man sich über zunehmende Politikverdrossenheit nicht wundern.

Erich Rief, Neustadt

Bescheuert oder korrupt

Wenn es wirklich stimmt, dass die Herren Minister Andreas Scheuer beziehungsweise Alexander Dobrindt bei den Vertragsverhandlungen mit den Mautbetreibern keine Klausel eingebaut haben, die bei einer Ablehnung der vorgeschlagenen Maut aus politischen oder europarechtlichen Gründen Schadenersatzansprüche der potenziellen Auftragnehmer verhindert, dann sind sie entweder bescheuert oder korrupt.

Peter Bartenbach, Marktschellenberg

Die CSU sollte zahlen

Das Wahlversprechen der CSU lautete: Die Maut kommt. Die anderen zahlen. Deutsche zahlen nichts. Nun ist es anders gekommen: Die Maut kommt nicht. Nur die Deutschen zahlen - und zwar die Entschädigungskosten von bis zu 700 Millionen Euro. Deshalb: Nehmt die CSU bei ihrem Versprechen. Die Riesensumme, die die Herren Seehofer, Dobrindt und Scheuer wider besseres Wissen und gegen Ratschläge von Sachkundigen verursacht haben, wird von der CSU bezahlt, bei Weigerung von der Parteienfinanzierung einbehalten.

Axel Enz, Kassel

Ober sticht Unter

Man erinnert sich: Merkel hat gesagt, mit ihr gebe es keine Pkw-Maut. Seehofer, Dobrinth und Scheuer wollten sie unbedingt.

Da der Ober stets den Unter sticht, aber jeder sein Gesicht wahren musste, war diese besondere Mautkonstruktion erforderlich. Das Scheitern vor dem EuGH war also eingeplant und zwingend. Wäre das nicht so, hätten geringfügige Anpassungen die EU-Konformität sichergestellt.

Dass Herr Scheuer dieses Konstrukt nutzt, um der Industrie 700 Millionen Euro Steuergeld zu schenken, ist kriminell. Die Industrie hatte mit obigem Wissen ja keine echten Vorleistungen zu erbringen. Es bleibt aber wohl ein Wunschtraum, dass derartige Machenschaften juristisch geahndet werden.

Klaus Gebauer, Buchloe

Die Lösungsidee kam viel zu spät

Seit einer Ewigkeit stellt die CSU die Verkehrsminister des Bundes und immer ging es schön an der Autobahn entlang. Die Autobahnen wurden zu den Lebensadern der Republik. Nun sind sie kaputt und bedürfen dringend der Erneuerung. Aber das Geld fehlt, weil es nie eingeplant wurde. Auch nicht, als immer mehr Lastwagen den Unternehmen halfen, die Kosten für Bevorratung und Lager zu sparen. Da kam die großartige Idee der Pkw-Maut auf.

Vor den eigenen Autofahrerwählern hatte die CSU jedoch Angst. Also sollten doch die anderen die Kosten zahlen. Es wurde so lange herumgetrickst, bis man in der CSU der Meinung war, das sei mit EU-Recht zu vereinbaren. Von der eigenen Unfehlbarkeit berauscht, begann man mit der Planung. Entgegen jeglicher Sorgfaltspflicht und trotz bestehender Rechtsunsicherheit wurden alle Bedenken vom Tisch gefegt. So weit hätte es gar nicht kommen dürfen. Mir scheint es mit der wirtschaftlichen Kompetenz der CSU nicht weit her zu sein, vom Mut, gegen den Lobbyeinfluss anzugehen, ganz zu schweigen.

Jochen Renfordt, Hagen

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Quelle:
SZ vom 07.08.2019
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