Wehrpflicht„Augen auf im Lebenskampf“

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Frieden, Wohlstand – und Wehrpflicht? Leserinnen und Leser diskutieren darüber.
Frieden, Wohlstand – und Wehrpflicht? Leserinnen und Leser diskutieren darüber. (Foto: Frank May/dpa)

SZ-Leserinnen und -Leser wägen das Für und Wider zur Wehrpflicht ab. Die Argumentation des Gastautors Hasnain Kazim überzeugt viele.

Gastbeitrag „Lieber nicht sterben“ vom 17./18. Mai, Interview „Ich lebe lieber in Unfreiheit, als für Freiheit zu sterben“ vom 17. März:

Verteidigungsbereitschaft

Das Leben in Gemeinschaft besteht nicht nur aus Lust. Wie gut, dass in der SZ als wichtigem Teil der konventionellen Presse die Gewichte wieder zurechtgerückt werden. Dem beherzten, klugen und logisch argumentierenden Artikel Hasnain Kazims kann kein erfahrener Kopf unserer bewährten Gesellschaftsordnung widersprechen, nur gedankenlose Egoisten. Das Podcast-Niveau des allzu unerfahrenen Ole Nymoen – modern, bequem und unüberlegt – reicht überhaupt nicht aus, um das Problem der Wehrpflicht und Verteidigung zu klären. Für das Funktionieren einer Gemeinschaft braucht man mehr als private Empfindlichkeiten oder individuelle Wunschträume. Erst durch wahrgenommene Pflichten verdient man sich Rechte.

Es genügt nicht, Frieden, Freiheit und Wohlstand geerbt zu haben und dann den Kopf in den pazifistischen Sand zu stecken: Augen auf im Lebenskampf! Nur so erkennt man die möglichen Folgen des Handelns. Gewiss, in unserem freiheitlichen Wohlfahrtsstaat ist auch Lust legitim; aber sich allein auf zufällige Eigeninitiative zu verlassen, ist nie klug.

Jeder soll in Freiheit leben können, aber nicht in grenzenloser, sondern in kalkulierter. Wenn diese in Gefahr gerät, muss man sie verteidigen. Dieses aktive Handeln im Voraus ist sinnvoller als passives Erdulden von Ungerechtigkeit im Nachhinein als rechtloses Vor-sich-hin-Vegetieren. In Autokratien wird man zum Handlanger, verantwortungslosen Vasallen, opportunistischen Komplizen oder Sklaven; wer dort den Mächtigen nicht folgt, wird beseitigt. Wer in Unfreiheit lebt, stirbt schneller.

Die Vorteile des sozialen Rechtsstaats zu genießen, ohne etwas für seinen Erhalt beizutragen, ist kurzsichtig. In der Bibel wird dieses Schmarotzen als „Ernten, ohne gesät zu haben“ beschrieben. Wer sich wie die Made im Speck verhält, muss damit rechnen, am Ende selbst gefressen zu werden.

Dr. Dietrich W. Schmidt, Stuttgart

Anti-Pazifismus-Sprüche

Es ist ja schön, dass in diesen Kriegserwartungszeiten ein ehemaliger Soldat und Autor im Alter meiner Kinder einem halb so alten Autor, der nie Soldat war, erklärt, dass Soldaten genauso wenig für Deutschland sterben wollen wie Pazifisten. Es ist absolut nichts einzuwenden gegen Menschen, die es zum Beruf machen, ein Land und alles, wofür es steht, zu schützen und zu verteidigen.

Ich bin sicher, dass alle Soldaten dieser Welt vom gleichen Geist beseelt sind, für das in ihren Augen Gute zu kämpfen, und die Pflicht verspüren, dem von ihnen hochgeschätzten Land zu dienen. Der Podcaster und seine Fans dagegen schätzen nicht, was sie an Deutschland haben und würden folgerichtig nie und nimmer für Deutschland sterben. Mit Pazifismus hat das wenig zu tun, viel dagegen mit Verachtung für alles, was den anderen verteidigungswert ist.

Mag sein, dass Gewaltlosigkeit für viele Menschen kein erstrebenswertes Ziel ist und vielleicht auch nicht immer zum Erfolg führt. Dennoch bietet Kriegstüchtigkeit auch keine Garantie für ein friedliches Miteinander-Auskommen. Wozu sollte man einen Krieg führen können, wenn man ihn nicht führen muss? Man kann diese Anti-Pazifismus-Sprüche auch umkehren und fragen, ob man einen Krieg führen muss, wenn man ihn nicht führen kann. „Pazifismus ist eine gute Sache, kann aber als Prinzip todbringend sein“, ist nicht unbedingt logisch angesichts der Tatsache, dass Krieg auf alle Fälle todbringend ist. Kriege entstehen wohl eher nicht aus Friedenserhalt und Gewaltlosigkeit als Prinzip. Aus der Geschichte lässt sich immer viel lernen, und neben all der Abschreckung könnte eine Lektion zur Abwechslung auch sein, den „Mut zur weißen Fahne“ im richtigen Moment zu haben.

Gabi Baderschneider, Sinzing

Abwehrbereit sein

Es wird sehr überzeugend erklärt, warum wir, um Frieden zu haben, abwehrbereit sein müssen, und dass wir dafür Waffen brauchen. Als Reporter hat Herr Kazim viele verschiedene Länder mit unterschiedlichsten Regierungen kennengelernt. Er ist von der Demokratie überzeugt und er hält es für wichtig, unser Deutschland zu verteidigen.

Auch ich bin von unserer Demokratie, der sozialen Marktwirtschaft und dem Grundgesetz begeistert. Das alles wurde nach dem sehr heftigen Zweiten Weltkrieg neu entwickelt. Und es gab auch bald wieder eine Wehrpflicht, damit dieses Land und seine Menschen geschützt werden konnten.

Wehrpflichtige junge Menschen leisten viel für unsere Bundesrepublik und lernen dabei auch viel für ihre eigene Entwicklung; so wie bei einem zivilen Pflichtjahr. Danke, lieber Herr Kazim! So einen guten und sorgfältigen Artikel würde ich gerne über Vor- und Nachteile der Zuwanderung von Migranten in unser Land lesen.

Agnes Unterweger, München

Verpflichtende Schullektüre

Das ist genau die Art von Diskussionsbeiträgen, die wir brauchen. Der Artikel ist sachlich, reflektiert und inhaltlich nachprüfbar. Und er entspricht nebenbei auch meinem Empfinden als ehemaligem W15-er (15 Monate Wehrdienst; Anm. d. Red.). Solch ein Statement eignet sich als Pflichtlektüre für jeden 18-jährigen Mitbürger – männlich wie weiblich. Könnte man auch in der Oberstufe an deutschen Schulen mal zur Diskussion auf den Tisch werfen. Danke dafür.

Mathias Kurz, Wiesbaden

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