Maria 2.0:Überholte Muster

Die Leserinnen und Leser unterstützen den einwöchigen Streik der Frauen gegen die Machtstrukturen in ihrer Kirche. Ein Schreiber betont jedoch, dass es gute Gründe für den Ausschluss der Frau vom Priesteramt gibt.

Kirchenstreik ´Maria 2.0"

Kirchenstreik "Maria 2.0" in Münster: Im Mai demonstrierten mehrere Hundert Frauen und Männer gegen die männlichen Machtstrukturen in der Kirche.

(Foto: dpa)

Zu "Fromme Frauen" vom 25./26. Mai:

Apostolischer Ungeist

Nicht erst seit der Bewegung Maria 2.0 haben fromme Frauen gegen ihre kirchliche Bevormundung und Diskriminierung gekämpft. Schon im 19. Jahrhundert gab es Strömungen, dieses gesellschaftliche Übel zu beseitigen. Dumm nur, wenn man einer Religion angehört, bei der eine frauenfeindliche Grundhaltung zur DNA gehört. Zum Beispiel der Apostel Paulus lehrt, Frauen sollten sich still und in aller Unterordnung (!) belehren lassen. "Dass eine Frau lehrt, erlaube ich nicht, auch nicht, dass sie über ihren Mann herrscht; sie soll sich still verhalten" (1. Timotheus, 2.11). "Eine Frau ist dem Manne untertan, solange er lebt, dies verlangt das göttliche Gesetz" (Römer, 7.2). "Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter, wie es sich im Herrn geziemt" (Kolosser, 3.18). "Die Frau aber ist der Abglanz des Mannes" (1. Korinther, 11.7). Spätere Kirchenväter haben diesen apostolischen Ungeist aufgegriffen, erweitert und die Frau gar für das Tor zum Teufel (Tertullian) oder einen missratenen Mann (Kirchenlehrer Thomas von Aquin) gehalten. Auch der Reformator Luther gehört in diese Tradition und äußert sich in stark herabsetzender Weise über das weibliche Geschlecht.

Frauendiskriminierung ist also im Christentum (wie auch in allen Weltreligionen) per göttlicher Offenbarung fest verankert. Kein Wunder, dass es katholischen Bischöfen und Päpsten bis heute schwer fällt, weiblichen Kirchenmitgliedern die gleichen Weihen zukommen zu lassen wie den männlichen. In Gottes Heilsplan sind klerikale Führungsrollen für Frauen nicht vorgesehen.

Wolfgang Teschner, Gilching

Weiter streiken!

Wie gut, dass Heribert Prantl die Bewegung Maria 2.0 nochmals in seinem Beitrag aufgreift. Das einwöchige "Streikchen", mit dem die Ehrenamtlichen gegen die Ausgrenzung von Frauen und gegen sexuellen Missbrauch protestierten, wäre ansonsten nur allzu schnell in Vergessenheit geraten. Nein, sie sollten sich eben nicht mehr abspeisen lassen, von den Herren Bischöfen, die ihnen den Kopf tätschelnd versprechen, sich um ihre Anliegen zu kümmern. Zumal sie ihnen gleichzeitig tadelnd

in die Wange kneifen, um sie zu kritisieren und ihnen die Grenzen aufzuzeigen.

Ja, sie sollten weiter streiken, und zwar so lange, bis ihre Forderungen erfüllt, statt mit dem Mantel des Abwiegelns und Vertuschens zugedeckt werden. Ja, sie sollten weiter streiken, und zwar aus Mitgefühl und Solidarität mit den zahlreichen Missbrauchsopfern, denen eben nicht nur über ihren Kopf getätschelt wurde. Nein, wir leben nicht mehr im 12., sondern im 21. Jahrhundert!

Manfred Fischer, München

Tief frustriert

Die "Frommen Frauen" bleiben aus den Kirchen weg, konkret, sie haben sich unter dem Motto Maria 2.0 dazu entschlossen, keine Dienste mehr in einer Kirche zu tun, die Frauen so sehr missachtet und ausgrenzt. Das gängige Idealbild - vorne der zölibatäre Priester, in den Kirchenbänken sehr wenige, meist alte Frauen, ansonsten weitestgehend keine Männer und keine Jugendlichen - soll nicht länger akzeptiert werden.

Frauen wollen so ein System von Kirche nicht unterstützen. Frauen sind nicht mehr blindlings fromm, sondern über die Erniedrigungen tief frustriert. Sie sind furchtlos und halten nicht mehr an überholten Mustern - Mann=Herrscher, Frau=Unterdrückte - fest, sondern sie wollen eine eigene Mitsprache, Freiheit und Zugang zu allen Wirkungs- und Entscheidungsebenen.

Dr. Gisela Forster, Berg

Katholische Tradition

Heribert Prantls Maria 2.0 ist keine immerwährende Jungfrau, wie es das kirchliche Credo und Dogma will, sondern sie hatte neben dem einen Sohn Gottes vom Vater im Himmel noch weitere "leibliche Söhne und Töchter". Auch die Reformation hat bekanntlich mit einer neuen Lesart der Bibel begonnen. Wenn der Glaubenssatz über Maria nicht wahr ist, warum sollten dann die anderen kirchlichen Dogmen wahr sein? Warum sollte überhaupt die Bibel wahr sein? Hat Maria das Magnificat, den "Lobpreis auf die Revolution der Machtverhältnisse", überhaupt gesungen? Weist der neutestamentliche Text (Lukas 1, 46-55) nicht rund 40 Bezugstexte zum Alten Testament auf, sodass er als kunstvolle Komposition des dritten Evangelisten erscheint? Hat nicht also Lukas schon die "junge Frau aus Nazareth" für sein "Evangelium" instrumentalisiert? Und haben nicht die vier Evangelisten zusammen mit Paulus den "jungen Wanderprediger aus Nazareth" zum Erlöser der Welt stilisiert und instrumentalisiert? Wem soll man hier noch was glauben? Wer nicht mit der katholischen Kirche ihren Glauben teilen will, dem steht es frei, sich aus der Bibel einen eigenen zurechtzuzimmern und sich dazu irgendeine "apostolische" Legitimität zuzulegen, wie dies Hunderte von evangelisch-evangelikalen (Frei-)Kirchen seit jeher getan haben.

Dagegen hat der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki zu Recht daran erinnert, dass Maria in der katholischen (und orthodoxen) Tradition die "Überwinderin der Irrlehren" ist: Sie steht für die "überzeitlichen Wahrheiten", die "entscheidend sind für das Heil unseres Lebens, für das Heil unserer Seele". Wer nicht den Glauben an Jesus als einzig geborenen Gottessohn und Maria als seine jungfräuliche Gottesmutter will, sondern eine neue, andere, feministisch aufbereitete "Maria 2.0" und ein Frauenpriestertum, kann sich dazu zwar (fälschlich) auf die Bibel berufen, aber eben nicht auf die katholische Tradition, die gute Gründe für den Ausschluss der Frau vom Priesteramt hat.

Dr. Klaus W. Hälbig, Rottenburg

Desaströs

Der Beitrag von Heribert Prantl bringt es wieder einmal auf den Punkt. Es ist einfach desaströs und macht einen tief traurig, wie die katholische Kirche mit den akuten Fragen umgeht, und wie sie die christliche Botschaft für Machterhalt missbraucht.

Reinhard Kunz, Oberursel

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