Süddeutsche Zeitung

Generation Z:Weniger Arbeit muss man sich leisten können

Die junge Generation stößt mit ihrer Idee von Work-Life-Balance bei SZ-Lesern auf Unverständnis und Sorge. Andere kritisieren, dass der Begriff hochstilisiert sei, da er nur auf einen kleinen Teil der jungen Leute passt.

"Lasst sie doch faul sein" vom 14. März, "Faul? Von wegen!" vom 11./12. März:

Suche nach anderen Möglichkeiten

Es ist doch ein Zeichen von Solidarität, dass sich die Alten, Väter und Mütter sowie Großväter und-mütter kaputtgearbeitet haben, um der Folgegeneration die Möglichkeit zu geben, nur vier Tage zu arbeiten und keine Überstunden mehr zu machen. Die Feststellung "Diese radikale Haltung der Generation Z wird in Zukunft vermehrt zu Konflikten innerhalb von Unternehmen führen" wird die Unternehmen dazu bringen, nach anderen Möglichkeiten wie künstliche Intelligenz (KI) oder in anderen Ländern Ausschau zu halten. Projektarbeit oder Produktion (siehe VW, BMW, um nur einige Beispiele aufzuzeichnen) kann man auch von Chinesen, Vietnamesen oder anderen, die nicht auf Work-Life-Balance pochen, erfolgreich zum Abschluss bringen.

Helmut Schuessler, Augsburg

Es gibt auch andere

Was mir in Beiträgen dazu immer wieder auffällt, ist, wie wenig junge Menschen beachtet werden, die nicht der Mittelschicht angehören, nicht studiert haben und auch nicht mit einer Erbschaft rechnen können. Friseurinnen, Paketboten, Mitarbeiterinnen im Einzelhandel, Erzieherinnen oder Pflegende denken wohl kaum darüber nach, ob sie lieber 25, 35 oder 40 Stunden arbeiten. Auch gibt es viele junge Menschen, die ihre Herkunftsfamilie unterstützen und für diese Verantwortung übernehmen - und nicht umgekehrt. Oder die Bafög-Schulden abbezahlen müssen. Davon habe ich viele getroffen - meist beruflich. Denn privat verkehre ich (Jahrgang 1966) meist, aber nicht ausschließlich, in akademisch gebildeten Kreisen, deren Kinder in der Regel bereits halb Europa, wenn nicht gleich mehrere Kontinente bereist haben. Junge Menschen, die nicht nur auf Rosen gebettet waren, aber trotzdem ihren Weg finden konnten, kommen mir im Vergleich zu ihnen oft resilienter, flexibler und verantwortungsvoller vor. Vielleicht ist das ein sehr subjektiver Eindruck, nicht frei von Klischees. Aber ich habe noch nie einen 16-jährigen Jungen aus der Mittelschicht gesehen, der mit seinem Freund seinen zweijährigen Bruder aus der Kita abholt, weil seine Mutter noch arbeiten (in diesem Fall putzen) geht. Und der daran Freude hat - ohne Karrierepunkte zu sammeln. Das ist, wie ich Ihnen versichern kann, kein Einzelfall. Auch das ist Generation Z.

Stefanie Franz, Köln

Schöngeredeter Egozentrismus

Ganz ehrlich? Hier wird etwas schöngeredet und einer Generation zugeschrieben, obwohl es schlicht eine Entwicklungsstufe im Leben ist. Auch unsere Boomer-Generation hatte schon keine Lust, "für die Rente, die eh nicht sicher ist", zu arbeiten. Man will sich halt "orientieren".

Was mir an der Generation Z fehlt, und was auch immer zum Streit mit meinem Neffen, 26, führt, ist, dass sie es vollkommen ausschließen, mal regelmäßig zu arbeiten und das Renten- und Sozialsystem solidarisch zu unterstützen und ein selbständig eigenfinanziertes Leben zu führen. Statt auf Eltern und Großeltern zu schauen, deren letztliche Akzeptanz des Sozialsystems ja erst das schöne Leben der Generation Z ermöglicht, halten sie ebendiesen vor, "die Zukunft der jungen Leute zu verbauen".

Hier sollte die SZ mal erklärend eingreifen und nicht den Status quo schönreden, unter dem Narrativ, "die junge Generation zu verstehen". Wenn diese Menschen erst mit 28 oder 30 beginnen, sich nach Verdienstmöglichkeiten umzuschauen, sind sie bereits gesundheitlich durch beginnendes Alter vorgeschädigt und überlasten das System, ohne je gegengeleistet zu haben. Dieser prokrastinierende Egozentrismus wird letztlich in der kompletten Privatisierung des Staates enden. Dann wird das Klima nicht mehr zu retten sein, da kein Privatunternehmen ohne Einnahmen auf Kosten der Umwelt leben kann und will.

Wolfgang Molinari, Kiefersfelden

Von nichts kommt nichts

Die Generation Z handelt blauäugig im Sinne der Work-Life-Balance-Philosophie. Der aktuelle Wohlstand unseres Wohlfahrtsstaates basiert zum Großteil auf dem Kapitalstock, den die Boomer-Generation über Jahrzehnte aufgebaut hat, mit Leistungsdenken und einem Arbeitsethos, der aus sich selbst heraus positiv motiviert war. Nach dem Motto: Von nichts kommt nichts. Kalkuliert mäßiger Einsatz bei Arbeit und Leistung wird nicht ausreichen, um Ansprüche an Schule, Studium, Rente, Gesundheitswesen oder Pflege aufrechtzuerhalten oder gar zu verbessern.

Bei mehr als 55 Prozent Staatsquote hat der Abschöpfungs- und Verteilungsspielraum durch höhere Besteuerung oder Sozialabgaben seine Grenze erreicht - ohne Abwanderung als negative Folge in Kauf zu nehmen. Die junge Generation "gemütlich" denkt kurzfristig - auch in Bezug auf mögliche Brüche der Geschichte mit Auswirkungen auf jeden einzelnen wie: Krieg, Finanzkrise, Pandemien, lokale Naturkatastrophen und so weiter. Wer in der Jugend nicht in angestrebtem Erfolg, positiver Lebensplanung durch Leistung und Anstrengung denkt, wird es später oder im Alter schwer haben, unter äußerem Druck durch Wohlstandsbrüche klarzukommen. Ein weiterer Punkt ist, dass Ziele, Anstrengung, Leistung, Erfolg aus sich selbst heraus positive Faktoren des menschlichen Lebens und der Persönlichkeitsentwicklung sind und besser zur Bewältigung eines hoffentlich langen Lebens beitragen können als der Gedanke, schon nach dem Studium oder in jungen Jahren ein Grenzanbieter mit gemütlicher Arbeits- und Freizeitperspektive zu werden. Ein Erbe ist schnell aufgezehrt, eine persönlich eingeschliffene Gewohnheit an Anspruch mit wenig Einsatz ist schwierig zu ändern, und die Rückzahlung der Staatsschulden, die Stabilisierung des Rentensystems, die Kosten der Klimaziele und die Beherrschung der Demografie und Pflegebedürftigkeit der Boomer und künftiger Generationen werden Einsatz von der Generation Z notwendig machen, der bei den meisten unbekannt oder nicht vorstellbar ist.

Wie bei den aktuell defizitären Bildungsergebnissen in allen Schul- und Studienarten im internationalen Wettbewerb die Generation Work-Life-Balance im Ernst des Lebens bestehen will, ist mehr als fraglich. In erster Linie ist arbeiten ein Mittel, um eigenverantwortlich für sich Geld zu verdienen und nicht um "Spaß zu haben". Wenn das Glück bei wenigen sich einstellt, einen erfüllenden, angenehmen Beruf zu finden, ist es eine Draufgabe, die aber im ursprünglichen Sinne eines Erwerbslebens nicht vielen zuteilwird.

Christian Günthör, Döhlau

Debatte um Verzicht auf Konsum wäre wichtig

Ich frage mich, wer sich dieses Verhalten, das da beschrieben wird, leisten kann. Das dürften zum einen diejenigen sein, die sich die reduzierte Arbeitszeit und das dadurch reduzierte Einkommen durch Verzicht ermöglichen, Verzicht auf Kinder und/oder Konsum. Diese Gruppe hat, unabhängig von ihrem Alter, meinen vollen Respekt. Zum anderen werden es diejenigen sein, die sich das leisten können, weil ihnen Papa und Mama schon mit Ende zwanzig das Eigenheim finanziert haben oder doch zumindest als Unterstützung und Absicherung im Hintergrund sind. Das sind dann wohl diejenigen, die trotz guter Ausbildung und Einsicht in ökonomische und ökologische Zusammenhänge große Sünder hinsichtlich Nachhaltigkeit und Ressourcenverbrauch sind.

Beide Gruppen können ökonomisch aber kaum so relevant sein, dass sie wochenlang in der SZ besungen werden. Der größere Teil dieser Generation sucht nach einem besser bezahlten oder einem zusätzlichen Job, um die Ausgaben der Familie zu stemmen, oder Unterstützung im Bürgergeld. Insofern scheint mir diese Debatte eine Geisterdebatte zu sein, in der Blase, in der sich die meisten befinden, die zur veröffentlichten Meinung beitragen. Das wäre nicht tragisch, wenn dies nicht von den wahren Problemen - Armut, soziale und ökonomische Ungleichheit, Folgen des Klimawandels und Ressourcenverschwendung - ablenken würde.

Wir brauchen Menschen, die auf einen Teil ihres Konsum dauerhaft verzichten und sich bewusst einschränken. Diese sollen dann gerne weniger arbeiten und diese Arbeit zusammen mit den Aufgaben in der Familie gerecht aufteilen können. Diese Debatte müsste geführt werden und nicht eine über die Generation "Pampers bis in die Lebensmitte".

Wolfgang Felden, Essen

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SZ/cb/wüll
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