Zu " Wenn Verbote auf die Seele schlagen", 19. Mai, " Danke für nichts", 15./16. Mai sowie " Die Vergessenen" vom 12./13. Mai:
Danke an die Jugend
Vielen Dank für alles! Danke dafür, dass ihr in den vergangenen 15 Monaten auf Bildungschancen, gemeinsame Zeit mit euren Freunden, die erste Liebe, die Abifeier, den Tanzkurs, Kino, Party, Auslandssemester und "Fridays for Future"-Demos verzichtet habt, um ganz ohne Eigennutz das Leben von alten und kranken Menschen zu retten. Danke dafür, dass ihr die Rettung von Großkonzernen ertragen habt, während kein Geld für Luftfilter in euren Klassenzimmern vorhanden war, dass ihr den Streit um die kleinsten Details im Hin und Her der Öffnung und Schließung von Einrichtungen des öffentlichen Lebens mit angesehen habt, ohne laut die andauernde Konzeptlosigkeit der Bildungsverantwortlichen anzuprangern.
Als Erwachsener mittleren Alters schäme ich mich zutiefst für die Gleichgültigkeit meiner Generation und der Generation meiner Eltern gegenüber euren Bedürfnissen. Wir lassen zu, dass nach all den Monaten des Heimunterrichts Videokonferenzen bei euch immer noch nicht funktionieren. Wir erlauben, dass es in der ersten Woche Präsenzunterricht nach sechs Monaten der Trennung nichts Wichtigeres gibt, als Klassenarbeiten zu schreiben.
Wir gestatten, dass Friseure und Gaststätten öffnen, bevor wir euch ernsthaft fragen, wie es euch geht, und was getan werden muss, um euch jetzt zu unterstützen, ohne damit Nachhilfeunterricht zu meinen. Ich danke euch und bitte im Namen der Gesellschaft um Verzeihung. In meinen Augen seid ihr die Helden dieser Zeit.
Jan Meiforth, Weinheim
Kinder wieder kreativ sein lassen
Wenn eine Not sehr groß ist, sollte man keine Zeit verlieren, und die Not so schnell wie möglich wenden. Es geht um unsere Schulkinder, die in der langen Phase der Pandemie in ernstzunehmende seelische Schwierigkeiten geraten sind. Würde man die Überschrift "Wenn Verbote auf die Seele schlagen" umformulieren in "Wenn ausschließlich intellektuelle Angebote auf die Seele schlagen", dann wird deutlich, was die Kinder jetzt außer der medizinisch- psychologischen Hilfe sofort und sehr dringend brauchen, nämlich die Impulse aus den Unterrichtsstunden, die im Homeschooling total verschwunden sind, wie: Musik, Sport, Religions-, Ethikunterricht und vor allem die Kunst.
Die Schüler plagen sich durch Aufgaben, die darauf abzielen, die entsprechenden, für jedes Schuljahr vorgegebenen Stoffpläne zu erfüllen, je mehr, desto besser. Mit dem pflichtbewussten Erfüllen ist in vielen Fällen auch das traumatisierende Scheitern verbunden. Dass die Kinder dabei aber sinnlich-emotional keine Entwicklung machen können, ist völlig aus dem Blickwinkel gerutscht, und genau das hat sie letztlich krank gemacht.
Liebe Kollegen im Schulreferat, nutzt die Pfingstferien, um mit entsprechenden Lehrern zu erarbeiten, wie die Kreativität, die in allen Kindern lebt, wieder aktiviert werden kann! Es ist eine Minute vor zwölf!
Ulrike Knebel, Lehrerin, München
Eltern jetzt prioritär impfen
Es besteht weitgehend Einigkeit, dass endlich etwas für Kinder getan werden muss, um die sozialen Folgen der Pandemie zu verringern. Zumindest in den Sonntagsreden. Und tatsächlich, wir könnten etwas tun. Nachdem jetzt die vulnerablen Gruppen und Menschen mit Vorerkrankungen zunehmend geimpft sind, wäre es für Kinder sehr gesund und hilfreich, wenn ihre erwachsenen Kontaktpersonen das Virus nicht mehr weitergeben könnten.
Lehrerinnen und Erzieher sind durch die Impfung geschützt, Eltern eher nicht. Anstatt jetzt Eltern prioritär zu impfen, um den Kindern zu helfen, gibt sich die Politik lieber populistischen Reflexen hin und hebt die Priorisierung auf. Wohl wissend, dass für die nächsten Wochen nicht genügend Impfstoff beziehungsweise Impfmöglichkeiten vorhanden sind. Solidarität mit den Schwächsten schaut anders aus.
Dr. med. Josef Stein, Fürth
Muss die Spritze für Junge sein?
Ein Kinderarzt macht in "Wenn Verbote auf die Seele schlagen" deutlich, dass die Seelen vieler Kinder und Jugendlicher in der Pandemie angegriffen sind. Nun wird in Kürze entschieden, ob schon ein Impfstoff ab zwölf Jahren zugelassen wird, um Kindern wieder ein normales soziales Leben zu ermöglichen. In der Schweiz geht das auch ohne Impfstoff, schon seit Langem. Müssen Kinder wirklich diesem fragwürdigen Risiko-Nutzen-Verhältnis ausgesetzt werden?
Wenn wir heute in Behinderten-Einrichtungen Impfgeschädigte finden, sollte das zu denken geben, bei einem Virus, das offenbar wirklich gefährlich zumeist erst bei älteren Menschen ist, die sich ja inzwischen impfen lassen können. Wollen wir nun auch leiblich die Jugend in ein solches Risiko bringen? Wer kann zum Beispiel bei diesen neuen, wenig getesteten Impfstoffen eine spätere Unfruchtbarkeit als Folge zum jetzigen Zeitpunkt wirklich ausschließen? Geben wir den jungen Menschen die Chance, sich mit dem Virus auseinanderzusetzen. Sie werden damit leben müssen.
Gabriele von Moers, München
Warnungen zu lange ignoriert
"Die Vergessenen" titelte die SZ auf ihrer ersten Seite und befasst sich mit dem Schicksal von Kindern und Jugendlichen. Man fragt sich unwillkürlich: "Von wem vergessen - und warum?" In der Unterüberschrift lesen wir: "Experten fordern nun dringend einen Strategiewechsel." Das ist nicht falsch. Aber es ist nur die halbe Wahrheit. Von "nun" kann nämlich keine Rede sein. Wie dann im Folgenden, "im Kleingedruckten" sozusagen, zu lesen ist, weisen Experten schon sehr lange, im Prinzip seit Beginn der Krise vor gut einem Jahr, auf die Missstände hin und sprechen Empfehlungen aus. Allein - sie blieben weitgehend ungehört oder "vergessen" könnte man auch sagen.
Im besten Fall wurden diese Sachverständigen versteckt auf den hinteren Seiten in einem kurzen Abschnitt erwähnt. In aller Regel wurden sie jedoch nach meiner Wahrnehmung vollkommen ignoriert oder sogar in Verbindung mit Corona-Leugnern und Verschwörungstheoretikern gebracht. Genau wie die couragierten Lehrerinnen, Erzieherinnen und Mitarbeiterinnen von Kinderschutzorganisationen, die bei den ersten "Querdenken"-Demonstrationen in Stuttgart auftraten, als diese noch nicht von innen und von außen radikalisiert worden waren.
Medien wie die SZ sollten sich endlich der Frage stellen, warum diese warnenden Stimmen so lange so wenig Beachtung gefunden haben.
David Neumann, Stuttgart
Elternrechte missachtet
Fragen müssen sich die politisch Verantwortlichen, die ganze Gesellschaft, warum man/frau ausgerechnet die Schwächsten im Land in der Pandemie lange übersehen, ihnen ihre Rechte weggenommen hat. Den Kindern und anderen, die sich nicht selbst wehren können. Mädchen wie Jungs, gesunde wie kranke. Und dabei in Teilen Eltern quasi entmündigt, handlungsunfähig gemacht hat, ihre Erziehungskompetenz angezweifelt, ja missachtet hat.
Annette Gümbel-Rohrbach, München
Generationenkampf bringt nichts
Ich stimme Balbierers Aussage in "Danke für nichts" zu, dass in der Coronazeit junge Menschen eine große Last zu tragen hatten und haben. Das finde ich auch ungerecht. Aber pauschal die ältere Generation der Eltern und Großeltern zu verurteilen, weil sie nichts gegen die Klimakrise unternommen hat, halte ich für falsch. In der Klimakrise geht es nicht um einen Generationenkonflikt. Es geht um die lebensfeindliche Art des globalen Wirtschaftens, die fast ausschließlich auf Wachstum ausgerichtet ist. Wo der Gewinn weniger optimiert wird, Verluste sozialisiert und Menschen zu Verbrauchern reduziert werden.
Vielleicht ist meine Generation, die in den 1970ern groß geworden ist, nicht so lautstark gewesen wie die 68er. Aber wir haben uns politisch genauso engagiert gegen ungerechte Handelsabkommen, Raubbau an der Natur, Bewahrung der Schöpfung, Biolandwirtschaft. Wir haben Bioläden gegründet, für ein besseres Müllkonzept gekämpft, gegen Atomkraft, und wir haben die Grünen gegründet.
Wir wurden verlacht als "birkenstocktragende Gutmenschen". Hier einen Generationenkonflikt aufzubauen verkennt die Wirklichkeit. Auch jetzt sind es schätzungsweise maximal 20 Prozent der Bevölkerung, die nachhaltig etwas verändern will. Ich bin dankbar für die jungen Leute, die mit "Fridays for Future" auf die Straße gehen und unterstütze sie gerne.
Wir müssen gemeinsam stark werden gegen die Übermacht von Konzernen, Lobbyismus, der eigene Taschen füllen will, und einer Politik leerer Worte. Ein Generationenkampf ist sinnlos und lenkt ab von den eigentlichen Verursachern der Klimakrise.
Angelika Sterr, München
Es wird gut - auch für die Jugend
Tiefe und Tragweite des Corona-Öffnungsproblems zu reduzieren auf den Gegensatz von lustvollem Cappuccino-Genuss saturierter Bessergestellter und der Wiedererlangung psychischen Wohlergehens durch Bildung der Kinder und Jugendlichen, nimmt den Kern der Probleme nicht wirklich ernst. Es geht doch auch um die Berufsausübung von Hoteliers, Gastwirten, Händlern und dem Heer von Mitarbeitern, die in diesen Wirtschaftsbereichen Arbeit und Lebensunterhalt finden, für sich und für ihre Kinder.
Bestimmt ist es für Kinder und Heranwachsende eine traurige und niederdrückende Erfahrung, von Gleichaltrigen weitgehend isoliert die Tage verbringen zu müssen, das aber war ja auch Ziel der Maßnahmen: Schutz vor Ansteckung und Eindämmung der Krankheit. Das Leid der Kinder ist sicherlich noch gewachsen, wenn sie in der Enge der Wohnungen die Verzweiflung vieler Eltern miterleben mussten, die oft ohne erkennbare Perspektive und verunsichert von den veröffentlichten und oft verwirrenden Corona-Diskussionen den Alltag gestalten sollten.
Für alle war und ist es immer eine neue, unbekannte Herausforderung, und vieles wird durchaus erfolgreich und achtbar gemeistert. Es ist daher eine verkürzte Darstellung, die Kinder und Jugendlichen seien von den Verantwortlichen vergessen worden. Es ist doch noch in Erinnerung, dass zu Anfang der Pandemie Schulen, Lehrerinnen, Bildungsbehörden aus dem Stand Möglichkeiten geschaffen haben, Schule und Bildung gewaltig umzugestalten, digitale Wege gesucht und gefunden haben, Schulkindern einen neuen Zugang zu Bildung zu bieten. Das hat nicht alles problemlos geklappt, aber vergessen hat sie niemand!
Schon einmal gab es zu meinen Lebzeiten eine "vergessene Generation", die Kinder, die im Krieg und in der unmittelbaren Nachkriegszeit mit Hunger, Wohnungsnot, Armut und Trauer aufwachsen mussten, ich gehöre ihr an und bin, wenn ich bilanziere, nicht unzufrieden. Wir können also hoffen, dass es auch dieses Mal wieder gut wird.
Christoph Berger, Hamburg