"Katastrophe live" vom 28. Juni, "Abenteuer und Tragödie" vom 22. Juni und "Suchteams haben offenbar Klopfgeräusche gehört" vom 21. Juni:
Was für ein Aufwand
Vier Menschen zahlen je 250 000 Dollar, um ein 100 Jahre altes Schiffswrack aus der Nähe anzusehen. Der Unternehmer, der die Million kassiert hat, ist mit an Bord. Fünf Menschen setzen sich auf eigenen Wunsch der Gefahr aus, eine Tauchfahrt, die auch ohne Havarie der reine Horror sein muss, nicht zu überleben. Können sie ja tun. Jeder ist anders.
Jedoch: Um diese offenbar viel zu reichen Männer zu retten, treibt die US-Coast Guard - unterstützt von Spezialisten aus mehreren Ländern - unter den Augen der gesamten Weltpresse einen Aufwand, der seinesgleichen sucht.
Während im Mittelmeer vermutlich an jedem Tag mindestens fünf Menschen sterben, ohne dass es überhaupt jemand merkt. Arme Menschen, die ihr letztes Hemd geben, um lebend die europäischen Küsten zu erreichen. Und was tun die europäischen Küstenwachen? Der Aufwand, diese unglücklichen Opfer zu retten, wäre weitaus geringer und sinnvoller als das, was beim U-Boot Titan abläuft.
Herbert Cruel, Münster
Interessante Parallelen
Ich finde es sehr gut, mit welchem Aufwand an Geräten, Flugzeugen, Schiffen, Menschen und Geld nach dem Titan-U-Boot im Atlantik gesucht wird. Ich wünsche ebenso, dass sich die Weltgemeinschaft mit gleichem Aufwand an Geräten, Flugzeugen, Schiffen, Menschen und Geld bemüht, im Mittelmeer Migranten zu retten, deren Leben aufs Äußerste bedroht ist. Für mich gibt es einige interessante Parallelen zwischen beiden Ereignissen.
Der "Schleuser" auf der Titan hat sehr viel Geld von jedem Mitreisenden kassiert, um diese zum versprochenen und erhofften Ziel, dem Wrack der Titanic, zu bringen. Die "Migrationsschleuser" kassieren pro Person zwar weniger, aber insgesamt doch horrende Summen. Die "Titan-Reisenden" sind in eine sehr enge Blechbüchse eingeschlossen, können sich kaum bewegen, nicht stehen. Die Migrationsboote sind heillos überfüllt. Über das U-Boot Titan wird berichtet, dass es in einem sehr schlechten Zustand ist. Die Migrationsboote auf dem Mittelmeer sind meist nicht seetüchtig.
Ich begrüße es sehr, wenn alles Notwendige getan wird, um Menschen zu retten, die im Atlantik oder im Mittelmeer in Lebensgefahr geraten. Jeder Mensch ist einzigartig, einmalig und wertvoll, und das völlig unabhängig von seinem Geldbeutel.
Heinrich Schulze, Alfeld
Abstoßend!
Sicherlich verbittet es sich, die Schicksale der Insassen der vermissten Tauchkapsel mit dem der Flüchtlinge "zu verrechnen" - jedes Menschenleben ist einzigartig -, aber die Welt muss sich schon darauf hinweisen lassen, dass beide Dinge absolut nicht vergleichbar sind:
Hier ein paar Abenteurer, die sich bewusst sind, dass sie ihr Abenteuer mit dem Leben bezahlen können, da Hunderte von Flüchtlingen, die einfach nur auf der Suche nach einem guten Leben sind und einem sicheren Tode zu Hause entfliehen.
Mittlerweile stößt mich die Berichterstattung über das vermisste Tauchboot ab, denn offensichtlich ist das Leben einiger Superreicher mehr wert (weil darüber rund um die Uhr berichtet wird) als das von Flüchtlingen, die im schlimmsten Falle unseren Wohlstand bedrohen, den wir auf dem Rücken ihrer Vorfahren aufbauen konnten.
Erich Würth, München
Psychologisch erläutert
Die Anteilnahme für die fünf toten Männer an Bord der Titan ist groß. Aktuell müssen sich die Menschen in der ganzen Welt fragen: "Warum fühlen wir mit den fünf Vermissten der Titan größte Traurigkeit, aber kaum mit Tausenden Flüchtlingen, die im Mittelmeer ertrinken?" Klar ist, den Tod der Flüchtlinge im Mittelmeer erleben wir täglich, aber den Untergang des Tauch-Bootes Titan mit fünf lieben Menschen hat bis heute die ganze Welt noch nicht erlebt. Und die haben von Beginn an für diese Menschen nur beten können für ein Überleben!
Eine Psychologin erklärt, warum angesichts der mehr als Tausend Menschen, die allein in den vergangenen Monaten bei der Flucht übers Mittelmeer starben, die Traurigkeit der Menschen beim Untergang der Titan weltweit riesengroß ist. Das Tauchboot war auf dem Weg zum Wrack des berühmten Luxusdampfers Titanic, als der Kontakt zum Mutterschiff abriss. Mitgefühl und Empathie nehmen in gefühlter Nähe oder auch bei Ähnlichkeiten zu einer betroffenen Person zu, erklärt eine Forscherin vom Uniklinikum in Würzburg.
Wenn sich schlechte Nachrichten häuften und man bei jeder Meldung im selben Umfang auch emotional mitginge, würde dies zu einem "emotionalen Burn-out" führen. Und den wollen wir nicht erleben, aber wir können nur hoffen, dass diese fünf Menschen des Tauchboots ihren Weg zum lieben Gott in den Himmel gefunden haben, und zu ihren Familienangehörigen.
Dirk Wanke, Kiel
Das ist Irrsinn
Was dem Menschen machbar erscheint, das wird der Mensch auch machen, ganz egal, aber irgendwie auch ohne Rücksicht auf etwaige Verluste. Menschen ziehen in den Krieg, Menschen fliegen zum Mond und noch weiter. Menschen tauchen ins Meer, Menschen machen dies und auch das. Meist überwiegt das Sinnfreie; denn Sinnfreies wird immer sofort erledigt! Geht dann trotz aller Warnungen dabei einiges schief; dann ist die Betroffenheit groß.
Klaus P. Jaworek, Büchenbach
Augenmaß und Ausgewogenheit
Ich halte die ausführliche Berichterstattung über das Titanic-U-Boot-Drama für total übertrieben. Aufmacher, Titelseite und drei Artikel auf der Panorama-Seite. Muss das sein? So schrecklich es für die Betroffenen auch ist, es sind Leute, die sich in das Abenteuer freiwillig begeben haben und auch über die Risiken Bescheid wussten. Es passieren so viele schreckliche Dinge auf der Welt, die Leuten passieren, die keine Wahl haben. Darüber wird entweder nicht oder nicht prominent berichtet. Etwas Augenmaß und Ausgewogenheit wäre angebracht.
Jörg Hantschel, München
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