"Scheuer wurde teuer" vom 8./9. Juli "CSU, bitte zur Kasse" vom 7. Juli:
Haften die Anwälte?
Mit guter Argumentation schreibt Gerhard Matzig den Artikel über das über 200 Millionen Euro schwere Maut-Desaster, das der ehemalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer zu verantworten hat. Man merkt die Wut, liest aber einen Artikel, der sehr fein argumentiert. Und das ist entscheidend: Nicht die Wut, sondern die Argumente sollen überwiegen.
Ein Argument, das in eine etwas andere Richtung zeigt, wäre noch: Wie kann es sein, dass die Anwaltskanzleien, die doch (gegen gutes Honorar) die Verträge vorbereitet haben, die Verträge nicht unter die aufschiebende Bedingung gestellt haben, dass die EU der damals geplanten Maut-Lösung überhaupt zustimmt? Das Thema der Vereinbarkeit der geplanten Maut mit EU-Recht war damals ja schon sehr aktuell! In vielen Fällen ist auch so etwas eine Frage der Haftung, der Anwaltshaftung.
Dr. Max Kuhlmann, München
Kehr, Minister!
Aufgrund der Sturheit der Herren Dobrindt und Scheuer in Sachen Maut wurden 243 Millionen Euro in den Sand gesetzt. Dafür muss die CSU bestraft werden. Aber diese unangenehme, unsympathische Partei genießt ja Narrenfreiheit, darf sich scheinbar alles erlauben - seit 70 Jahren. Der Ampelkoalition werfen sie Unfähigkeit und Arroganz vor. Die Verantwortlichen der Union sollen vor ihrer eignen Tür kehren.
Uwe Wülfing, Duisburg
Wer trägt die Verantwortung?
Das Maut-Gesetz hat weder Herr Scheuer noch sein Ministerium beschlossen. Für die Rechtsetzung ist der Deutsche Bundestag zuständig. Wenn auch das Ministerium den ersten Aufschlag macht, liegt die Verantwortung nicht bei der Bundesregierung oder einzelnen Personen der Regierung, sondern ausschließlich beim Parlament und insbesondere den Fraktionen der Parlamentsmehrheit.
Auch bei der Zuteilung der Mittel für die Umsetzung des Vorhabens sollten Sie die Verantwortung des Haushaltsgesetzgebers nicht außen vor lassen. Dieser weist die Mittel und Verpflichtungsermächtigungen zu, mit der Erwartung, dass diese vom Ressort so gebunden werden.
SZ-Autor Wolfgang Janisch muss ich zustimmen, dass es naiv war, den Vertrag mit der Mautgesellschaft nicht mit einer Auflösungsklausel ohne Schadenersatz zu versehen. Hier tragen Duzende Beamte im Ministerium und die Anwaltskanzleien ihren Teil der Verantwortung. Es wäre zunächst zu prüfen, ob der Minister sich nicht auf die Prüfungen seiner Fachleute verlassen durfte und daher kein Raum besteht für eine persönliche Haftung.
Aus meiner Sicht fällt in der Presse vor allem die Schadenminderungs-"Pflicht" des Parlaments hinten herunter. Es wäre ein Leichtes gewesen, das Mautgesetz entsprechend der Kritik des EuGH nachzubessern und ein EU-konformes Mautgesetz zu verabschieden. Wie in Österreich, wo es Monate nach der Maut zu einer Reduktion der Kfz-Steuer für einheimische Fahrzeuge gekommen ist. Der Schadenersatz wäre also vermeidbar gewesen, wenn das Parlament sich bequemt hätte.
Dr. Helmut Bossy, Bonn
In Regress nehmen
Sehr geehrter Herr Janisch, Ihr Beitrag hat mich sehr erbost. Herr Scheuer hat - man kann sagen: vorsätzlich - unserem Staat einen Schaden von einer Viertelmilliarde Euro beschert. Ihre Schlussfolgerung, da er nicht in Regress genommen werden kann, ist, ihn abzuwählen. Das ist einfach nicht ausreichend, auch wenn er nicht direkt gewählt würde, helfen ihm zum Beispiel eine Landesliste wieder zu einem Sitz im Bundestag - wie geschehen - und zu auskömmlichen Einnahmen aus der Staatskasse.
Verantwortliche Politiker, die sich derartige Fehler aus Fahrlässigkeit, Eigennutz oder Dummheit leisten, sollten von allen von der Öffentlichkeit getragenen Ämtern ausgeschlossen werden. Je nach Schwere des Vergehens, möglicherweise gestaffelt nach Jahren. Im Falle Scheuer wäre wohl ein Lebenslang angemessen. Mit so einem "Schwert" hätten wir möglicherweise auch die ungeheuren Differenzen von staatlichen Vorhaben zwischen Planungsgenehmigung und Endpreis besser im Griff.
Wolf-Dieter Koch, Hamburg
Wer ko, der ko
Nach Bekanntwerden der Schadenersatzforderung in Höhe von einer Viertelmilliarde Euro war mein erster Impuls: Morgen geh ich auf unser dörfliches Polizeirevier und erstatte Anzeige gegen Herrn Andreas Scheuer, Bundesverkehrsminister a.D. wegen ... Ja, wegen was eigentlich? Der Artikel beschreibt sehr gut, warum man diesen Mann vermutlich nie zur Verantwortung ziehen können wird. Auch der örtliche Polizeibeamte hätte mir vermutlich diese Frage gestellt, und ich weiß nicht, was er auf meinen Einwand - das weiß ich selber nicht, das festzustellen, wäre doch wohl Aufgabe der Ermittlungsbehörden, also Polizei und Staatsanwaltschaft - geantwortet hätte.
Aber die sind ja im Moment mehr damit befasst, jugendliche Demonstranten zu kriminalisieren - gut, das ist eine andere Geschichte. Allerdings verstärkt dieses Handeln mein seit einiger Zeit schwindendes Vertrauen in den Rechtsstaat und seine Organe. Das macht mich jetzt noch nicht zum AfD-Protestwähler, ich verfüge ja Gott sei Dank noch über einen funktionierenden Verstand. Aber das Vertrauen in Gerechtigkeit und Glaubwürdigkeit ist stark beschädigt.
Dass die CSU alles, was in Bayern und teils auch im Rest der Republik gut läuft, recht frech allein für sich in Anspruch nimmt, während die Fehler immer die anderen machen, wissen wir "Altbayern" seit mehr als sechzig Jahren recht gut. Und wir ertragen es, weil es halt immer noch so schön ist bei uns und weil "Mia eh alle mia san" und "Leben und leben lassen" für alle gilt - außer für Sozis, Diverse, Migranten, Grüne, Veganer und andere Nicht-Normale. So weit geht die Liberalitas Bavariae doch nicht.
Was normal ist, bestimmen Söder, Aiwanger und die AfD? Was käme denn dabei raus, wenn es tatsächlich jemand schaffte, den Anderl regresspflichtig zu machen und er die Steuerzahler auszahlen müsste? Gerade mal auf 2,89 Euro pro Bürger, bei geschätzt 84 Millionen Einwohnern. Das ist den Aufwand nicht wert, aber es geht halt auch ums Prinzip, und das Prinzip an sich ist ja gerade bei der CSU ein wichtiger Leitwert, behauptet sie selber.
Heut ist wieder so ein Tag, wo ich am liebsten nackert durch den Englischen Garten laufen tät, heiß is', und der weißblaue bayerische Himmel leuchtet - Zäessuu-Wetter. Am Montag geh ich aufs Polizeirevier, mal schaun, was so geht. Oder auf Bairisch: " Wer ko, der ko."
Dieter Otremba, Bruckmühl
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