Katholische Kirche:Zeitenwende statt Stillstand

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(Foto: Michael Holtschulte (Illustration))

Der Synodale Weg und sein Reformbegehren zeigen den starken Wunsch vieler Gläubiger nach Veränderung. Der Frust über die Hemmnisse und die Verwässerung der Forderungen ist bei manchem SZ-Leser groß.

"Millimeter für Millimeter vorwärts" vom 13. März, "Das Lazarett" vom 11./12. März, "Wie viel Reform wagt die katholische Kirche in Deutschland?" vom 9. März, "Revolution von unten" vom 4./5. März:

Konfessionelle Wiedervereinigung

Vor 500 Jahren ging von Deutschland die Reformation und somit die westeuropäische Kirchenspaltung aus. Die katholische Kirche ist bei uns und in Rom in Bewegung geraten und die beidseitigen Kirchenaustritte nehmen in erschreckendem Ausmaß zu. In Deutschland muss nach der politischen nun auch die kirchliche Wiedervereinigung beginnen. Die christlichen Kirchen sind heute weltweit mehr denn je gefordert, Frieden, Versöhnung und Nächstenliebe nicht nur zu predigen, sondern auch zu praktizieren. Theologische Unterschiede müssen überwindbar sein. Das heißt nicht, dass lieb gewordene Eigenheiten und Traditionen aufgegeben werden müssen. Mit zahlreichen Freunden und Verwandten beider Konfessionen bin ich zusammen zu Abendmahl und Kommunion gegangen, ohne nach dem Taufschein gefragt zu werden - ein Anfang. Ein gemeinsamer Weg mit mehreren Fahrspuren führt zur konfessionellen Wiedervereinigung.

Walter Hof, Haar

Veränderung auf Weltebene wäre wichtig

Der Synodale Weg in Deutschland hat trotz wiederholter Bremsversuche deutscher Bischöfe und auch des Vatikans seine Feuertaufe bestanden. Bei allen Enttäuschungen über mangelnde konkrete Ergebnisse und echtes Umdenken ist der Synodale Weg ein weltweit beispielhafter Prozess, der weitergehen muss und weiterwirken wird. Die von manchen kritisierte kirchenrechtliche Unverbindlichkeit hat sich als Chance erwiesen, mit wissenschaftlicher und pastoraler Kompetenz Lösungswege für die dringend notwendigen Reformen zu erarbeiten, die bereits seit Jahrzehnten auf der kirchlichen Agenda stehen: Macht-, Priester-, Frauenfrage und Sexualmoral.

Die großen Spannungen innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz haben aber bei fast allen Themen zukunftsfähige Beschlüsse verhindert und zu teils sehr verwässerten Kompromissen geführt. Die Verweigerungshaltung mancher Bischöfe war unverantwortlich. Deutlich wurden die großen Hemmnisse: die hierarchische Verfassung der römisch-katholischen Weltkirche. Hier sind dringend Veränderungen auf Weltebene erforderlich, wenn Synodalität nicht zur Farce werden soll.

Der Synodale Ausschuss bedeutet eine neue Qualität für das Miteinander von Kirchenvolk und Kirchenleitung. Es könnte eine Zeitenwende für eine wirklich synodale Kirche werden. Wenn die katholische Kirche in Deutschland nicht weiter rapide Mitglieder und damit natürlich auch gesamtgesellschaftliche Bedeutung verlieren will, müssen die kirchlichen Missstände behoben werden, die im krassen Widerspruch zur christlichen Botschaft stehen. Die Aufarbeitung sexualisierter und geistlicher Gewalt in der Kirche bleibt eine Herkulesaufgabe.

Christian Weisner, Dachau, "Wir sind Kirche"

Es ändert sich nichts

Bis herauf in diese Tage schafft es die katholische Christenheit nicht, die Missbrauchsverbrechen etlicher ihrer Priester umfassend offenzulegen oder gar zu verhindern. Seit der sogenannten Pillenenzyklika (Papst Paul VI.,1968) ist sie in den entscheidenden sexualethischen Diskursen (Empfängnisverhütung, Zölibat, Verheiratung Geschiedener, Fortpflanzungsgebot) keinen Schritt vorangekommen.

Alle zehn Jahre eine "Revolution von unten", der über kurz oder lang Hemmung und Resignation folgt. Seit 50 Jahren diskutieren wir über verfehlte Sexualmoral, über mehr Mitbestimmung von Frauen und Zugang zum Priesteramt in der katholischen Kirche. Aber es ändert sich nichts. Vielleicht verstehe ich das vatikanische System zu wenig, als dass ich mich mit meinem Gefühl von Wahrheit und Gerechtigkeit da einmischen dürfte.

Heiner Weniger, Nürnberg

Abziehbild der Monarchie

Die Kirche in Rom ist krankhaft verschlossen und vergisst ihre eigentliche Aufgabe: Orientierung geben für unterschiedliche Menschen in einer sich rasant ändernden Gesellschaft. Stattdessen klammert sie sich an längst überholte Traditionen ihres hierarchischen Machtgefüges, die sie - mit Blick auf ihre Gläubigen in anderen Gesellschaften - für adäquater hält als Mitbestimmung oder Frauenemanzipation, vielleicht sogar für systemrelevant.

Die Herrschaftsstruktur der römisch-katholischen Kirche ist historisch begründet - ein Abziehbild der Monarchie. Im Gegensatz zur anthropomorphen Götterwelt der griechischen Demokratie hat der Monotheismus des vorderen Orients ein idealistisches Fake-Wesen entwickelt, ausgestattet mit Allwissenheit und Allmacht. Dieses religiöse Herrscherbild im Himmel ist auf Erden dem unkontrollierten Despotismus zentralistischer Gewalt nur allzu ähnlich: Widerspruch wird nicht geduldet. Vor allem in Rom gilt Insubordination transalpiner Theologen als Sünde, wie wir seit der Causa Hans Küng (Uni Tübingen) wissen. So erwartet der Vatikan konsequent auch von Bischöfen des Synodalen Wegs, dass sie sich subordinieren.

Der Monotheismus setzt dem realen menschlichen Gezänk um Gut und Böse, dem zeitraubenden Streit um Recht und Macht ein irreales Idealbild von Harmonie entgegen. Das absolut Gute gibt es im wirklichen Leben nicht, aber nach dem Tod im Paradies. Das Ideal der Harmonie ist ein Sehnen nach Erlösung von den allgegenwärtigen Übeln; manchmal, wie beim Synodalen Weg, passives Wunschgebet. Diese Konstruktion für archaische Gesellschaften aus Schriftgelehrten und Ungebildeten ist seit der europäischen Aufklärung obsolet und liegt dem Stellvertreter des Allmächtigen jetzt im Weg. Sie reicht nur für eine Herde Schafe, die dem "guten Hirten" gedankenlos hinterherläuft; nicht für eine Gesellschaft, die aus den Beratungen über den Widerspruch ihre Weisheit bezieht, auch nicht für eine aufgeklärte Spezies, die dem kategorischen Imperativ Immanuel Kants folgt.

Dr. Dietrich W. Schmidt, Stuttgart

Anpassung an das moderne Leben

Angesichts der Lage der katholischen Kirche weltweit ist es nicht zu glauben, dass die Vorschläge der deutschen Synode, speziell zu berechtigten Belangen der Frauen, immer noch per Dekret abgeschmettert werden, nach der Devise: "basta". Auch deshalb verzweifelt die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp. Beim Frauenthema brauche man eine "Eselsgeduld". Ihre Mitstreiterin, Katharina Ganz, die nach eigener Aussage die Berufung zur Priesterin spürt, braucht nach meiner Einschätzung eine Engelsgeduld dafür, dass ihr Wunsch erfüllt wird. Die Glaubenswächter in der vatikanischen Festung verhindern dringend notwendige Veränderungen kirchlicher Institutionen und der Glaubenspraxis.

Das II. Vatikanische Konzil war dominiert, auch auf Wunsch von Papst Johannes XXIII., vom Aggiornamento, also dem Versuch, die katholische Kirche und ihre Lehre an die Verhältnisse des modernen Lebens anzupassen. Auch heute wäre ein Aggiornamento nötig, um den Abwanderungsprozess der Katholiken aus der Kirche zu stoppen. Die deutsche Synode, speziell der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Georg Bätzing, braucht mehr Rückhalt der Gläubigen und Verstärkung von Synoden aus aller Welt. Nur so kann ein Umdenken gelingen, wobei die Bastion in Rom hoffentlich an Einfluss verliert.

Theodor Kreutzmann, Haren

Neues Konzil ist nötig

Der Synodale Weg spricht für 24 Millionen Katholiken, von denen vielleicht noch 20 Prozent aktiv teilnehmen. Die katholische Weltkirche hat 1,4 Milliarden Katholiken, vorwiegend in Afrika und Lateinamerika, die sich bewusst gegen diverse evangelikale Kirchen abgrenzen. Wenn der Synodale Weg Änderungen will, soll er den Papst drängen, ein neues Konzil einzuberufen. Regenbogenfahnen an den Kirchen bringen nichts.

Josef Albert Slominski, Steinfeld

Die Sehnsucht der Menschen

Der Berufswunsch Papst ist relativ selten. Einige Mädchen hätten ihn vielleicht, aber ihnen fehlt ein Merkmal, ihre geistige Qualifikation wird gar nicht erst geprüft. Die Motivation für eine gute Amtsausübung war wohl eher nie entscheidend: Der charismatischste Papst der letzten 60 Jahre war Johannes XXIII., der eigentlich gar nicht Papst werden sollte, weil er schon zu alt war. Er vermochte aber Großartiges. Er ging auf die Menschen zu, verstand die Großen und Kleinen und rief ein historisches Vatikanisches Konzil II ins Leben.

Zehn Jahre hoffte die Welt auf ein Zeichen von Franziskus. Jedes kleine Wörtchen, das Richtung Reform zeigte, wurde aufgegriffen und überhöht, aber auf angedeutete Wörtchen folgte nicht das große, wichtige Wort. So bleibt von Franziskus bisher nur sein Nichtwohnen in bombastischen Palästen, sein Tragen ausgetretener Schuhe, sein Weiß-Sein in unfürstlichen Gewändern und jener halbe Satz, mit dem er versuchte, die homosexuelle Welt zu verstehen. Reicht das für eine zehnjährige Regentschaft als Papst? Braucht die katholische Kirche nicht einen handelnden, einen mutigen Papst, einen, der zumindest eines der großen kirchlichen Probleme zu lösen bereit ist? Die Sehnsucht der Menschen nach Reformen wäre da, doch der Papst, der diese Sehnsucht erfüllen will, ist in weiter Ferne. Die Jahre gehen dahin und die Menschen aus der Kirche raus, weil sie sich nicht verstanden fühlen.

Dr. Gisela Forster, Berg

Hat Jesus Männer lieber?

Kirchenrevolution von unten: Mehr Mitbestimmung, Gleichberechtigung und Zugang zum Priesteramt für Frauen fordert der Synodale Weg. Reaktion von oben: Nein! Jesus war ein Mann, deshalb: nur Männer als Priester! Ich wünsche den Priestern Familie und Kinder. Vielleicht eine kleine Tochter, die Papa fragt: "Hat Jesus denn mehr die Männer lieb? Ich will doch auch Priester werden und dann Päpstin."

Harald Dupont, Ettringen

Sünde wider den Heiligen Geist

Wir feiern Ostern, das höchste Fest der Christenheit: Der Ostermorgen ist die Stunde der Frauen in allen vier Evangelien. Sie erhalten als Erste den Auftrag, den Menschen von der Auferstehung zu berichten. Doch leider ist es in der katholischen Kirche immer noch so, dass das Kirchenrecht über dem Evangelium steht. Rom möchte ich ins Stammbuch schreiben: Wer Menschen aufgrund ihres Geschlechtes benachteiligt, sündigt wider den Heiligen Geist. Und diese Sünde wird nicht vergeben. (Mk 3,29; Mt 12, 31-32)

Benedikta Klinkhammer, Dahlem

Hinweis der Redaktion: Im letzten Leserbrief, "Sünde wider den Heiligen Geist", standen in einer früheren Textfassung die Sätze "Wer Menschen aufgrund ihres Geschlechtes benachteiligt, sündigt wider den Heiligen Geist. Und diese Sünde wird nicht vergeben" in Anführungszeichen und konnten als wörtliche Bibelzitate verstanden werden. Das sind sie nicht, sie stellen eine sinngemäße Auslegung dar. Wir haben das entsprechend korrigiert.

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