„Was für ein Theater“ und „Der Verdacht“ beide vom 18. November und „FDP plante akribisch Bruch der Ampel“ vom 16. November:
Gut vorbereitet
Jedes Unternehmen, jede Behörde, sogar jeder Sportverein und vermutlich auch jede Medien-Redaktion ist gut beraten, mögliche Entwicklungen in Szenarien von „best case“ bis „worst case“ ebenso zu durchdenken wie deren Folgen und wie sie damit umgehen wollen. Wenn nun Führungskräfte der FDP sich in diesen Zeiten für Vergleichbares zusammensetzen, dann ist mir das angeblich Verwerfliche daran einfach nicht zugänglich. Es sei denn, „man“ möchte der FPD, Christian Lindner und seinen Kollegen durchsichtig genug den Schwarzen Peter zuschieben. In Berlin sagt der Volksmund. „Nachtigall, ick hör’ dir trapsen.“
Michael Kremin, München
Der D-Day
Boah ... diese FDP! Beschließt den „D-Day“ in der „Truman-Villa“! Bedeutungsschwerer geht’s nimmer. Nur dass Lindner statt in der Normandie auf der Straße landet. Wo er sich aber wohlfühlt. Sagt er. Wahrscheinlich, weil da sein Porsche steht. Hoffentlich hat er die nächsten Jahre viel Zeit, um Gas zu geben, statt auf die Schuldenbremse zu drücken.
Jörg Kunzemann, München
Tendenziöse Überschrift
SZ und die Zeit sind hoch respektierte Medien mit dem Bemühen um Fakten und mit einem breiten Angebot an als solche erkennbaren Meinungstendenzen. Die Schlagzeile des Aufmachers „FDP plante akribisch Bruch der Ampel“ scheint mir dagegen ein tendenziöser Ausrutscher zu sein. Die Zeile atmet förmlich den bösen Geruch der Verschwörung, und man erwartet im Artikel die investigative Aufklärung einer – wie es im Bairischen so schön heißt – hinterfotzigen FDP-Strategie.
Was im Beitrag folgt, ist dagegen ein wie gewohnt faktentreuer Bericht über mehrere parteiinterne Zusammenkünfte der FDP und Einblicke in die Bewertungen der eigenen Regierungsbeteiligung einzelner FDP-Politiker. Fast langweilig chronologisch. Es wird außerdem das gesamte, wohl auch in diesen Meetings entwickelte Spektrum von Best- und Worst-Case-Szenarien vorgestellt, das FDP-Chef Christian Lindner sowohl vor wie nach dem Bruch der Ampel auch immer wieder als denkbar geschildert hat.
Wo ist hier das in der Schlagzeile suggerierte hinterfotzige Moment einer akribischen Planung eines Ampelbruchs der FDP? Unglaublich, dass es dieser ganz normale Bericht über eine völlig normale organisationale Vorgehensweise in Parteien und Unternehmen dank dieser raunenden Schlagzeile nicht nur auf die erste Seite der SZ, sondern als investigativ besonders spannende Sensation sogar bis in die ARD-Nachrichten geschafft hat. Man reibt sich die Augen.
Felicitas Rossmüller, Sauerlach-Altkirchen
Geschichtsvergessen
Den nach Lage der Dinge wohl bewusst provozierten Bruch der Ampelkoalition auch nur irgendwie in gedankliche Nähe zum historischen D-Day, also der Landung der Alliierten in der Normandie am 6. Juni 1944 und der damit eingeleiteten endgültigen Befreiung Europas vom Nationalsozialismus, zu bringen, zeugt von absoluter Geschichtsvergessenheit, erschreckender Gedankenlosigkeit und eiskalter Skrupellosigkeit von Christian Lindner und Teilen der FDP.
Dazu kommt ein skandalöses Maß an Verlogenheit, dass Lindner und seine Partei der deutschen Öffentlichkeit mit der angeblichen Suche nach einer Lösung im Streit um den Haushalt 2025 – angesichts des bereits im September in Potsdam geplanten Bruchs der Regierungskoalition – eine Schmierenkomödie besonders schändlicher Güte vorgespielt haben. Der wachsende Erfolg von extremistischen Randparteien wie AfD und BSW mag vielschichtige Gründe haben. In meinen Augen trägt allerdings auch das unehrliche und verantwortungslose Gebaren Christian Lindners nicht unerheblich bei zur allgemeinen Politik- und in Teilen der Bevölkerung auch vorhandenen Demokratieverdrossenheit.
Jürgen Schäffer, Bochum
Lindners Beinahe-Tränen
Vielen Dank für Ihre umfassende Recherche zum Verhalten der FDP. Ja, es ist Theater, was Herr Lindner und seine Gefolgschaft auf der Berliner Bühne aufgeführt haben und weiter aufführen. Kein großes Theater. Nein, eine zynische Farce mit einem Schmierenkomödianten in der Hauptrolle und einer Gefolgschaft von Laiendarstellern. Die Liberalen, die sich gerne als Hüter der Verfassung inszenieren, destabilisieren gerade das Fundament der parlamentarischen Demokratie und bewegen sich damit im gleichen Genre wie die Populisten von AfD und BSW.
Viele, die Lindners Beinahe-Tränen nach dessen Entlassung gesehen und seinen absurden Vorwurf an den Kanzler gehört haben, dieser habe schändlicherweise das Platzen der Koalition von langer Hand vorbereitet, sehen in der Aufdeckung der verlogenen Auftritte des Ensembles um den smarten Narzissten die Bestätigung für die Unzuverlässigkeit und Ich-Bezogenheit der Politikerinnen und Politiker an sich. Man stelle sich nun vor, Herr Merz regierte künftig mit Herrn Lindner, zu dessen Promi-Hochzeit auf Sylt er mit dem Privatjet anreiste. Und Frau Stark-Watzinger, die drohte Herrn Scheuer von der Spitze des Versager-Rankings zu verdrängen, zieht gemeinsam mit dem peinlich extrovertierten Hobbyorgler Buschmann ins Kabinett – viel schlimmer kann Trumps Horrorshow in Washington gar nicht sein.
Anton Rütten, Köln
FDP kneift erneut
Um ihre Flucht aus der Regierungsverantwortung als ehrenvollen Abgang zu kaschieren, entwirft das Spitzenpersonal der FDP ein detailliertes Drehbuch für ein abgekartetes Schmierenschauspiel mit der FDP in der Opferrolle. 2017 wollte die FDP nicht regieren. 2024 will die FDP nicht länger regieren. Mit der Lindner-FDP ist offensichtlich kein Staat zu machen. Eine Partei, die zweimal kneift, sollte eine Legislaturperiode aussetzen. Es bleibt zu hoffen, dass der Tag der nächsten Bundestagswahl für die FDP zum Doomsday (‚Jüngstes Gericht‘ oder ‚Tag der Abrechnung‘; d. Red.) wird.
Roland Sommer, Diedorf
Oberkante Unterlippe
Natürlich geht es allen Politikern immer nur um „das Land“. Aber zugleich müssen sie darauf achten, dass ihre jeweilige Partei dabei nicht unter die Räder kommt. Wer wirklich glaubt, wie das Christian Lindner sicher tut, dass es Deutschland ohne Liberalismus, also ohne die FDP, schlechter ginge, für den gibt es keinen Widerspruch zwischen „Land“ und „Partei“. Und die SPD, die sich nun besonders empört gibt ob der liberalen Ruchlosigkeit, geht es ihr etwa nicht darum, bei den Wählern wieder etwas mehr zu punkten? Ihr steht das Wasser zwar nicht wie der FDP an der Oberkante Unterlippe, aber am Kinn vielleicht schon.
Von der Staatskunst des Kanzlers sind außer ihm selbst nicht viele Menschen überzeugt. Bei den Wahlen droht eine nie dagewesene Niederlage. Deshalb konnte Scholz das Ende der Koalition nicht einfach mit einem „blöd gelaufen“ kommentieren, sondern musste Christian Lindner zu einem ränkeschmiedenden Jago stilisieren — und sich selbst mit dessen bühnenreifem Rausschmiss zum Herrn der Lage
Ich wundere mich ein wenig, dass die Süddeutsche so erpicht zu sein scheint, Christian Lindner böse Absicht nachzuweisen. Sollte sich diese Lesart durchsetzen, dürfte das der FDP wohl schaden, zumindest bei Leuten, die sich weniger für die strukturellen Ursachen des Geschehens interessieren, sondern vor allem für das begleitende Mantel-und-Degen-Schauspiel. Aber möchte die SZ wirklich vor allem diese Sicht von Politik bedienen?
Axel Lehmann, München
Berliner Ensemble
Der Artikel provoziert eine Bemerkung zu Christian Lindner. Er hätte einmal in das Berliner Ensemble in eine Aufführung der „Dreigroschenoper“ von Bertolt Brecht gehen sollen. Allerdings bezweifele ich nach der Lektüre des Beitrags, dass er beim Hören der Zeilen „Ja, mach nur einen Plan, sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch ’nen zweiten Plan, gehn tun sie beide nicht“ aus dem „Lied von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens“ aufgemerkt und das auf sein Vorhaben bezogen hätte.
Dr. Gero Neugebauer, Berlin
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