Süddeutsche Zeitung

Oldtimer-Rallye:Völlig aus der Spur

Mit 200 alten Autos von Nord nach Süd, das polarisiert Leser: Der eine findet das deplatziert - ein anderer ein harmloses Vergnügen.

"Ich habe Bauchweh gehabt vor der Rallye", 16. August, München:

Skandalöse Autoverherrlichung

"Braucht es das wirklich, dass 200 alte Autos ohne Not 2252 Kilometer von Nord nach Süd bewegt werden?", so heißt es in Ihrem Artikel. Nein, das braucht es wirklich nicht - und nochmal nein, vielmehr ist es im Grunde genommen ungeheuerlich, im Jahr 2022 überhaupt auf die Idee zu kommen, so eine Rallye zu veranstalten.

Da versucht man, sein Auto öfter in der Garage stehen zu lassen, mit dem Rad zu fahren, zu Fuß zu gehen oder mit ÖPNV - und dann fahren 200 alte Autos 450 000 (!) Kilometer durch Deutschland. Ich nehme an, ohne Katalysator und mit einem Benzinverbrauch, den man schamlos nennen kann (und den ich lieber gar nicht wissen möchte). Für mich ist diese rückwärts gewandte Verherrlichung des Verbrennungsmotors ein Skandal, der in den Medien viel mehr Empörung hätte erzeugen müssen, als mit der oben genannten, zartfühlenden, höflichen Frage aus Ihrem Beitrag. Da hätte ich mir doch einen etwas kritischeren Redakteur gewünscht.

Weiter zitieren Sie in Ihrem Artikel Herrn Röhrl: "Vom nördlichsten Punkt bis hierher habe ich nur Leute gesehen, die uns zugewunken haben", so Röhrl, "also ich bin jetzt wieder viel optimistischer als vorher." Was meint er denn damit? Hofft er nun mit mehr Optimismus darauf, dass das Volk aufsteht und das Ende der Ölverbrennung verhindert?

Wolfgang Heinzel, Merching

Überzogene Kritik

Lassen Sie mich vorausschicken, dass sich unsere Einstellung zum Autofahren grundsätzlich ändern muss, wenn wir etwas gegen die globale Erwärmung tun wollen. SUVs mit vielen PS und kein Tempolimit auf unseren Autobahnen sind sicher ein Zeichen, dass wir umdenken müssen. Aber in ihrer Kritik an einer Oldtimer-Rallye stellen Sie die Falschen an den Pranger. Es hilft nicht, wenn man den moralischen Zeigefinger erhebt ohne nachzudenken. Ein derartiges Vorgehen polarisiert nur und verhärtet die Fronten.

Diese Autos mögen ja 1972 schnelle Sportwagen gewesen sein. Aber heute hat jeder Familienkombi schon mehr PS und ist mindestens eine halbe Tonne schwerer. Außerdem handelt es sich um eine Gleichmäßigkeitsveranstaltung, bei der nicht gerast wird. Auf die Energiebilanz zur Fertigung eines modernen Elektroautos und die Nachhaltigkeit eines 50 Jahre alten Autos möchte ich hier nicht näher eingehen, um meinen Leserbrief kurz zu halten. Ich hoffe trotzdem, dass Sie verstehen, wie unangebracht ihre Kritik ist.

Um unsere Gesellschaft zum Umdenken zu bewegen, braucht es fundierte und differenzierte Argumente, die den Leser zum Nachdenken anregen. Sie bedienen hier nur Klischees. Dies hilft uns nicht weiter.

Prof. Dr. Josef A. Käs, Leipzig

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