Galeria:Geschäfte zulasten der Beschäftigten

Galeria: Alles muss raus.

Alles muss raus.

(Foto: Michele Tantussi/Reuters)

War die zweite Insolvenz des Kaufhaus-Kette abzusehen? Manch einer sieht die Schuld beim Management.

"Wir sind hier alle in Tränen ausgebrochen" vom 18. März, "Der Mann hinter dem Kahlschlag" vom 16. März, "Kahlschlag bei Galeria" und "Galeria schließt 52 weitere Filialen" vom 14. März, "Schwarze Löcher in der City" vom 25. Februar:

In die falschen Hände

So funktioniert der Kapitalismus. War Galeria Kaufhof nach der ersten Insolvenz 2020 vermeintlich saniert, so ist das Unternehmen 2023 erneut überschuldet, trotz mehrerer staatlicher, unbesicherter Nachrangdarlehen in Höhe von 650 Millionen Euro. Womöglich sind diese Mittel über Österreich direkt nach Panama weitergereicht worden. Hätte die Bundesregierung das Geld an die noch verbliebenen 15 000 Beschäftigten direkt ausgeschüttet, so hätten diese sicher was Sinnvolles mit den mehr als 40 000 Euro pro Person anfangen können. So gibt es jetzt einen Sozialplan mit einer maximalen Abfindungssumme von 7500 Euro pro Person, und wenn der Insolvenzverwalter jetzt noch "Massearmut" anzeigt, so kann die Auszahlung des Betrags auf die nächsten 30 Jahre gestreckt werden.

Der Arbeitsminister verspricht jetzt auch die Finanzierung einer Transfergesellschaft für die gekündigten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Hoffentlich ist er so schlau, die Mittel - es dürften mindestens zehn Millionen Euro sein - nicht in die Hände von Generalbevollmächtigten und Sachwaltern zu geben, sonst könnte es passieren, dass die Mittel für andere Zwecke verwandt werden.

Peter Balluff, Vöhl

Auch langfristig lebensfähig

Es ist viel Zeit verplempert worden. In der Zeit vor 2020 befasste sich Galeria Kaufhof Karstadt mit dem Relaunch: "Alles unter einem Dach". Die neue strategische Ausrichtung sollte unter anderem in die Untervermietung von Fläche à la Shop in Shop und erweiterten Dienstleistungen zur Kundenbindung entwickelt werden. Wurde nichts. Somit war die erste Insolvenz programmiert. Die Konsequenzen sind bekannt: Schließung von Konsumtempeln. Anzurechnen ist dies der damaligen Geschäftsführung samt Insolvenzverwalter und vor allem der Benko Holding. Ein ehrbares Kaufmannsverhalten sieht anders aus.

Jetzt folgt der zweite Streich mit der aktuellen Insolvenz unter Eigenverwaltung. Es ist nur zu hoffen, dass "alle" gelernt haben, wie es im heutigen Handelsgeschehen läuft. Beispiele gibt es genug. Um daraus Schlüsse für die wenigen Immobilien ziehen. Denn nach wie vor ist ein Warenhaus in zentraler Lage lebensfähig und somit betriebswirtschaftlich rechenbar - auch langfristig.

Hans Pütz, Ingolstadt

Mehr Charme im Internet

Michael Kläsgen beschreibt am Standort Nürnberg die dramatische Situation von Galeria stellvertretend für sämtliche Innenstädte. Er spricht von schwarzen Löchern in der City. Wobei es sich wohl mehr um größere Krater handelt. Kaufhäuser haben längst ihren früheren Stellenwert verloren. Die klassischen Kaufhausartikel werden heute beim Discounter auf der grünen Wiese gekauft. Zudem bestehen die Innenstädte meist aus Filialisten, die man überall findet. Das Internet hat nach meiner Ansicht für den Verbraucher fast mehr Charme als Fußgängerzonen oder nicht mehr zeitgemäße Kaufhäuser. In der baden-württembergischen Kreisstadt Göppingen mit rund 50 000 Einwohnern eröffnete zum Jahresende 2022 ein Einkaufscenter. Nur knapp die Hälfte aller geplanten Geschäfte waren bei der Eröffnung belegt. Dieses Beispiel verdeutlicht den Trend vom stationären Handel in den Innenstädten. Citymanager und Wirtschaftsförderer stehen vor einer Herausforderung.

Das Ende der Kaufhauskette war absehbar. Nur der Zeitpunkt war nicht bekannt. Es stellt sich die Frage, weshalb die Bundesregierung in den letzten Jahren noch Millionen zur Rettung buchstäblich in den Sand gesetzt hat. Aber mit dem Umgang von Steuergeldern haben sie sich schon immer schwer getan. Bleibt zu hoffen, dass ein Großteil der Galeria-Beschäftigten eine Perspektive findet.

Stefan Herb, Roding

Insolvenz und maximale Rendite

Es ist doch kein Wunder, dass das Galeria-Management keine schwarzen Zahlen schreibt: Fast jeden zweiten Tag wirbt das Kaufhaus mit Produkten - vom Kühlschrank bis zur hochwertigen Pfanne - zu extrem niedrigen Preisen. Mit häufig bis zu 50 Prozent Rabatt. Wie will denn da ein Unternehmen Gewinn machen und überleben, wenn es alle Produkte verschleudert. Es sieht nicht nur so aus, als ob Galeria-Betreiber René Benko nur an lukrativen Grundstücken interessiert ist und die Häuser schließt, um die Grundstücke zu erwerben, wenn er sie nicht sowieso schon innehat und die Immobilien an Galeria vermietet. Was kann man wohl alles aus dem Superstandort des Galeria-Hauses am Münchner Hauptbahnhof, das überraschenderweise geschlossen wird, machen, um richtig Geld zu scheffeln. Benko hat schon mehrfach vorgeführt, wie das geht. Mit Galeria am Stachus, das schon geschlossen ist, hat es nicht geklappt, weil die Eigentümer offensichtlich nicht mitgespielt haben.

Die Insolvenz mit den laufenden Sanierungsaktivitäten ist kein Schicksalsschlag in der gegenwärtigen Krisenzeit, sondern hausgemacht, um maximale Renditen zu erzielen. Die Galeria-Mitarbeiter und -Mitarbeiterinnen können einem leidtun.

Dr. Michael Juhl, Seefeld

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