Sprachlabor:Menschen ausleeren?

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Dass die Sprachpraxis bei genauer Betrachtung zuweilen seltsame Blüten treibt, zeigt auch eine Preziose aus dem "Denglisch-Imponiergeschwurbel".

Von Hermann Unterstöger

LATEINER holen bei dem in ihren Augen falschen Gebrauch von evakuieren das Verb evacuare aus dem Köcher. Es bedeutet ausleeren, und wer das weiß, wird sich hüten zu sagen, dass Leute evakuiert wurden. Pauls Wörterbuch erklärt evakuieren so: zunächst Begriff für das Abführen schädlicher Stoffe aus dem Körper, auch Terminus für das Luftleermachen abgeschlossener Räume durch Auspumpen und Fachwort für die Räumung einer Stadt oder eines Gebiets. Im frühen 20. Jahrhundert erfuhr das Wort einen Objektwechsel, wie er auch bei Verben wie auspumpen vorkommt: das Wasser auspumpen vs. den Keller auspumpen (obwohl der Keller, streng genommen, nicht ausgepumpt wird, sondern bleibt, wo er ist). Unser Leser B. grämte sich bei Lektüre eines Textes, in dem Menschen evakuiert wurden, und fragt, ob dieses, wiederum streng genommen, Ausleeren von Menschen geduldet werden müsse. Muss wohl, lieber Herr B., da hat die Sprachpraxis das letzte Wort.

DASS SRI LANKA "direkt unter der Südspitze Indiens" liegt, will Leser G. unserem Mann dort unten nicht durchgehen lassen. Unten und oben seien schon deswegen keine geografischen Kategorien, weil die Nordausrichtung unserer Landkarten und Globen reine Konvention sei. Das alles ist richtig, doch hat Herr G. ein Detail übersehen. Bei uns stand, dass Sri Lanka "quasi direkt unter der Südspitze Indiens" liege, und so, wie dieses "quasi" sich anhört, sagt es der Nordausrichtung, dass sie durchschaut ist.

IM NETZ kann man zwar lesen, was zu unternehmen wäre, um bei Google "weit vorne zu ranken", aber für Leser Z. ist das noch lang kein Grund, in der SZ zu schreiben, dass München in der Staustatistik ganz vorne ranke. Für ihn ist das "eine neue Preziose aus der Abteilung Denglisch-Imponiergeschwurbel".

IN EIGENER SACHE: Jüngst war von der Verbletztstellung die Rede, anlässlich deren unser Leser S. dazu aufrief, Mut zum Bindestrich zu zeigen. Durch die Schreibung Verb-Letztstellung kläre man die Sache und baue zudem der Vermutung vor, dass es das Verb verbletzen tatsächlich gebe.

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