Süddeutsche Zeitung

Energiegewinnung:Ärger über Söders Fracking-Forderung

Während sich viele über die Unverfrorenheit des bayerischen Ministerpräsidenten aufregen, alles Riskante und Unschöne dem Norden aufzubürden, beklagen sich andere über die Versäumnisse der CSU.

"Söder fordert Fracking im Norden" vom 30./31. Juli, "Zwei Männer, eine Botschaft" vom 5. August:

Als Kümmerer im Gespräch

Die beiden neuen Kampagnen von Markus Söder, Atomstrom als Energiequelle in Anspruch zu nehmen und jetzt auch noch, Gasgewinnung durch Fracking zuzulassen, aber bitte im Norden, kann ich nur verärgert zur Kenntnis nehmen. Es klingt nett, wenn Söder sagt, dass sich sicher umweltverträgliche Methoden dieser Gasförderung finden lassen. Klar, dass die Öl- und Gasbranche dies sekundiert. Aber warum, wenn alles so umweltverträglich ist, kommen diese Methoden der Energiegewinnung nicht für Bayern infrage?

Ich hätte erwartet, dass Söder verbunden mit seiner Forderung, Isar 2 am Netz zu lassen und die Energiegewinnung durch Atommeiler zu überdenken, ein Endlager für den Atommüll in Bayern anbietet. Hätte ich fair gefunden. Stattdessen laufen beide Vorschläge auf dasselbe unfaire Ergebnis hinaus: Für das schöne Bayern, was bayerische Wähler honorieren dürften, nur das Beste: kein Endlager für den gefährlichen Atommüll, keine Gefährdung des Grundwassers durch Fracking, keine Beeinträchtigung der schönen Landschaft durch hässliche Windräder und hässliche Überlandleitungen, aber hinreichend Energie. Das Risiko bei der Energiegewinnung und die Beeinträchtigung ihrer Landschaft mögen die anderen Bundesländer tragen.

Was mich besonders ärgert: Markus Söder schafft es, sich mit seinen Vorschlägen als Kümmerer der Nation darzustellen und damit zugleich die Regierung Scholz zu desavouieren, diese Kümmerer nicht zu sein. Selbst wenn ihn nicht alle so wahrnehmen, so hat er doch eins geschafft: Über seinen Vorschlag redet die gesamte Republik. Die SZ widmet dem Thema die erste Seite. Er bleibt im Gespräch.

Ursel Heinz, Herten

Regionalfürst mit übergroßem Ego

Es ist gerade ein Jahr her, da wollte Markus Söder Kanzler werden. Ein Politiker, der nach dem Kanzleramt greift, muss sich dem Gemeinwohl von ganz Deutschland verschreiben. Eine Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Regionen Deutschlands ist mit dem Amt unvereinbar. Nach dem Scheitern seiner Ambitionen konnte Söder die Maske des seriösen Bundespolitikers, der das Wohl aller Bundesländer im Blick hat, fallen lassen und sich wieder als der präsentieren, der er immer war: ein bayerischer Regionalfürst mit übergroßem Ego, dem die anderen 15 Bundesländer herzlich egal sind.

Aktuell setzen die Fehler und Versäumnisse der bayerischen Energiepolitik Söder massiv unter Druck. Und wie reagiert Söder? Während er den zügigen Ausbau der Windkraft in Bayern mit der Begründung ablehnt, dass Windräder der bayerischen Landschaft und den Bürgern nur in kleinen Mengen zugemutet werden können, fordert er die Niedersachsen auf, sich der Energiegewinnung mittels Fracking nicht länger zu verweigern. Söders Dreistigkeit ist unglaublich. Dass er mit seinem Vorschlag der niedersächsischen CDU, die sich gerade im Landtagswahlkampf befindet, einen Bärendienst erweist, ist für Söder ein vernachlässigbarer Kollateralschaden. Einmal mehr tanzt die CSU ihrer großen Schwester CDU auf der Nase herum.

Roland Sommer, Diedorf

Schildbürgerstreich

Deutschland steckt in einer Energiekrise. Seit dem 24. Februar versucht unser grüner Wirtschaftsminister Robert Habeck ein bisschen LNG-Gas (Flüssigerdgas) aus Katar und USA (muss auf minus 162 Grad gekühlt, um den halben Globus geschippert und an den noch nicht vorhandenen LNG-Terminals zurückvergast werden) mit enormen nicht klimaneutralem Energieaufwand nach Deutschland zu bringen. Dabei lagert eine gigantische Erdgasquelle, die sich ohne großen Aufwand heben ließe, direkt im eigenen Land. Laut Joachim Kümpel, früher der Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), sind 2,3 Billionen Kubikmeter direkt unter unserem Land. Es sind jährliche Fördermengen von 20 Milliarden Kubikmeter für Jahrzehnte möglich. Habeck im April: "Ich glaube, das ist nicht der Weg, den wir gehen sollten und der uns weiterhilft." Es nicht zu fördern, ist wohl ein Schildbürgerstreich.

Dass der Energieschatz unter Deutschland nicht gefördert wird, liegt am Protest von Klimaschützern gegen Fracking. Die Methode hat einen schlechten Ruf, obwohl seit 30 Jahren erprobt. Vor acht Jahren hat ein internationales Gremium in der "Kopenhagener Erklärung" über häufige irreführende Medienmeldungen berichtet, die die Nutzung von Schiefergas erschweren, und zu Falschmeldungen führten. Fracking löse keine Erdbeben aus, mache kein entflammbares Trinkwasser und verunreinige nicht die Böden, so der ehemalige BGR-Präsident Kümpel. Derartige Meldungen seien falsch.

Mit einer Naivität, die schon an Fahrlässigkeit grenzt, zieht Habeck teures Importgas dem heimischen Erdgas vor (Steigerung der Energiepreise zwischen 120 und 340 Prozent. Hurra!). Dass von den USA gewünschte LNG-Erdgas wurde mittels Fracking gefördert und über den halben Globus geschippert. Durch diese Verantwortungslosigkeit entstehen wirtschaftliche Verluste, hohe Inflation und großer Schaden fürs Klima. Experten hätten aufgehört, dagegen zu argumentieren, so Kümpel.

Durch die grüne Windradromantik möchte Habeck die Zahl der Windräder von derzeit etwa 40 000 auf 120 000 steigern: Deutschland hat eine Fläche von etwa 320 000 Quadratkilometer, das macht alle zwei Quadratkilometer ein Windrad. Starnberger See 58 Quadratkilometer, das heißt etwa 25 Windräder auf dem Starnberger See. Prost Mahlzeit! Eine ideologische Energiewende wird in einer Katastrophe enden. Hoffentlich haben die Deutschen nicht wieder auf das falsche Pferd gesetzt. Über Energie sollte in Deutschland von der Bevölkerung endlich rational argumentiert werden: Den Götzen macht nicht der Vergolder, sondern der Anbeter.

Dr. med. Peter Hinke, Weßling

Die Erde fängt Feuer

Wir pflanzen Bäume, retten damit das Klima und jetzt können wir auch fracken, so denken wir doch. Zünden wir mit dem im Vergleich zum CO2 84fach klimaaktiveren Fracking-Methan nicht auch indirekt unsere Wälder selbst an? Hitze, Dürren und Klimaextreme sind Folgen dieser Treibhausgase. Vorsätzlich zerstören wir den Regenwald entlang des Äquators. Zugleich perfektionieren wir die Massentierhaltung, rasen, jetten und schippern mit wachsender Begeisterung privat, geschäftlich und vor allem militärisch herum, versiegeln, verschmutzen, beuten immer rücksichtsloser unseren Planeten Erde aus und quatschen ständig davon, was wir verbessern wollen. Wir werden aber immer brutaler, was die Weltklimaratsberichte (IPCC) seit 1989 beweisen. Ohne klimaregulierende Wälder und Pflanzen, begleitet von weiterem Artensterben rasen wir immer schneller mit viel künstlicher Intelligenz (eine menschliche Intelligenz und Feingefühl in Bezug auf die Bewahrung der natürlichen irdischen Umgebung ist nicht erkennbar) unserem sich rasch nähernden Untergang und einer spannenden Zeit entgegen.

Rainer Wild, Wunsiedel

In erneuerbare Energien investieren

Dass sich die sonst so seriöse SZ für ein unverschämtes Wahlkampf- und Ablenkungsmanöver von Markus Söder hergibt, ist sehr ärgerlich. Die ganze Stänkerei gen Norden dient nur der Ablenkung seiner eigenen Versäumnisse bei der Energiewende.

Man muss in dieser Energiekrise leider auch über viele kurzfristige klimaschädliche Maßnahmen nachdenken, aber der Söder-Vergleich, wenn wir ohnehin LNG-Gas einführen, können wir auch gleich hier Fracking machen, ist völlig daneben. Dazu bräuchte es eine Gesetzesänderung, geologische Untersuchungen und einiges mehr, was Jahre dauern würde. Nein, jetzt muss mit Hochdruck in die erneuerbaren Energien investiert werden, und wir müssen auch aus Gerechtigkeit gegenüber den nächsten Generationen weg vom fossilen Zeitalter.

Dietmar A. Angerer, München

Feind der Energiewende

Söder sollte Solar- und Windkraft in Bayern entbürokratisieren, statt Probleme auf andere Bundesländer abwälzen. Wie eindrücklich in einem 17-minütigen Film auf Spiegel-Online mit dem Titel "Wie die Bürokratie die Energiewende ausbremst" zu sehen ist, können bis zu 1000 größere Solaranlagen, von welchen viele mehr als 200 Haushalte versorgen könnten, auch nach der technischen Inbetriebnahme 20 Monate und mehr nicht ans Netz gehen, weil mangels Zertifizierern die Zertifizierung nicht erfolgen kann, die erst vor drei Jahren eingeführt wurde. Zudem werden hunderte Windräder abgebaut, weil deren Förderung auslief und die einspeisenden Windräder werden abgeregelt, auch weil Pumpspeicherkraftwerke aufgrund doppelter Belastung mit Netzentgelten nicht in Betrieb sind.

Auch bei den Steckersolaranlagen könnte weiter entbürokratisiert werden. Diese sind derzeit auf 600 Watt begrenzt, damit die Wechselstromleitung auch ohne Sicherungsaustausch nicht überlastet werden kann. Mit 600 Watt kann man aber nur einen Teil des Haushaltsbedarfs abdecken. Würden solche Anlagen auch mit Drehstromstecker erlaubt, so könnte ebenfalls ohne Sicherungswechsel kein Leiter überlastet werden. Eine solche Einspeisung würde zudem Asymmetrie im eigenen Stromnetz vermeiden. Mit dann dreimal 600 Watt könnte nicht nur der eigene Bedarf vollständig gedeckt werden, sondern darüber hinaus würde dank Rücklaufsperre im Zähler viel Strom an die Versorger verschenkt. Sehr viele Hausbesitzer verfügen bereits über Drehstromanschlüsse. Hiermit könnte der derzeit extreme Engpass bei den nur in Kleinserien produzierten 600 Watt-Wechselrichtern umgangen werden. Damit könnte in Bayern zum Beispiel viel Wasser in den Walchensee hochgepumpt werden.

Richard Geist, München

Politik von vorgestern

Friedrich Merz und Markus Söder, da haben sich zwei gefunden, die zueinander passen. Der sauerländische Ex-Manager von Black Rock und der Möchtegernkanzler aus Franken. Zwei Politiker, die Politik von vorgestern das Wort reden. Zurück zur Kernenergie, das ist ihre Botschaft. Nichts gelernt aus den Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima? Sicherheitsprobleme und die Frage, wohin mit dem radioaktiven Müll, ignorieren. Man muss Angela Merkel dankbar sein, dass sie Merz als Kanzler beziehungsweise als Kandidat dafür jahrelang verhindert hat. Er ist und bleibt ein Knecht der Finanzindustrie, unfähig zu moderner Politik. Und Söder hat mehr als einmal bewiesen, dass er seine Meinung fast täglich egal bei welchem Thema wechselt. Das Energieproblem in Bayern, ist ein Produkt der Politik Söders und seiner Vorgänger. Null innovative Ideen, null erkennen, dass Sonnenenergie, Wasser, Wind, Geothermie schon vor Jahren besser und kräftiger ausgebaut gehört hätten. Nun also zurück in die Steinzeit, aber was will man von Steinzeitpolitikern auch anderes erwarten.

Klaus Brinnig, München

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SZ/cb/wüll
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