Diesel-Fahrverbot München:Ein übereilter Schritt mit vielen offenen Fragen

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Fragwürdiger Münchner Messpunkt, fragwürdiges Dieselverbot auf dem Mittleren Ring: Es gibt weiterhin Kritik. (Foto: Florian Peljak)

SZ-Leserinnen und -Leser sind aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht sehr überzeugt von diesem Schritt. Einer rechnet gar vor, dass Behörden und Politik da Opfer von Lobbypolitik geworden seien.

"Diesel-Fahrverbot - wie es auch anders gehen könnte" vom 10. Januar:

Maut als Gewissensberuhigung

Natürlich wäre eine Maut in München eine Alternative. Das hätte aber auch zur Folge, dass diejenigen, die es sich leisten können, lustig mit ihren überdimensionierten SUVs zum Marienplatz fahren, macht ja noch mehr Spaß, da die Straßen leerer sind. Besser wäre es doch, die Münchnerinnen und Münchner dazu zu bringen, die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen. Aber statt sich um dessen Optimierung und preisliche Attraktivität zu kümmern, werden lieber noch mehr Straßen gebaut für noch mehr und noch größere Autos.

Brigitte Brehmer, München

Sinnlose Grenze

So ärgerlich es ist, dass demnächst mein Diesel-Pkw nicht mehr in den Bereich innerhalb des Mittleren Rings einfahren darf - was er eh seit Jahren maximal drei bis vier Mal im Jahr tut, weil ich konsequent meine IsarCard nutze -, einen Rest Verständnis bringe ich dafür auf. Aber dass nun der gesamte Mittlere Ring selbst verboten sein soll, ist schlicht unsinnig. So viel zu den "hilfreichen" Aktivitäten der "Deutschen Umwelthilfe" (DUH), die hier absolut überzieht. Mal sehen, wie viele berechtigte Beschwerden ab Anfang Februar aus den Wohngebieten im Rathaus einlaufen, wenn sich diese Fahrzeuge zur Vermeidung des Rings durch enge Wohnstraßen quälen und dort die Luft viel mehr belasten, als wenn sie weiter die B2R benutzen dürften.

Der Ring war bislang oft die einzig sinnvolle Alternative, auf die Autobahnen A 95, A 96, A 9, A 94, A 8 aus der Stadt hinaus zu kommen, beziehungsweise, um relativ schnell weiter entfernte Gebiete in der Stadt zu erreichen, wenn man, aus welchen Gründen auch immer, das eigene Auto mal wirklich brauchte. Aber weil man die wesentliche Messstelle an einer viel befahrenen Stelle angebracht hat, wo das Überschreiten von Grenzwerten geradezu programmiert war, werden gleich die weiteren 30 Kilometer mit verbannt. So eine dusslige Idee muss man erst einmal haben. Denn ob das alles jetzt sonderlich hilfreich ist für die CO2-Bilanz der Stadt, bezweifle ich sehr. Immerhin: Die jetzt verkündete Ausnahme der Brudermühlbrücke ist ein begrüßenswerter Schritt, der zeigt, dass es vereinzelt noch vernünftige Ansätze gibt, die dann auch umgesetzt werden. Mögen dieser noch viele, viele nachfolgen.

Zum Beispiel: Hat sich jemand schon mal Gedanken etwa um das P+R-Parkhaus am U-Bahnhof Innsbrucker Ring gemacht? Dessen Zufahrt liegt circa 100 Meter in der "Umweltzone", und bei der Ausfahrt muss man weitere circa 200 Meter stadteinwärts fahren, ehe man brav umkehren darf. Soll dieses Parkhaus deshalb jetzt auch nicht mehr angefahren werden dürfen, wenn das Fahrzeug nur die Euronorm 4 hat? Das wäre ein weiterer Schuss ins eh schon angeschlagene Knie, und sicher gibt es noch -zig weitere Fälle, die ganz genauso unsinnig wären.

Es bleibt wirklich nicht mehr viel Zeit bis 1. Februar, deshalb ist mal wieder Eile geboten im Stadtrat, eine sinnvolle Lösung zu finden. Und meine wichtigste Empfehlung: Ja nicht die DUH fragen...

Friedrich-Karl Bruhns, München

Verdrängungsprozess

Wie wir durch Lektüre der SZ wissen, ist München die Pendler-Hauptstadt und der ÖPNV zu den Hauptverkehrszeiten voll ausgelastet. Eine Maut würde also in erster Linie diejenigen belasten, die dafür sorgen, dass die Einnahmen der Stadt aus der Gewerbesteuer sprudeln. Die Maut mit der Finanzierung des ÖPNV zu rechtfertigen grenzt an Hohn. Die dafür notwendigen Gelder wurden vom genannten Personenkreis bereits seit langem erwirtschaftet, aber für die Politiker war wohl die Finanzierung prestigeträchtiger Projekte wichtiger. Dem Artikel ist leider nicht zu entnehmen, welche Kriterien bei der Studie der Frima Intraplan erfasst wurden. Wie viele der Befragten, die dann nicht mehr in das Stadtinnere fahren würden, würden dann ihre Einkäufe im Umland tätigen? Welche Steuerausfälle hätte die Stadt dann zu verzeichnen? Welcher auf den Pkw angewiesene Arbeitnehmer kann sich die Mehrkosten von rund 250 Euro pro Monat leisten? Eine entsprechende Lohnerhöhung (gerechnet vor Steuer plus Lohnnebenkosten) pro Angestelltem würde Eingang in die Preise finden müssen. Damit würden sich bestimmt weitere Umsätze in die Umgebung verlagern. Lasst uns also erst mal die prestigeträchtige zweite Stammstrecke genießen. Sollte dann noch ein wenig Geld übrig sein, kann man ja sinnvolle Investitionen in den ÖPNV tätigen.

Josef Feuerstein, Markt Schwaben

Dieselpfennig und Bierpfennig

Lasst uns einen Staupfennig auf das Benzin in und um München erheben. Das Geld wird dann für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs eingesetzt.

Der Bierpfennig für den Wiederaufbau des Nationaltheaters hat auch etwas bewirkt.

Sybille Gerke-Koch, München

Fantasielose Scheinlösung

Die Fachleute von Bund und Ländern haben vor Jahren ermittelt, dass das Risiko, wegen Luftschadstoffen an Krebs zu erkranken, höchst unterschiedlich verteilt ist: Wer in einem Ballungsgebiet lebt, trägt ein Risiko von ungefähr 1:1000, auf dem Land nur 1:2500. Feinstaub und Stickoxide spielten dabei keine Rolle, aber etwa Benzol, das Dieselautos nicht emittieren, oder so unerfreuliche Bestandteile im Abgas von Holzöfen wie Phenole und polyzyklische Kohlenwasserstoffe. Solche Öfen sind gerade wieder sehr gefragt. Wer Holz vor der Hütte hat, wird bewundert und beneidet. Zur Zeit werden sogar Öfen geduldet, welche die Grenzwerte nicht einhalten mit durchaus konkreten ungünstigen Auswirkungen für die Luftqualität. Bei den stationären Energieerzeugern ist dies offenbar gesellschaftlich akzeptiert, bei den Dieselaggregaten nicht. Warum? Als Grund genannt sind Auswirkungen auf die Gesundheit und dadurch bedingt eine Lebensverkürzung um neun Monate. Das ist eine statistische Angabe und sie ist nicht plausibel; denn unsere Lebenserwartung steigt seit vielen Jahren ungebremst. Erst die Pandemie konnte ihr einen kleinen Knick verpassen, die jahrzehntelangen lufthygienischen Verhältnisse dagegen nicht. Es ist auch nicht so, dass mit der Überschreitung der Feinstaub- oder NOx-Grenzwerte für die Betroffenen die konkrete Gefahr einer Erkrankung verbunden ist, es steigt nur das Risiko, also das allgemeine Lebensrisiko, das, wie gesagt, im Ballungsgebiet auch ein Risiko von 1:1000 umfasst, wegen (anderer) Luftschadstoffe an Krebs zu erkranken, während Menschen, die auf dem Land leben, ein viel kleineres solches Risiko tragen. Ziel der Grenzwerte ist also die Verbesserung der Luftqualität und nicht der Schutz vor einer konkreten Gefahr für Leib und Leben. Ob es dann verhältnismäßig ist, Menschen, die nicht das neueste Auto fahren, derart die Mobilität zu beschneiden, ist doch der Frage wert. Nicht zu vergessen ist, dass der Ausweichverkehr unter Umständen zur Verschlechterung der Luft und zu erhöhten Verkehrsrisiken auf den Ausweichstrecken führen wird. Das wollte der teure Ausbau des Mittleren Rings eigentlich vermeiden.

Zu dieser Entwicklung kam es, weil man sich im Bundesumweltministerium nicht getraut hat, der EU-Kommission zu erklären, dass im deutschen Recht zwischen Gefahrenschutz und Risikovorsorge unterschieden wird, und weil ein listiger Anwalt einer dubiosen Lobbygruppe den Reflex der Verwaltungsgerichte zu mechanischer Rechtsanwendung geschickt ausgenutzt hat und weil einer fantasielosen Bürokratie nichts anderes als ein primitives Verbot eingefallen ist - maximaler Schaden, kein Nutzen. Halt, einen Nutzen hat das Ganze: es werden neue Autos verkauft werden - an die, die sich das leisten können. Tolle Lobbyarbeit, und alles für Umwelt und Gesundheit! Wer auf schwarzen Humor steht, kommt auf seine Kosten.

Georg Schmid-Drechsler, München

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