Sprachlabor:Da hat Goethe mal wieder was angerichtet

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Warum wir dadaran völlig unschuldig sind, uns an manchen Kilos nicht stören - und was wir sonst noch alles auf Zetteln und Schirmen haben.

Von Hermann Unterstöger

DAS WÖRTERBUCH bietet als Pendants zu den Pronominaladverbien daran, darauf oder darum die Formen dadran, dadrauf und dadrum und gibt ihnen das Gütesiegel "mit bes. Nachdruck" mit auf den Weg. Wenn einem damit überhaupt nicht gedient ist, dann Leser Dr. R., der diese Formen für eine Unsitte hält: Aus dadran wird ohne umgangssprachliche Verkürzung dadaran, woraus ersichtlich ist, dass das da doppelt gemoppelt ist. Ob er, R., sich dadran gewöhnen müsse? Nun, die von ihm kritisierten Varianten haben ausgerechnet durch Goethe die höheren Weihen bekommen. Belege wie "Sollte denn dadran was Wahres sein?" (aus dem Singspiel "Die Fischerin") gibt es zuhauf. Grimm schreibt, dass Goethe die "Zusammenziehungen" aus der süddeutschen Volkssprache "in die Schriftsprache heraufgenommen" habe. Und "dadrinne", wie Mephisto im "Faust" I sagt, sind sie nun ...

SEIT JAHREN verstoßen wir in der SZ (jedenfalls einige von uns) gegen amtliche Schreibweisen wie Einkommensteuer, indem wir Einkommenssteuer (mit ss) schreiben. Eine vergleichbare Unbotmäßigkeit registrierte nun Leser K. Er hat beruflich mit dem Mess- und Eichwesen zu tun und findet aus dieser Sicht die Überschrift "14 Kilo Bronze" unbefriedigend. Was damit gemeint sei: Kilovolt, Kilokalorien oder Kilometer? Um es mal so zu sagen: Solange Kilo als Kurzwort für Kilogramm allgemein toleriert wird, haben wir ein vorzeigbares Gewissen.

DIE METAPHER "etwas auf dem Zettel haben" haben vielleicht noch nicht alle auf dem Schirm, aber was sie meint, erschließt sich leicht: sich einer Sache oder Person bewusst sein, diese aufmerksam beobachten und so fort. Dessen ungeachtet eignet sich, meint unser Leser Sch., die Redewendung nicht für alles. Wenn, wie bei uns geschehen, von dem "großen Krieg mitten in Europa" gesagt wird, ihn hätte "fast niemand auf dem Zettel" gehabt, so hört sich das an, als habe dieser Krieg aus Versehen auf dem Einkaufszettel gefehlt. "Auf dem Schirm haben" träfe die Sphäre besser. Dahinter verbirgt sich zwar nicht, wie manche meinen, der TV-Bildschirm, aber immerhin der Radarschirm.

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