„Dringend gebraucht“ vom 13. Dezember, „Eine unanständige Debatte“ vom 10. Dezember, „Islamisten stürzen Syriens Diktator“ vom 9. Dezember, „Syrische Rebellen nehmen Damaskus ein“ vom 8. Dezember.
Mit der Axt herrschen
Der alte Tyrann Baschar al-Assad ist weg, der neue und kommende Tyrann, er lebe „hoch, hoch, hoch!“ Wenn ich den Bildern aus Syrien vertrauen sollte, sehe ich auf den ersten Blick wieder sehr viele Frauen, die weiterhin ihr Kopftuch tragen. Ich frage mich, was sich unter dem neuen Machthaber ändern sollte? Dürfte doch nur wieder alles beim Alten bleiben?
Wer die Herrscher-Axt in Syrien findet, der wird sie behalten, der dürfte sich dann auch weiterhin in Syrien wie die Axt im Walde benehmen. Die vielen Syrer, die bereits ihr Land verlassen haben, die werden vermutlich nie mehr freiwillig nach Syrien zurückkehren.
Klaus Jaworek, Büchenbach
Bitte kein neues Chaos
Natürlich freut man sich, wenn es irgendwo auf der Welt nach Frieden riecht. Der Jubel der Syrer ist sicher berechtigt. Die Reaktionen aus aller Welt geben jedoch keinen Anlass zur Hoffnung. Am meisten haben mich diese Meldungen geschockt: USA fliegen Angriffe auf 75 IS-Ziele – ebenso fliegt Israel Luftangriffe auf Syrien und nimmt Pufferzone auf den Golanhöhen ein. Die Türkei will geflohene Syrer abschieben, ebenso Österreich. Bei uns steht im Wahlkampf das Thema Abschiebung nach Syrien ganz oben. Iran und Russland haben noch ihre Finger im Spiel. Die Machtspielchen der Beteiligten strotzen vor Eigeninteressen.
Wie es in Syrien weitergeht, ist den Wahlkämpfern egal, wie aus den Reaktionen der rechten Abschieber hervorgeht. Wie Innenministerin Faeser hervorhob, sei es unseriös, über Abschiebungen zu spekulieren, solange die Lage so unübersichtlich sei. Nach 13 Jahren Krieg und Terror hätte das Land endlich Frieden verdient. Aber viele Beteiligte haben gar kein Interesse daran. Dann sind da die vielen internen Konflikte in Glaubens- und ethnischen Fragen.
Das Leeren der Gefängnisse liefert weiterhin Pulver für das entstandene Vakuum. Rachegelüste sind dem Frieden ebenfalls nicht förderlich. Deutschland müsste ein besonderes Interesse an einem nation building in Syrien haben und sollte aktiv mitwirken. Schließlich haben wir darin ja selbst seit 35 Jahren Erfahrungen gesammelt.
Conrad Fink, Freiberg am Neckar
Für den Wahlkampf missbraucht
Die mehr als 50 Jahre andauernde Gewaltherrschaft mit Zigtausenden Toten scheint in Syrien endlich beendet zu sein. Der Despot Assad flüchtete samt Familie zu seinem russischen Freund nach Moskau. Die politische Lage im Bürgerkriegsland Syrien ist noch ziemlich unübersichtlich. Derzeit herrscht bei der dortigen Bevölkerung – aber auch weltweit – große Freude darüber, Assad vertrieben zu haben. Doch wie geht es weiter?
Es gibt im Land unterschiedliche Strömungen. Die Interessen der islamischen Bevölkerung, der Drusen oder Kurden und vieler anderer Stämme müssen alle unter einen Hut gebracht werden. Das wird schwierig. Es ist noch viel zu früh zu erkennen, wer die Mammutaufgabe übernehmen soll, dieses geschundene Land wieder zu einen. Die Sicherheitslage ist noch angespannt.
In dieser Gemengelage fordern deutsche Politiker nun vollkommen instinktlos die Abschiebung syrischer Flüchtlinge. Von der AfD sind wir solche Töne gewohnt. Derartige Forderungen kommen allerdings auch aus den Reihen der Union. Syrische Flüchtlinge als Wahlkampfthema zu missbrauchen, ist einfach nur erbärmlich.
Achim Bothmann, Hannover
Helfende Hände
Des einen Freud ist oft des anderen Leid. Des einen brain gain ist des anderen brain drain. Bei aller Freude über syrische Fachkräfte in deutschen Mangelberufen, wie im wichtigen Gesundheitswesen, darf nicht außer Acht gelassen werden, dass entsprechende (hoch-)qualifizierte Kräfte nicht selten in den Ursprungsländern ausgebildet wurden, was zumeist mit hohen Kosten verbunden war, die ein Zielland dann nicht mehr zu tragen hatte. Auch bekommt der eine oder andere vermutlich Magenschmerzen, wenn nur wirtschaftlich „nützliche“ Migranten in unserem Land bleiben dürfen. Aber auch Deutschland darf Interessen haben.
Wir können für die bei uns lebenden Syrer nur hoffen, dass in ihrem Heimatland eine lebenswerte Gesellschaft entsteht. Das geschundene Land braucht für den Aufbau ebendieser neuen Gesellschaft jetzt jede helfende Hand. Besonders jene Fachkräfte, die wir selbst bräuchten. Syrien ist allerdings noch mehr auf sie angewiesen. Im Falle einer Rückkehr könnte der einzelne Syrer auch als Botschafter zwischen den Kulturen fungieren. Ein Gewinn für alle.
Reiner Gorning, Hamburg
Thema Sanktionen ausgeblendet
Bei den vielen Berichten, Analysen und Reportagen in der SZ der letzten Tage war kein Bezug auf die vom Westen gegen Syrien verhängten Sanktionen zu lesen. Dies ist etwas verwunderlich, da diese eine nicht unbedeutende Rolle im endgültigen Zerfall des Landes gespielt haben. Aufgrund der Sanktionen konnten von Syrien lebenswichtige Produkte nicht importiert werden. Wenn eine Maschine defekt war, konnte sie nicht repariert werden, weil die Ersatzteile fehlten. Rohstoffe konnten ebenso wenig importiert werden. Zahllose Betriebe mussten schließen und die Arbeitslosigkeit ist von 8,5 Prozent (2010) auf mehr als 50 Prozent gestiegen. Wasser- und Energieversorgung waren aus den gleichen Gründen defizitär. Dies schadete auch der Landwirtschaft und somit der Lebensmittelversorgung. Insbesondere leidet die Bevölkerung unter dem Mangel an Medikamenten und medizinischen Geräten. Diese konnten ebenso wenig importiert werden. Das Leiden und die vielen Entbehrungen sind unter anderem ein Grund für die Verzweiflung und Unzufriedenheit in der Bevölkerung und die Freude über das Ende der Ära Assad. Dazu waren die Sanktionen auch gedacht. Offenbar haben sie nun ihren Zweck erfüllt. Schade nur, dass die Bevölkerung den Preis mit Leiden und Tod zu zahlen hatte.
Norma Mattarei, München
Abgrundtiefe Barbarei
Vielen Dank für die gewohnt niveauvolle Berichterstattung zum Umbruch in Syrien. Doch die Formulierung „hatte … lange mit eiserner Hand jeden Widerstand … unterdrückt“ im ersten Teil Ihres Aufmachers sollte in Zukunft vielleicht besser vermieden werden. Denn auch 150 Jahre nach der Hochphase des Imperialismus, in der diese Wendung vermutlich am häufigsten zustimmend von Kolonialmedien benutzt worden ist, scheint immer noch ein gerütteltes Maß an Unterstützung in dieser Formulierung durch.
Wenn Sie sich die Berichte der Ermittler durchlesen, wie und in welchem Umfang in den Folterkellern der vier staatlichen syrischen Geheimdienste über Jahrzehnte mit Personen jedes Alters und Geschlechts umgegangen wurde, dann würden Sie vielleicht aus der Perspektive der Opfer und ihrer Angehörigen sowie der informierten Öffentlichkeit diese Formulierung für unangemessen empfinden. Das war in heutiger sprachlicher Verwendung nicht mehr „mit eiserner Hand“, sondern eher mit abgrundtiefer Barbarei, völliger Skrupellosigkeit und gestützt durch mittlerweile fast ein Jahrhundert der Erfahrungen totalitärer Herrschaft, gerade und besonders in Europa.
Dr. Haimo Schulz Meinen, Winsen/Luhe
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