Proteste in Museen:So verpatzen die Aktivisten alles

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Klimaaktivisten der Gruppe "Letzte Generation" bewerfen Kunstwerk mit Kartoffelbrei. (Foto: AP/AP)

Die meisten SZ-Leserinnen und -Leser bringen wenig Verständnis für Kartoffelbrei-Attacken gegen Gemälde auf. Andere verstehen die Beweggründe.

"Flieg, Kartoffelbrei" und "Aktivismus für Anfänger" vom 25. Oktober, "Museen sorgen sich um ihre Kunst" und "Lebensmittelattentat" vom 26. Oktober:

Das geht ins Kriminelle

Was für ein Zynismus steckt doch hinter den kontraproduktiven Aktionen dieser Mitglieder der Gruppe "Letzte Generation", wie beispielsweise die Kartoffelbrei-Aktion auf das Gemälde "Die Heuschober" von Claude Monet im Potsdamer Museum Barberini.

Nachdem ich seit meiner Schulzeit ein Fan der Impressionisten bin, war ich von dieser Aktion tief getroffen! Die Aktivisten wiegen sich bei ihrem Anschlag auf ein Werk eines international anerkannten Künstlers in der Gewissheit, dass dieses Werk, da verglast, unbeschädigt bliebe, auch wenn der Rahmen (ebenfalls ein Kunstwerk und mit dem gerahmten Kunstwerk ein Gesamtkunstwerk bildet) restauriert werden muss.

So sinnvoll ich es finde, dass die Klimaaktivisten mit ihren Forderungen zur Klimapolitik, CO₂-Ausstoß, et cetera an die Öffentlichkeit gehen, so erschreckend sind doch diese schon ins Kriminelle gehenden Aktionen in diversen Museen. Ich bedauere zutiefst, wenn die Museen in Zukunft weitere Kunstwerke, besonders ihre Ölbilder verglasen, da ihre Ausstrahlung, ihre Lebendigkeit und ihre Unmittelbarkeit dadurch verloren gehen.

Ich hoffe, dass sich die Klimaaktivisten in Zukunft intelligentere Lösungen für ihre Aktionen ausdenken; und ich hoffe auf einen kunstsinnigen Richter, der mit seinem Urteil diesem Treiben nachhaltig ein Ende setzt.

Xenia Weimann, München

Defizite beim Umweltschutz

Grenzwerte für Schadstoffe in der Luft oder im Grundwasser wurden nach demokratischen und rechtsstaatlichen Regeln beschlossen. Ich habe tatsächlich keine Zeit mehr, zur Bekämpfung von Verstößen gegen diese Regeln "Verbündete zu gewinnen und Mehrheiten zu organisieren". Ich unterstütze mit meinem Mitgliedsbeitrag die Deutsche Umwelthilfe für ihr Bemühen, die Einhaltung geltender Grenzwerte einzuklagen. Ich zahle in Deutschland für den Schutz geltender Regeln - wie in einer Bananenrepublik.

Klaus Werner, Erlangen

Kulturgüter besser schützen

Ich gehe oft und gerne in Museen. Es macht nicht einfach nur Spaß; die Auseinandersetzung mit bildender Kunst ist für mich oft eine Identitätsfindung. Kunstwerke verhelfen mir zur Selbstreflexion, sie bedeuten mir oft Selbstvergewisserung. Deshalb sind mir die jüngsten mediengeilen Angriffe von Klimaaktivisten auf bedeutende Kunstwerke ("Ihr habt Angst um eure Kunst - ich habe Angst vor ...") zuwider.

Allerdings sehe ich in Museen zumeist Aufsichtspersonal, das diesen neuen Gefahren nicht gewachsen ist: Schwächliche alte Männer und zierliche Frauen, die Besucher allenfalls freundlich ermahnen können: "Bitte nicht anfassen."

Wäre es nicht geboten, Museen mit Personal auszustatten, das entsprechend trainiert und körperlich in der Lage ist, Angreifer in Sekundenschnelle zu Boden zu bringen und unschädlich zu machen? Es geht hier schließlich nicht nur um Millionenwerte. Es geht um ein kulturelles Menschheitserbe. Ich möchte das nicht beschädigt und zerstört sehen!

Arno Kramer, Bergisch Gladbach

Verstörende Prioritäten

Es ist durchaus verstörend, wenn sich die Öffentlichkeit mehr Sorgen um die Werke alter Meister macht als um die Umwelt, in der wir alle leben müssen.

Andreas Dreyer, Uffing

Barbarei

Von Heinrich Böll stammt der ewig gültige Satz: "Wo die Kultur stirbt, beginnt die Barbarei." Dieser Satz kommt einem in den Kopf, wenn man die Aktionen von radikalen Klimaaktivisten in der Presse verfolgt. Warum gehen junge Menschen, die sich Sorgen um die Zukunft unseres Lebensraums machen, auf die Bilder von Monet, Raffael oder van Gogh los? Warum müssen ausgerechnet Kultureinrichtungen für die berechtigte Wut der Aktivisten herhalten? "Was soll das?" schreibt Hilmar Klute. Und genau diese Frage stellt sich. Auch für all jene, die die Dringlichkeit des Themas, gesellschaftlich und politisch, ähnlich empfinden.

Heinrich Böll fuhr mit seiner Frau 1983 nach Mutlangen und setzte sich zwischen die Protestierenden der Friedensbewegung. (Die Stationierung von amerikanischen Atomraketen sollte verhindert werden.) Man befand sich also direkt am Ort der Ursache für die Proteste. Wer hätte verstanden, wenn stattdessen jemand Gemüsesuppe auf Tischbeins Goethe in Frankfurt gespritzt hätte?

Hinzu kommt, dass jedes Kunstmuseum ein Raum der Kontemplation ist, ein Raum, der eher zum Nachdenken über die Probleme unserer Zeit anregt als zur Ignoranz. Und wie viel wichtiger wäre es, zu einer großen Bewegung zu wachsen, als in Splittergruppen zu agieren? Also die Bedeutung einer "Außerparlamentarischen Opposition" zu erlangen, damit jenen Damen und Herren, bei denen Macht und Geld immer vor dem Gemeinwohl der Mitmenschen steht, irgendwann das Lachen vergeht. Und das könnte auch dann funktionieren, wenn unsere Museen kartoffelbreifreie Zonen blieben.

Gregor Ortmeyer, Mönchengladbach

Sympathie verspielt

Danke für Ihren guten und klaren Kommentar zu dem Blödsinn, den diese "Klimaaktivisten" da anstellen. Tatsächlich verspielen sie so jegliche Sympathie.

Eine kurze Anmerkung jedoch: Weshalb Menschen, die, wie Sie beispielhaft aufführen, am Existenzminimum herumkrebsen oder an Augenkrankheiten oder Demenz leiden, dadurch irgendwie sympathischer/liebenswerter/wertvoller oder Ähnliches werden, erschließt sich mir nicht. Man könnte doch auch die Menschen einfach so nehmen, wie sie sind, nur beurteilen nach dem, was sie effektiv tun - und dies unabhängig von Gesundheitszustand, Größe des Geldbeutels, Hautfarbe und Alter.

Dr.-Ing. Bernd Biallas, Münster

Nachvollziehbare Verzweiflung

Warum schleudern junge Klimaaktivistinnen und -aktivisten Kartoffelpüree auf ein kostbares Gemälde, fragt sich der Autor und präsentiert uns erstaunliche Einsichten in die Gedankenwelt "dieser Leute". Seiner Meinung nach sehen sie in Kunst "negative Dekoration" und ein "Überbleibsel einer paternalistischen Zeit" und betrachten Maler als "schuldigen Teil einer kolonialistischen ... Herrschaftsideologie". Er wirft den Aktivistinnen und Aktivisten von "Letzte Generation" vor, Kunst und Künstler zu diffamieren und das kulturelle Erbe als "vermeintliches Zeugnis kapitalistischen Ausbeutungsgeschehens" abschaffen zu wollen. Die naheliegende Erklärung, nämlich der Wunsch, maximale Aufmerksamkeit für ihr Anliegen zu erreichen, ist wohl zu einfach, Occam's razor hin oder her ( ein Sparsamkeitsprinzip bei der Bildung von Hypothesen; Anm. d. Red.).

Ich wüsste zu gerne, wie der Autor zu seinen weitreichenden Schlussfolgerungen kommt, und habe mir deshalb auf der Suche nach den Quellen seiner Erkenntnis die Website von "Letzte Generation" angesehen. Ganz offensichtlich haben die "Kartoffelbrei-Aktivisten" weder gegen Kunst im Allgemeinen noch gegen Monet oder van Gogh etwas. Sie stellen uns aber die berechtigte Frage, warum wir mehr Angst vor der Zerstörung eines Abbildes der Natur haben als vor der Zerstörung der Natur selbst. Ich kann die Verzweiflung unserer Kinder und Enkel angesichts der viel zu zögerlichen Maßnahmen gegen die Klimakatastrophe gut verstehen. Seien wir froh, dass sie nicht zu viel gefährlicheren, selbstzerstörerischen Protestaktionen greifen.

Übrigens: William Turner lebte nicht vor der Industrialisierung, sondern mittendrin, wie eines seiner berühmtesten Gemälde, "Rain, Steam and Speed - The Great Western Railway" von 1844 belegt.

Dr. Irene Reithner, München

Ungebildet und kulturlos

Was sind das für kultur- und geschichtslose Menschen, die ihre hilflose Wut an der Kunst auslassen? Wie ungebildet und engstirnig muss man sein, um sich solcher Mittel des Vandalismus zu bedienen. Wer Kunstwerke zerstört, tritt nicht für etwas ein, für eine bessere Klimapolitik, sondern wendet sich gegen Toleranz, gegen Vielfalt, gegen das Bewusstsein für historisch-kulturelle Entwicklungen und Perspektiven. Wir brauchen keine marktschreierischen Sauberfrauen und Saubermänner, wir brauchen Kreativität und Innovationen, um die Umwelt zu retten.

Sonja Dworschak-Kristl, Tutzing

Ablenkungsmanöver

Kartoffelbrei, Tomatensuppe, "Aktivisten" für Umweltschutz, junge engagierte Menschen - das bewegt Politik und Medien. Über die Mittel und Methode, angesichts der real vorhandenen Klimakatastrophe fruchtlosen Streit und Diskussion zu entfachen, das bringt Bewegung bis zur letzten Straßenpassantin. Dabei scheint keiner zu merken oder keiner mehr wissen zu wollen, welche politisch regierende, aufstrebende Partei diese Werte in ihren Programmen hat, sie verkündet, aber damit scheinbar nur wegen "Putins Krieg" nichts mehr zu tun haben will. Nachdenken darüber, wo der Systemfehler liegt, das ist schon fast undenkbar zu verlangen. Wozu hat jemand die Grünen eigentlich gewählt? Wer fordert von ihnen demokratisch-freiheitlich, sich nicht nur für mehr Krieg und Sanktionen zu mühen, sondern dafür, dass Krieg und Sanktionen das Klimaschutz-Thema nicht zum noch größeren Existenzproblem macht? Die für das Ende der Zivilisation arbeiten, heißen nicht Putin, sind längst in den ewigen Jagdgründen, betreiben den Weltuntergang seit Jahrzehnten und rasend schnell seit 1990. Kein medientaugliches Thema. Also Tomatensuppe und Kartoffelbrei und ein paar scheinbar irre junge Menschen. Geht immer und bestens. Oder auch der Waschlappen als letzter Retter in der Not.

Roland Winkler, Aue

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