Öl- und Gasheizungen:Minister Habeck bringt viel Druck ins System

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Wir müssen ab 2024 draußen bleiben - alte Gastherme (Foto: Tom Soyer/OH)

Um die Klimaschutzziele zu erreichen, setzt der Wirtschaftsminister auf klimafreundliche Heizungen. SZ-Leserinnen und -Leser haben Fragen und zeigen Alternativen auf.

"Ampel streitet um Öl- und Gasheizungen" und "Das muss man sich erst mal leisten können", beide vom 1. März:

Überstürzt und teuer

Seit Minister Habeck angekündigt hat, ab 2024 den Einbau neuer Gas- oder Ölheizungen zu verbieten, grübeln viele Eigentümer von Mehrfamilienhäusern und Wohneigentümergemeinschaften, wie die nötige klimafreundliche Umrüstung der Heizungen technisch realisiert werden soll. Für Habeck scheint die Welt nur aus Neubauten und aus Ein- oder Zweifamilienhäusern zu bestehen - Letztere irgendwo auf dem Lande oder am Stadtrand. Die Technik der Wärmepumpen steht für diesen Haustyp ja ausgereift zur Verfügung.

Ich wünschte mir, der Minister würde uns erklären, wie er sich die klimaverträgliche Umrüstung der Heizungen und der Warmwasseraufbereitung in Stadtzentren vorstellt: überwiegend Mehrfamilienhäuser mit zehn, zwölf oder mehr Wohnungen und einer erforderlichen Heizleistung für 1000 oder mehr Quadratmeter; gut zur Hälfte Altbau; eng aneinandergebaut ohne Platz für die Lagerung von Bioheizstoffen; ohne die Möglichkeit von Tiefbohrungen für leistungsstarke Erdwärmepumpen; ohne Platz für Luftwärmepumpen in der erforderlichen Dimension, die vermutlich sowieso an die Grenzen der zulässigen Lärmemissionen stoßen würden.

Das sind nur einige der Schwierigkeiten, über die sich seit der Ankündigung Habecks viele Menschen in den verdichteten Großstadtquartieren den Kopf zerbrechen, während der Minister alle Probleme mit Beispielen von Einfamilienhäusern verniedlicht. Ich habe keinen Zweifel daran, dass auch die Entwicklung von Wärmepumpen weitergeht und die oben beschriebenen Probleme und Effizienzdefizite überwunden werden können. Aber dazu braucht es andere Übergangsfristen, also noch ein bisschen mehr Zeit.

Ingeborg Stehr, Berlin

Umweltfreundliche Wärmepumpe?

Wärmepumpe statt fossile Brennstoffe! "Echt" umweltfreundlich? Durch schleppenden Ausbau regenerativer Energie wird weiterhin auch Strom für E-Autos und Wärmepumpen mit Gas, Kohle oder in AKWs erzeugt. Im Treibmittel der meisten Wärmepumpen findet man per- und polyfluorierte Chemikalien (PFAS). Wann gibt es für diese "Ewigkeits-Chemikalien" ein Register, Grenzwerte, als Sondermüll ein schlüssiges Entsorgungskonzept und eine Regulierung? Ist Recycling überhaupt möglich oder benötigt man ein "Endlager"? Wann gibt die Ampel grünes Licht für eine Klärung dieser Risiken für Gesundheit und Umwelt?

Rolf Sintram, Lübeck

Operative Hektik

Es gibt viele Wohnungen mit Gas-Etagenheizungen. Wenn zum Beispiel 2025 ein derartiges Gerät kaputt geht - was passiert dann? Typischerweise fallen Fernwärme, Pellet-Heizung oder Wärmepumpe bautechnisch aus. Weiteres Problem: Eine Gasheizung verbrennt das Gas vor Ort. Wenn der Strom für eine Wärmepumpe zum Beispiel bei Dunkelflaute aus Gaskraftwerken generiert wird, ist das nicht nur ein Nullsummenspiel, denn der Stromtransport hat bis zu 30 Prozent Verlust der Primärenergie zur Folge. Dem Klima ist mit operativer Hektik nicht geholfen, sondern mit durchdachten Konzepten.

Christopher Bodirsky, Hannover

Holz ist keine Lösung

Das geplante Aus für Gas- und Ölheizungen ab 2024 ist umweltpolitisch nur dann sinnvoll, wenn es genügend alternative, umweltfreundlichere Möglichkeiten gibt, Heizungsanlagen zu betreiben. Holzfeuerungsanlagen gehören definitiv nicht dazu, auch wenn die Holzindustrie es sehr gut verstanden hat, solche Anlagen als klimaneutral zu präsentieren. Wenn man bedenkt, dass ein Baum circa 80 Jahre wachsen muss, bis er jährlich circa 12,5 Kilogramm CO2 aufnehmen kann, weiß man, dass es bei zunehmender Holzverfeuerung unmöglich ist, so viele Bäume neu zu pflanzen, wie es nötig wäre, um mit Holz klimaneutral zu heizen.

Der erhöhte Holzbedarf führt schon jetzt zu kriminellen Machenschaften, die den Bestand der Wälder massiv gefährden. Das kann nicht im Sinn der Bevölkerung sein, und ich hoffe, dass die Abstimmungen in der Regierung zum Gesetzentwurf "Heizungen" zu realistischen, umweltverträglichen Lösungen führen werden. Es wird nicht genügen, darauf zu verweisen, dass 60 Prozent der Haushalte in Norwegen eine strombetriebene Wärmepumpe besitzen, ohne gleichzeitig zu sagen, dass der Strom in Norwegen nur ein Zehntel dessen kostet wie in Deutschland. Auch in Frankreich boomen die Wärmepumpen, aber auch hier kostet der Strom nur die Hälfte.

Rudolf Preßer, Paderborn

So sähe kluge Umweltpolitik aus

Wenn ab 2024 nur noch solche Heizungsanlagen neu eingebaut werden dürfen, deren Energie zu 65 Prozent aus erneuerbaren Quellen stammt, werden viele scharf rechnende Eigentümer ihre alten Anlagen so lange wie irgend möglich am Laufen halten. Das müssten sie ohnehin, da die Handwerker gar nicht in der Lage wären, die erforderliche Zahl von Wärmepumpenheizungen zu installieren. Auch die Bundesregierung könnte über diese Verzögerung froh sein, denn solange die Erzeugung von erneuerbarem Strom nicht massiv gestiegen ist, müssten viele neue Wärmepumpen (und E-Autos) mit fossilem, vielleicht sogar mit Kohle-Strom versorgt werden.

Kluge Umweltpolitik sähe anders aus. Sie würde zunächst durch Abbau von bürokratischen Hemmnissen und durch steuerliche Erleichterungen von Klimainvestitionen für einen neuen Boom bei Windrädern sorgen, Stromtrassen im Eiltempo bauen lassen und ausreichend Vorsorge für den Ausgleich der Schwankungen in der Energieerzeugung treffen. Die Gaspreise andererseits werden ganz von alleine relativ hoch bleiben und vor allem durch die CO2-Bepreisung kontinuierlich steigen. Dies würde zusammen mit dem rasch steigenden Angebot an preiswertem CO2-freien Strom dafür sorgen, dass sich Investitionen in neue Wärmepumpenheizungen immer schneller amortisieren. Private Hauseigentümer müssten gar nicht mehr mit Verboten traktiert werden, sondern würden die nötigen Investitionen freiwillig vornehmen. Selbst Vermieter kann man zu klimafreundlichen Investitionen motivieren, wenn man ihnen erlaubt, pro Jahr einen angemessenen Teil der Kosten auf die Mieten umzulegen.

Das alles würde den Staatshaushalt schonen und wäre, weil die Privatwirtschaft kräftig mitverdienen dürfte, auch mit der FDP zu machen. Ich hatte eigentlich gedacht, dass dies der "historische Kompromiss" der Ampelparteien sein würde und bin nun einigermaßen entsetzt darüber, dass die Diskussion doch wieder entlang der alten Gräben zu verlaufen scheint. Hoffentlich werden die Beteiligten sich noch rechtzeitig eines Besseren besinnen, bevor ihr reformerischer Impetus vollends im Morast des Koalitionsgezänks stecken bleibt.

Axel Lehmann, München

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