„Nur wenig Hoffnung auf Frieden“ vom 19./20. Oktober, „Israel tötet Hamas-Chef Sinwar“ vom 18. Oktober, Leitartikel „Das Ende? Kaum“ vom 18. Oktober sowie Leitartikel „Einsamer hier“ vom 7. Oktober:
Beide Seiten leiden unendlich
Ronen Steinke hat im Herbst 2023 darüber geschrieben, dass israelische und arabische Frauen im Schmerz vereint seien. Jetzt schreibt er darüber, wie schwierig es ist, wenn man sich nicht einer Seite anschließt, entweder der Pro-Israel- oder der Pro-Palästinenser-Partei. Ich halte es nach wie vor für richtig, dass man für beide Seiten Sympathie hat, für alle, die unter dem Krieg leiden.
Ich habe vor 50 Jahren in Bethlehem unter arabischen Schülern gearbeitet und hege bis heute Sympathie für sie. Ich habe in Israel und später in München Juden kennengelernt, an die ich mich gerne erinnere. Es wäre falsch, in diesem Konflikt gleichgültig zu werden. Ich leide mit den Gefangenen in den Tunneln der Hamas, und ich erschrecke über die vielen Toten und Verletzten durch israelische Bomben. Ich fühle mich hilflos angesichts des beiderseitigen Unglücks. Ich finde es gut, wie Ronen Steinke die Haltung von Annalena Baerbock beschreibt, die trotz Beschimpfung durch Parteigänger rechts oder links für die Menschen in Israel, im Westufergebiet und an anderen Orten für die leidenden Menschen eintritt.
Michael Soeding-v. Blomberg, Neubiberg
Israel, es reicht
Für Menschen mit einer Sozialisierung im deutschen Kulturraum ist die abgrundtiefe Scham über das monströse Shoah-Verbrechen ein ethisches Muss. Der wieder grassierende Antisemitismus ist obszön und im höchsten Maße verwerflich! Wer aber die israelische Kriegsstrategie unter anderem in Gaza bedingungslos verteidigt, um nicht des Antisemitismus geziehen zu werden, der hat angesichts des palästinensischen Elends ein Herz aus Stein. Palästinensische Leben sind nicht weniger wert als jüdische. Gaza ist jetzt schon ein unbewohnbarer, von Leichenfetzen durchsetzter Steinhaufen. Wer über einen Rest an Humanität verfügt, der kann Israel nur zurufen: Es reicht!
Siegfried Klammer, Prettau/Italien
Gewalt beenden
Nichts rechtfertigt das mörderische Massaker an über Tausend unschuldigen Israelis am 7. Oktober 2023. Nichts rechtfertigt die Kriegsführung Israels, zehntausende tote unschuldige Palästinenser, darunter tausende Kinder. Die Gewaltspirale dreht sich bisher unaufhaltsam. Das muss ein Ende haben. Frieden kehrt nur ein, wenn Israelis und Palästinenser eine friedliche und sichere Lebensperspektive haben.
Reiner Gorning, Hamburg
Netanjahus Ambitionen
In seinem Kommentar „Das Ende? Kaum“ zum Tod von Jahia Sinwar schreibt Tomas Avenarius: „Der Premier selbst mag bisher keine Sympathie für die Ausdehnung des jüdischen Staats auf das Westjordanland haben und man sollte sie ihm auch nicht ohne Beleg unterstellen.“
Herr Avenarius ist bestimmt ein wesentlich besserer Kenner der Lage im Nahen Osten als ich, aber bei diesem Satz möchte ich ihm dann doch widersprechen. Denn wenn man sich das Parteiprogramm des Likud von 1977 anschaut, findet man dort unter der Überschrift „The Right of the Jewish People to the Land of Israel (Eretz Israel)“ folgenden Absatz: „The right of the Jewish people to the land of Israel is eternal and indisputable and is linked with the right to security and peace; therefore, Judea and Samaria will not be handed to any foreign administration; between the Sea and the Jordan there will only be Israeli sovereignty.“ Der Likud, dessen Vorsitzender Benjamin Netanjahu ja nun mal ist, hat also das Westjordanland (Judäa und Samaria) schon seit dieser Zeit als Teil der israelischen Souveränität angesehen. Eine Zwei-Staaten-Lösung war daher für den Likud von vornherein ausgeschlossen. Und im Nationalstaatsgesetz Israels, das im Juli 2018 unter der Regierung von Netanjahu in der Knesset beschlossen wurde, steht: „Der Staat Israel sieht in der Weiterentwicklung der jüdischen Besiedlung einen nationalen Wert. Er setzt sich dafür ein, die Etablierung und die Konsolidierung jüdischer Besiedlung anzuspornen und voranzutreiben.“ Die israelische Siedlungspolitik im Westjordanland bedeutet aber letztendlich nichts anderes, als sich dieses Gebiet nach und nach anzueignen und der eigenen Staatssouveränität zu unterwerfen.
Thomas Armbrüster, Erding
Keine Friedensperspektive
Der Tod von Jahia Sinwar wird den Krieg in Gaza nicht beenden. Sollte es Israel gelingen, die Organisation der Hamas zu zerschlagen und den Aufbau einer neuen Führung zu verhindern, werden sich die Anhänger der Hamas anders organisieren, zum Beispiel, indem sie auf klassische Hierarchien verzichten. Das kann man gerade bei der Hisbollah im Libanon sehen. Führerloser Widerstand ist eines der Konzepte, auf die dann zurückgegriffen wird. Das Ergebnis wird dann eine Art Islamischer Staat sein.
Netanjahu wird seinen Krieg unbeirrt fortsetzen. Für mich ist absehbar, dass als nächstes Syrien an der Reihe ist. Denn Netanjahus Ziel ist es, die USA aktiv in diesen Konflikt hineinzuziehen, um dann nach der US-Wahl den Iran mit Unterstützung der USA angreifen zu können. Die Regierung Netanjahu will ein Großisrael errichten, das seine Nachbarn dominieren kann. Ein Zusammenleben auf Augenhöhe hat die Regierung Netanjahu mit seinen arabischen Nachbarn nicht beabsichtigt. Umgekehrt sehen viele Araber den Staat Israel als raumfremde Macht in der Region.
Diese überlegenheitsorientierte Politik Israels gegenüber seinen Nachbarn wird in den USA vom Mainstream der Demokraten bis zu den Neokonservativen voll unterstützt. Dieser Krieg wird sich ausweiten. Er ist erst zu Ende, wenn die USA finanziell nicht mehr in der Lage sind, diese Art der Kriegsführung Israels zu leisten. Danach wird es keinen Frieden geben, sondern es werden Gewalträume geschaffen, in denen die Auseinandersetzungen auf andere Weise fortgesetzt werden.
Die Vorstellungen der Biden-Administration über eine Nachkriegsordnung entspringen interessengeleitetem Wunschdenken. Deutschland darf dann gerne noch einmal Millionen von arabischen Flüchtlingen aufnehmen. Aber Deutschland wird dann nicht mehr genug Kraft haben, um Verbandsplatz und Herberge für all die Opfer dieser nicht eingehegten Konflikte in unserer geopolitischen Nachbarschaft zu sein.
Udo Schäfer, Stuttgart
Israel düpiert Deutschland
Was muss eigentlich noch passieren, dass eine kritische Abwägung wie die der Bundesregierung zu den Waffenlieferungen nach Israel nicht von einem Herrn Merz angeprangert wird? Müssen wirklich deutsche oder verbündete Soldaten in einem UN-Stützpunkt von deutschen Waffen ermordet werden, damit wir uns von der „Staatsraison“ abkehren? Müssen noch mehr Bilder wie das aus dem Gazastreifen im Artikel „Post aus Jerusalem" (SZ vom 17. Oktober) publiziert werden, die erschreckend an Dresden 1945 erinnern und keinerlei Zweifel offen lassen, dass hier die Zivilbevölkerung attackiert worden ist? Versprechen fußen immer auf einem zweiseitigen Verhältnis: Düpiert Israel auf der einen Seite Deutschland, indem es Forderungen auf Grundlage der Menschenrechte völlig ignoriert, muss auch Deutschland sein Versprechen zur Sicherheit Israels und damit auch seine Waffenlieferungen überdenken.
Holger Nachtigall, Sachsenried
Groß-Israel
Just in dem Moment, in dem immer klarer wird, dass die israelische Armee mutmaßlich schwere Kriegsverbrechen und Verletzungen des humanitären Völkerrechts begeht, genehmigt Bundeskanzler Scholz neue Waffenlieferungen und erklärt, Deutschland werde Israel immer weiter Waffen liefern. Auch dann, wenn Premier Netanjahu, der seine Mission ausdrücklich als noch nicht beendet betrachtet, weiter fortfährt, konsequent die Agenda der extremen Rechten umzusetzen? Bereits im September 2023 zeigte er vor der UNO-Vollversammlung erstmals eine Landkarte, aus der sich seine Vorstellungen einer Nachkriegsordnung im Nahen Osten ableiten lassen: ein Groß-Israel, das die gesamte Region dominiert und den mittlerweile unbewohnbar gemachten Gazastreifen sowie das heute noch besetzte Westjordanland annektiert hat.
Nichts anderes besagt der bereits im Jahr 2018 vom jetzigen Finanzminister Smotrich publizierte Entscheidungsplan. Er stellt die Palästinenser darin vor die Wahl, ihre Autonomiebestrebungen gänzlich aufzugeben, freiwillig auszuwandern oder von der israelischen Armee gewaltsam vertrieben zu werden. Diese Pläne stellen die Werte, für die Deutschlands Außenpolitik steht, geradezu auf den Kopf und können doch nicht ernsthaft zur deutschen Staatsräson gehören.
Statt bedingungslose Solidarität mit der rechtsextremen Regierung Netanjahu zu zeigen, stünde es Deutschland gut an, mit Nachdruck den Friedensplan zu unterstützen, den der frühere israelische Premier Ehud Olmert und der ehemalige Außenminister der Palästinensischen Autonomiebehörde Nasser Al-Kidwa im September auf CNN präsentiert haben – nachzulesen in der Online-Ausgabe der Zeitschrift Zenith – und der endlich eine diplomatische Perspektive zur Beilegung dieses furchtbaren Konflikts aufzeigt.
Klaus-Dieter Klein, Köln
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