„Viele Hinweise, kein Gesamtbild“ vom 24. Dezember und „Viele Hinweise und doch kein Alarm“ vom 31. Dezember:
Horror-Weihnachten 2024
Ein Arzt aus Saudi-Arabien – der als Asylbewerber 2006 nach Deutschland kam und bereits nach vier Monaten anerkannt wurde – beging am 20. Dezember 2024 mit einem SUV einen Terroranschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt mit vielen Toten und schwer verletzten Menschen. Magdeburg und Deutschland trauern, sind entsetzt über die grausame Tat und den geschändeten Weihnachtsmarkt.
Wie konnte das mitten im Bundestagswahlkampf 2025 trotz der erhöhten Sicherheitsmaßnahmen überhaupt passieren, obwohl Saudi-Arabien die deutschen Behörden auf den Gefährder erst aufmerksam gemacht hatte? Unsere Bundesregierung kann weder Wirtschaft noch innere Sicherheit. Das wird die AfD im Bundestagswahlkampf 2025 mit Sicherheit ausnutzen. Hoffentlich fallen die Wähler nicht darauf rein. Wir sind solidarisch mit den Opfern und „wir sind (Bethlehemer und) Magdeburger Weihnacht“.
Roland Klose, Bad Fredeburg
Jetzt ist Zusammenhalt gefragt
Dieser schreckliche, feige Anschlag berührt einen auch als Muslim so sehr, dass man wie jeder andere tief betroffen und in dem Augenblick einfach machtlos und wie gelähmt ist. Wir persönlich waren mit der Familie vor Kurzem auf dem Augsburger Christkindlmarkt und haben dort wirklich schöne Stunden verbracht. Dass so etwas Menschenverachtendes an so einem friedlichen Ort passiert, ist mit Worten kaum zu beschreiben. Aber man stellt sich schon die Frage: Kann es sein, dass der aus Saudi-Arabien stammende Täter, der ja ein Islamhasser und zudem AfD-Sympathisant ist, diese Tat verübt hat, um noch mehr Hass hierzulande gegen Muslime zu schüren? Womöglich auch so kurz vor der Bundestagswahl?
Für die rechtsextreme AfD ist diese abscheuliche Mordtat im ersten Moment gewiss ein gefundenes Fressen, in der Hoffnung, dass noch ein paar Prozentpunkte bei der anstehenden Wahl dazukommen. Doch Vorsicht, es kann sich auch in den weiteren Ermittlungen herausstellen, dass sich der Täter angesichts einer agitatorischen AfD, die andauernd gegen Muslime und Flüchtlinge hetzt und folglich die Gesellschaft zu spalten versucht, signifikant radikalisiert hat. Die Bevölkerung darf sich keinesfalls in die Fänge der Rechtsradikalen begeben, so leidvoll und schmerzhaft die derzeitige Situation auch ist. Sie muss weiterhin auf Vernunft und friedliches demokratisches Miteinander setzen.
Ayhan Matkap, Donauwörth
Voyeurismus unterdrücken
Bei aller Empörung über den Anschlag und dem berechtigten Interesse an Informationen sollte uns auch bewusst sein, dass die mediale Beschäftigung mit der Person des Täters sowie der Suche nach seinen Motiven geradezu weitere Nachahmer animieren wird. Denn das Motiv eines Täters ist, die Aufmerksamkeit auf seine Person und auf einen Sachstand zu lenken. Durch die Tat hat der Täter aber jeden Anspruch auf eine Beschäftigung mit seiner Person oder seinem Anliegen verwirkt.
In der Zeitung darf dann stehen, dass ein krankes Hirn Furchtbares angerichtet hat, und man kümmert sich und sammelt für die Opfer. Über Suizide wird aus diesem Grunde schon immer rücksichtsvoll oder gar nicht berichtet, weil die Erfahrung gezeigt hat, dass mehr Berichterstattung nur mehr Suizide erzeugt. Wenn wir aus diesem Grund unseren zum Teil voyeuristischen Informationsbedarf unterdrücken, könnten wir helfen, weitere Anschläge zu vermeiden.
Jochen Ziemer, Stuttgart
Gegner der Demokratie
Die nun von AfD, BSW und CDU/CSU schon kurz nach dem schrecklichen Anschlag losgetretene Debatte mit der Suche nach dem Schuldigen, der dafür verantwortlich sein soll, dass ein solcher Anschlag möglich war, ist völlig unangebracht. Das gilt umso mehr, da die Ermittlungen bisher nicht abgeschlossen sind. Es hilft auch nicht den Opfern und den Angehörigen. Mit diesem furchtbaren Anlass Wahlkampf zu betreiben, ist abstoßend. Gerade an Weihnachten wäre es angemessen, besinnliche Ruhe einkehren zu lassen und darüber nachzudenken, ob es überhaupt hundertprozentige Sicherheit vor solchen Wahnsinnstaten geben kann. Profiteure solch aufgeregter Debatten sind nur die Gegner unserer Demokratie.
Winfried Wolf, Hamburg
Ohnmacht und Versagen
Die Dinge wiederholen sich. Das ist im Fall des Terroranschlages in Magdeburg wieder einmal zu sehen. Obwohl auf den Täter so viele Hinweise vorlagen, es waren mehr als 80, fiel er durch die üblichen Raster der Sicherheitsbehörden. Er wurde nicht als potenzieller Terrorist, sondern als Querulant eingestuft und verschwand im Unterholz des Kompetenzgerangels der deutschen Sicherheitsbehörden. Auch das ist nicht neu, ebenso wenig wie der übliche Gang der Dinge nach der Tat. Das mag zynisch klingen, entspricht aber der Realität.
Dem allgemeinen Entsetzen und der Wut folgen, passend zur jeweiligen politischen Ausrichtung, die vehement vorgetragenen Forderungen, was künftig alles geschehen müsse, um derartig schreckliche Anschläge zu verhindern: konsequente Abschiebungen, die Anpassung des Datenschutzes, eine bessere Ausstattung der Sicherheitskräfte, um nur einige zu nennen. Oft ist jetzt auch die Formulierung zu hören: Jeder Stein muss umgedreht werden. Damit soll im Nachhinein die Gründlichkeit suggeriert werden, die beim Auswerten der Hinweise auf den Täter unterblieben ist. Im Übrigen liegen die Steine wenige Wochen später wieder da, wo sie immer lagen. Später wird auch jemand die politische Verantwortung übernehmen, aber erst nach Abschluss der monatelangen Untersuchungen, wenn sich das öffentliche Entsetzen über die Tat etwas gelegt hat. Zurück bleiben die Angehörigen der Opfer, die mit der Erkenntnis leben müssen, dass der Staat ihre Lieben nicht schützen konnte. Und es bleibt ihnen die Verbitterung darüber, dass vonseiten der Behörden – obwohl es genügend Hinweise gegeben hat – nichts unternommen wurde, um die Tat zu verhindern.
Josef Geier, Eging am See
Schicksalsschlag
Größere Ansammlungen von Menschen, Volksfeste aller Art und besonders Weihnachtsmärkte sind bevorzugte Anschlagsziele. Spätestens seit dem Anschlag am Breitscheidplatz werden sie besonders aufwendig geschützt. In Magdeburg gab es da zumindest eine folgenreiche Unterlassung, sonst wäre das Auto des Anschlägers gar nicht erst auf den Weihnachtsmarkt gelangt. Die Untersuchung wird ergeben müssen, wer daran schuld ist.
Ob es hingegen möglich gewesen wäre, den späteren Attentäter im Vorhinein als gefährlich genug einzustufen, um präventiv tätig werden zu können, scheint mir sehr fraglich. Er war psychisch wahrscheinlich nicht auffälliger als hunderttausend andere Bundesbürger, ob mit oder ohne Migrationshintergrund. Er musste seinen Anschlag auch gar nicht groß planen, keine Waffe besorgen, sondern nur ein Auto mieten. Vielleicht war er einfach nur zufällig der eine, der nicht nur wirre Gedanken hegte und Reden schwang, sondern den letzten Schritt zur mörderischen Tat auch tatsächlich unternommen hat.
Mit dem Zufall können wir nicht gut umgehen. Es muss immer alles einen Grund haben. Und am besten sollte es einen Schuldigen geben. Aber manchmal muss man sich vielleicht damit abfinden, dass das blinde Schicksal zugeschlagen hat.
Axel Lehmann, München
Wie es nun weitergeht
Wochenlang wird die Amokfahrt von Magdeburg die Medien füllen. Da wird gemutmaßt, recherchiert und gemahnt. Das alles könnte man sich sparen. Auf einen Nenner gebracht: Wie meist bei solchen Fällen gibt es ein Versagen der Behörden. Da werden Warnungen in den Wind geschlagen, Kontrollen bei Nichtantreffen des Verdächtigen nicht wiederholt. Und speziell in diesem Fall wäre die Katastrophe so einfach zu verhindern gewesen, eine Straßensperre aus zwei quergestellten Polizeifahrzeugen, die man im Notfall bei Rettungsfahrten schnell beiseite hätte fahren können. Die fehlende Sperre war ja mit dem Hinweis begründet, es handele sich um einen Rettungsweg. Die Absicherung von Weihnachtsmärkten wird schon seit dem Vorfall am Berliner Breitscheidplatz gefordert, einige Städte haben sich bemüht, die Sicherheit zu erhöhen, in Magdeburg ist halt nichts geschehen. Jetzt ist der Jammer groß.
Fred Müller, Breitenthal
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