Länderfinanzausgleich:Ein Evergreen christsozialer Streitrhetorik

Länderfinanzausgleich: Früher profitierte Bayern vom Länderfinanzausgleich, heute ist es großer Zahler - und jammert.

Früher profitierte Bayern vom Länderfinanzausgleich, heute ist es großer Zahler - und jammert.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Leser stören sich daran, dass die CSU immer wieder Wahlkampf mit dem komplexen Thema macht, aber auch daran, dass Zweifel an der Gerechtigkeit bestehen.

"Zahlt Bayern zu viel Geld?" vom 11./12. März und "Söder klagt gegen Söder" vom 7. März:

Relativ komplexe Fakten

Auf Anhieb kann ich nicht beurteilen, ob und warum der Freistaat Bayern mehr Steuern je Kopf einnimmt oder relativ niedrigere Ausgaben tätigt als zum Beispiel Berlin. Ich kann allerdings feststellen, dass die Begrenzung von Staatsaufgaben und -ausgaben zu den traditionellen Hits der christsozialen Rhetorik gehört, während manche sozialdemokratisch geprägten Nordländer offensichtlich größere Stücke auf die fürsorglichen und lenkenden Aktivitäten des Staats halten.

Ich kann jedoch nicht nachprüfen, ob die praktische Politik den jeweiligen Deklarationen oder doch eher den durch die Staatseinnahmen gegebenen finanziellen Möglichkeiten folgt, und ob gewisse Unterschiede auch dadurch zustande kommen, wie wirtschaftsfreundlich ein Bundesland agiert. Sollte der Länderfinanzausgleich aber so konstruiert sein, dass Sparsamkeit und/oder vernünftige Strukturpolitik bestraft würden, dann liefe tatsächlich etwas falsch. Kurz: Es geht hier nicht um Meinungen oder Gefühle, sondern um relativ komplexe Fakten. Ich sähe es als Aufgabe der SZ an, uns diese zu liefern. So dass wir uns selber ein Bild machen können: Stänkert die bayerische Staatsregierung nur aus gegebenem Anlass ein bisschen herum, oder ist wirklich etwas an ihren Klagen dran?

Axel Lehmann, München

Wie es Söder gerade passt

Gerade im Wahlkampf ist Söder sehr kreativ, wenn es darum geht, öffentlichkeitswirksam Themen höchstrichterlich klären zu lassen (Länderfinanzausgleich, Krankenhausreform, Reduzierung der Bundestagsmandate). Als aber jüngst die Verfassungsrichter aus Karlsruhe die Ausgangssperre während der Pandemie kassiert haben, hat sich Söder mit keinem Wort entschuldigt. Dies ist deshalb bemerkenswert, da die meisten Minister, der Ministerpräsident und die Mehrzahl der Ministerialbeamten Juristen sind, die sich während ihres Studiums intensiv mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auseinandergesetzt haben.

Stefan Geiges, Anzing

Ungezielte Wirtschaftsförderung

Andreas Glas schreibt zum Länderfinanzausgleich: "Im Jahr 2021 kam Bayern auf Steuereinnahmen von rund 4000 Euro pro Einwohner. Das Empfängerland Berlin dagegen hatte einen Ausgangswert von 2500 Euro pro Kopf - nach dem Finanzausgleich aber etwa 5000 Euro zum Ausgeben, wesentlich mehr als das Geberland Bayern". Da kann ich die gestellte Frage, ob Bayern zu viel Geld zahlt, in Bezug auf Berlin nur mit einem eindeutigen Ja beantworten. Darauf, dass Berlin durch den Finanzausgleich pro Bürger 1000 Euro mehr ausgeben kann als Bayern, geht Ronen Steinke wohlweislich mit keinem Wort ein. Er schreibt da lieber über Mexiko, so dass mich seine Ausführungen allenfalls abstrakt, aber nicht bezogen auf Berlin überzeugt haben.

Berlin kann doch 1000 Euro pro Bürger mehr ausgeben als Bayern, also, um bessere Verhältnisse zu schaffen, mehr Polizisten und Polizistinnen und Lehrer und Lehrerinnen als Bayern einstellen. Warum schafft Berlin das nicht? Versickert das irgendwo? Berlin könnte auch mehr Finanzbeamte einstellen. Denn wie kommt es, dass der Berliner Fiskus so sehr viel weniger als Bayern bei seinen Bürgern eintreibt? Das Letzte was ich dazu gehört oder gelesen habe, ist, dass Berlin deswegen nicht mehr Finanzbeamte einstellt, insbesondere Betriebsprüfer, da bei den Unternehmen das größere Steuermehraufkommen zu generieren wäre, weil diese Beamten ja auch bezahlt werden müssten. Das Steuermehraufkommen würde aber dazu führen, dass die Zuwendungen aus dem Finanzausgleich um den Betrag des Mehraufkommens gekürzt würden. Belastet mit den Gehaltszahlungen für die Finanzbeamten, hätte man dann weniger, als wenn man diese nicht einstellen würde.

In Bayern wird ähnlich argumentiert: Es ist schon möglich, dass auch in Bayern ein steuerliches Mehraufkommen generiert werden könnte, wenn man mehr Betriebsprüfer einstellen würde, aber dieses Mehraufkommen würde fast voll in den Finanzausgleich fließen und man selber würde auf der Pflicht, die Gehälter dieser Betriebsprüfer zahlen zu müssen, sitzen bleiben. Deswegen unterlässt man auch in Bayern die Einstellung von mehr Betriebsprüfern.

Wenn man über diesen Irrsinn seinen Humor noch nicht verloren hat, kann man das Ganze als wenn auch ungezielte Wirtschaftsförderung betrachten.

Dr. Ulrich Klatt, München

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