Maskenpflicht:Untragbare Zustände

Alle müssen sie tragen, aber viele können den Alltag mit Maske nicht mehr ertragen: Weil es viele Ausnahmen gibt, weil das Lächeln der Mitmenschen fehlt, oder weil sie sich sorgen, dass die Tragepflicht die Gesellschaft verändert.

Berlin, DEU, 01.08.20220 -In Berlin demonstrieren Tausende Corona-Leugner gegen die Beschraenkungen in der Pandemie. Ab

Demo ohne Maske und Abstand: Massenproteste am vergangenen Samstag in Berlin gegen die Corona-Beschränkungen.

(Foto: imago images/Jochen Eckel)

Zu "Das Masken-Drama" vom 11./12. Juli sowie zu "Ich würde einen Gangsterrapper kontaktieren", Interview mit Psychologie-Professor Claus-Christian Carbon zur Wirkung von Masken vom 9. Juli:

Ignoranten sollen zahlen

Jedem sei ein schöner und erholsamer Sommerurlaub gegönnt. Ob am Meer, an der See oder in den Bergen. In Zeiten einer bedrohlichen Pandemie haben sich die meisten Bürger mit den notwendigen Schutzmaßnahmen und Einschränkungen arrangiert. Dank der eingeführten Regelungen in vielen Ländern konnte nun auch der Tourismus unter bestimmten Voraussetzungen starten. Keinerlei Verständnis habe ich allerdings für Urlauber, die sich über alle Schutzmaßnahmen hinwegsetzen und in großen Gruppen ihrem hemmungslosen Vergnügen nachkommen. Beleg sind die vielen Berichte unter anderem von Mallorca (speziell "Ballermann") und Nizza sowie auch Teilen in Deutschland. Die betreffenden Bilder und Videos sind abstoßend und erschreckend zugleich.

Nach meiner Meinung sollten diese Urlauber zum Schutz der vielen Vernünftigen nach Rückkehr für 14 Tage in Quarantäne.

Im Falle einer behandlungsbedürftigen Infektion sollte im Rahmen der groben und ignoranten Fahrlässigkeit auch an eine finanzielle Beteiligung an den Behandlungskosten gedacht werden.

Dr. med. Jochen Huck, Pfronten i. Allgäu

Warum so viele Ausnahmen?

Als Maskenträger noch vor meinem Achtzigsten Mitte März 2020 wurde ich belächelt in Supermärkten, Apotheken, Drogerien und Arztpraxen. Deshalb tut mir der Artikel zur Maskenpflicht so richtig gut! Und ich habe schon ohne Probleme im Februar, als die Skiurlauber und die Berater aus China nach Deutschland einreisten und die chinesischen Textilarbeiter aus dem Weihnachtsurlaub nach Italien zurückkehrten - alle mit dem Virus im Gepäck -, mir für die Familie FFP-2- und FFP-3-Masken bestellt und bekommen. Und niemals die Designer-Masken getragen, bei denen man/frau seitlich aufs Gebiss und die Nasenflügel schauen kann.

Wie kann es sein, dass nach Anerkennung der Wichtigkeit des Mund-Nasen-Schutzes, nun überall Menschen ohne Maske herumlaufen und bei Ansprache überwiegend patzig und grinsend auf ihr "Attest" hinweisen. Ich unterstelle bei diesen Menschen, dass diese Atteste auch von Lungenfachärzten erstellt und nicht im Internet heruntergeladen oder von Urologen oder Dermatologen ausgestellt wurden. Wie kann die Corona-Schutz-Verordnung und das Infektionsschutzgesetz bundesweit das Auftreten ohne Maske gestatten? Was denken sich diese Menschen, wenn sie an der Kasse im Supermarkt oder beim Gottesdienst sich an mir vorbeidrängeln und auf ihr Attest hinweisen? Was soll diese Maskenregelung bewirken mit diesen Ausnahmen?

Ich erkenne an, dass viele Menschen gesundheitliche Probleme beim Tragen einer Maske haben können (Lungenkranke, Hörgeschädigte etc.), aber warum nimmt der oder die Betreffende nicht eine der zahlreichen Hilfsangebote von Nachbarn, Kirchen und Sozialeinrichtungen für die Erledigung seiner Besorgungen in Anspruch? Muss er oder sie sich selbst oder andere der Gefahr der Ansteckung aussetzen? Warum kann ein Attest das Hausrecht außer Kraft setzen?

Dipl.-Ing. Immo König, Dortmund

Den Asiaten früher folgen

Hätte, hätte Fahrradkette. Ich denke, ich bin eine gut informierte Leserin von SZ, Zeit, Spiegel und Dauerhörerin von BR2 und DLF. Ich selbst habe aber trotz aller verschwörungsfreien Informationen, die Gefahr einer Infektion komplett unterschätzt, obwohl in unserem Landkreis der Corona-Fall eins (im Zusammenhang mit Webasto) aufgetreten war. Ich war ja samstags nicht auf dem Landsberger Markt. Meinen Aktionsradius hab ich zwar reduziert, sämtliche Verwandtenbesuche (Geburtstag meiner Tochter, Schwester ...) abgesagt. Maske war aber keine Option. Erst als mich ein Mann im Supermarkt ungeschützt heftig angehustet hat, bin ich ins Nachdenken gekommen (Luft anhalten und durch, jede Diskussion könnte eine Infektion bringen). Als dann in Bayern die (umstrittene) Maskenpflicht kam, hatten wir heftige Debatten über seitliche Abstrahlung, Desinfektion, Handkontakt. Dann haben wir im Verbund für alle "Bedürftigen" genug Masken genäht.

Ich denke, wir Europäer hätten uns, unabhängig von wissenschaftlich divergenten Diskussionen schneller asiatischen Vorbildern anschließen können. Institutionen wie das Robert-Koch-Institut (RKI) sind nachprüfbaren, wissenschaftlichen Erkenntnissen verpflichtet und können auch nur so argumentieren. Ihre Empfehlungen infrage zu stellen und selber andere, nicht so abwegige Entscheidungen zu treffen, ist unsere Pflicht als selbstbestimmte Bürger. Das Nachtarocken macht keinen Sinn.

Christiane Ott-Berger, Fuchstal

Westliche Arroganz

Im vorletzten Absatz des Artikels "Masken-Drama" steht der entscheidende Begriff: Westliche Arroganz. Diese hat definitiv das Maskentragen verhindert. Ich flog im Februar dienstlich nach Myanmar und versorgte mich dafür in der Apotheke mit genügend Mundschutz, obwohl meine Ärztin gemeint hatte, das sei nicht nötig. Wir trugen Mundschutz in asiatischen Flughäfen (Bangkok und Yangon) und im Flugzeug, wie auch die überwiegende Mehrheit der Passagiere und Angestellten dort. An den Passkontrollen war immer Handdesinfektion bereitgestellt. In den Touristensehenswürdigkeiten in Yangon wurden Masken und Desinfektion mit der Eintrittskarte überreicht. Wir kamen gesund zurück und behielten die Gewohnheit, in geschlossenen Räumen Masken zu tragen, trotz Belächelns bei. Das Argument "aber die Maske schützt doch nur andere" konterte ich mit: "Wenn wir sie alle tragen, schützen wir uns doch gegenseitig." Die Logik dieser Bemerkung war vielen Experten hierzulande anscheinend völlig entgangen.

Myanmar hat ein praktisch nicht-existentes Gesundheitssystem, beobachtete aber die Flüge aus China früh sehr genau und hat sehr wenige Infektionen (auch wenn die Statistik zugegebenermaßen nicht vertrauenswürdig ist). Das dürfte auch mit dem Gebrauch von Masken zusammenhängen. Wir sollten uns also nicht so aufs hohe Ross setzen.

Dagmar Hellmann, München

Schleichender Kulturwandel

Mutmaßliche Virenschutzfunktion der Gesichtsmaske hin oder her. Mich beunruhigt der Trend, sich einen Ausnahmezustand, denn das ist das Tragen eines Mundschutzes, neue Normalität schönzureden. Allen voran Politiker und Meinungsmacher lügen sich Verteidiger der Maskenpflicht etwas in die Maske statt in die Tasche. Es ist noch nicht lange her, da waren Vermummung, Gesichtsverschleierung, das Tragen einer Burka Grund für heftige Diskussionen. Das Tragen einer Gesichtsverhüllung ist eben nicht nur eine Lappalie.

Mit der Maskenpflicht als mehr oder weniger wirksame Barriere gegen das Coronavirus vollzieht sich in vielen Köpfen und Gesichtern ein Sinneswandel bis hin zum wörtlich zu nehmenden Gesichtsverlust. Das Maskentragen war in unserer Kultur immer ein Ausnahmezustand bei Gelegenheiten wie dem Karneval oder im Theater. Verkehrte Welt! Masken als Larven, die entlarven: Unsere Angst? Unseren Sicherheitswahn? Unser Misstrauen? Herr Seibert betont, dass überall dort, wo im öffentlichen Leben der Mindestabstand nicht gewährleistet sein kann, Masken ein wichtiges und aus heutiger Sicht weiter unverzichtbares Mittel sind. Aber braucht es dafür eine Maskenpflicht? Müssen Verkäuferinnen und Verkäufer, die unter Einhaltung des Abstands acht Stunden hinter Theke oder Glasscheibe schwitzen, zum Tragen des Mundschutzes verpflichtet werden?

Ziemlich befremdlich wirken auf mich die vielen folgsamen Maskenträger, besonders dann, wenn es einem nicht recht einleuchten will, warum sie auch in Situationen am Mundschutz festhalten, wo der Mindestabstand kein Problem ist, zum Beispiel allein zu nächtlicher Stunde im Zugabteil oder mit wenigen Personen in einem weitläufigen Museum. Wo bleibt in diesen Situationen der Sinn der Maskenpflicht, wo die Verantwortung des Einzelnen? Eine dauerhafte Maskenpflicht wäre das Ende unserer offenen Gesellschaft.

Armin Meisner-Then, Wollbach

Misstrauen wird verstärkt

Die Alltagsmaske, die Mund und Nase, die entscheidenden zwei Drittel des Gesichts verstecken, ist ein Desaster für die menschliche Kommunikation. Die Verwechslung von Ekel und Wut ist eher marginal, aber zehn Arten des Lächelns, die abwertende Konnotation durch die herabgezogenen Mundwinkel, der geschürzte Mund, das Spiel der Lippen, Zunge und Zähne, das Blähen der Nüstern, die ganzen erotischen Ausdrucksphänomene des Mundes und der Sprachintonation gehen durch die Maskierung verloren.

Die allgemeine Maskerade im Alltag, kombiniert mit Social Distancing führt zu Misstrauen und Befremdlichkeit der Nähe, die wir zu jeder Kommunikation bräuchten. Die Sozialisierung der Menschen nimmt Schaden, Solidarität und Solidarisierung werden in der Sozialgemeinschaft immer mehr infrage gestellt. Die haptische Nähe der Behandlung wird durch die Bemaskung des Abstands ersetzt und die automatische Verstärkung des Misstrauens und des Denunziantentums bewirkt. Denn immer noch ist der Mensch des Menschen Wolf, wenn er nicht die Fremdheit über die freundliche, offene und zugewandte Kommunikation überwinden kann.

Dr. med. Felix-Rüdiger G. Giebler, Friedrichstadt

Genügend Zeit zur Vorbereitung

Die nunmehr nachweislich falsche Behauptung des RKI anfangs bezüglich der Wirksamkeit von Schutzmasken ist noch unverständlicher vor dem Hintergrund, dass nach einer Pandemieübung in 2012, deren Annahmen der aktuellen Situation erstaunlich ähneln (Ausbreitung von Sars mit höherer Infektionsrate als 2003), das RKI im Januar 2013 selbst der Bundesregierung in der Drucksache 17/12051 auf den Seiten 69 bis 73 mitteilte, dass es in einem solchen Pandemiefall auf die breite Anwendung von Schutzausrüstung in der Bevölkerung ankommt (bei der es zu Engpässen kommt) und Isolationsmaßnahmen zu verordnen sind. Diese Drucksache kann noch heute vom Server des Bundestags abgerufen werden. Vorbereitungszeit gab es also ausreichend.

Richard Geist, München

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