Weitere Briefe:Solidarität im Wehrwinter

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Statt die Proteste wütender Bürger zu erwarten, sollte man sich besser darauf vorbereiten, fordert eine SZ-Leserin. Eine andere ist entsetzt, wie wenig weibliche Solidarität es manchmal gibt.

Als Ventil für den Frust

"Mobilisieren für den 'Wutwinter'" vom 19. August:

Der "Wutwinter" kommt, denn die Wütenden bringen sich in Stellung, lese ich. Ähnliches höre ich von Politikern und Politikerinnen. Das klingt, als kämen die Proteste der Unzufriedenen wie ein Naturereignis. Warum bekommen die Wütenden diese Bühne? Sie haben bereits eines geschafft: Sie werden wahrgenommen, und die Erwartung ihrer Proteste bewirkt schon jetzt Unruhe und Unsicherheit. Ist die Republik dieser Protestwelle hilflos ausgeliefert? Das wäre schlimm, denn noch vertreten die Wütenden nicht die Mehrheit. Immer deutlicher wird: Den Unzufriedenen geht es nicht um ein Thema, sie wechseln ihre Inhalte wie andere ihre Hemden. Es geht nur darum, einem tief empfundenen Frust ein Ventil zu geben, es "denen da oben" zu zeigen. Eine Regierung kann das Problem nicht lösen, selbst wenn sie Lösungen anbietet. Es gibt darum nur eins: Stopp zu sagen und dem "Wutwinter" den "Wehrwinter" entgegenzusetzen. Statt angstvoll zu warten, wäre es angebracht, die Wehrhaftigkeit der Republik zu planen und zu organisieren.

Ursel Heinz, Herten

"Der Sherpa und die Influencerin" vom 30. Juli:

Schamloser Konsum

Der Bericht zeigt drastisch, auf welchen Abwegen sich unser von Selbstoptimierung und schamlosem Konsum geprägter westlicher Lebensstil befindet. Hier die sinnentleerte, digitale Selbstvermarktung, die in den entlegensten Winkeln der Erde mit einer absurden Selbstverliebtheit gelebt wird; dort die zu Statisten degradierten Einheimischen, die fernab ihrer Familien versuchen, sich das Geld zum Überleben zu verdienen, nachdem ihnen das Jetset der Alpinisten auch noch die Lebensgrundlagen entzieht. Das alles geschieht in einem Selbstverständnis, das einem die Sprache verschlägt.

Der Gipfel der Ignoranz ist mit den Aussagen von Rebecca Louise erreicht, dass mit dem richtigen Mindset im Prinzip alles möglich sei und Geld nicht die Grundlage eines glücklichen Lebens sein müsse. Man möchte ergänzen: Für Forellenfilet im Basislager muss es nicht reichen, aber wenigstens für ein selbst bestimmtes (Über-)Leben. Shame on you, Rebecca, and respect to Sherpa Phurba Salaka!

Oliver Schulze, Detmold

Missgunst statt Solidarität

Ich finde es unfassbar, wie die Influencerin beschrieben wird: "Ihre Nägel passend zur Handyhülle" und "ihr Talent: Sie kann Fitnessübungen vormachen, dabei makellos aussehen und pausenlos reden". Oder: "Der dunkle Ansatz ihrer platinblonden Haare ist fettig." Man könnte Rebecca Louise auch als erfolgreiche Geschäftsfrau beschreiben und sie nicht auf die Farbe ihrer Nägel und den Zustand ihres Haaransatzes reduzieren. Ich gehe davon aus, dass man, um Erfolg auf Tiktok oder Instagram zu haben, mehr braucht, als das abwertend formulierte Talent. Vielleicht hat Rebecca Louise gute Ideen, Durchsetzungskraft, Beharrlichkeit und kann gut kommunizieren? Dass der Artikel von einem weiblichen Team entwickelt wurde, ist umso ärgerlicher. Ich finde nicht, dass Frauen immer solidarisch sein müssen oder einer Meinung. Dass hier eine beruflich erfolgreiche Frau oberflächlich und mit zweifelhafter Begabung dargestellt wird, um einen hölzernen Schwarz-weiß-Vergleich mit dem politisch korrekten bemitleidenswerten Sherpa hinzubekommen, finde ich flach.

Barbara Wolf, Essen

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