Parteitag:CDU zwischen Frauenquote und Atomenergie
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Die parteiinternen Debatten um Gleichberechtigung und längere Laufzeiten bei Atomkraftwerken verfolgen SZ-Leser mit Befremden.
"Es ist doch nur die Gleichstellung" vom 12. September, "Attacke schon zum Start" und "Eine Woche zum Abhaken" vom 10./11. September:
Gleichberechtigung konterkariert
Wenn sich die Delegierten des CDU-Parteitags an der Frage festbeißen: Will die CDU für Gleichstellung, Gleichberechtigung oder für Chancengerechtigkeit stehen? Und dies an einem Beschluss über eine Quotenregelung festmachen, gleichzeitig aber mit großer Mehrheit ein verpflichtendes "Gesellschaftsjahr" für alle jungen Menschen beschließen, dann zeigt das, dass sich diese Delegierten noch nie ernsthaft damit auseinandergesetzt haben, was Gleichberechtigung bedeutet. Junge Frauen in ein verpflichtendes "Gesellschaftsjahr" zu zwingen, konterkariert jegliches Bemühen um Gleichberechtigung.
Ist den Delegierten nicht bekannt, dass Frauen in Deutschland mehr als das Doppelte an gesellschaftlich notwendiger, unbezahlter Care-Arbeit übernehmen als Männer? Obwohl Frauen durchschnittlich eine Stunde pro Tag länger arbeiten als Männer (bezahlt und unbezahlt), gibt es einen Gender Pay Gap von aktuell 21 Prozent. Am deutlichsten wird die Schlechterstellung von Frauen beim Blick auf die Rentenlücke: Bis zu 75 Prozent der heute 35- bis 50-jährigen Frauen werden eine gesetzliche Rente beziehen, die unter dem jetzigen Hartz-IV-Niveau liegt. Die ungleiche Verteilung und systematische Abwertung der von Frauen geleisteten Arbeit schafft also bis heute eine Ungleichheit in Einkommen, Vermögen, Zeit und Einfluss zwischen Frauen und Männern. Ein auch für Frauen verpflichtendes Gesellschaftsjahr würde dies noch verschärfen.
Mechthild von Luxburg, Ammerbuch
Falscher Stolz
Für mich ist es nach wie vor unbegreiflich, dass ausgerechnet Frauen die Einführung von Quoten ablehnen: Weil sie etwas werden wollen, aufgrund ihrer Ausbildung oder ihres Könnens - und nicht aufgrund ihres Geschlechts. Das ist sehr ehrenhaft, spiegelt aber nicht die Realität in Politik und Wirtschaft wider. All diese Frauen mögen mal darüber nachdenken, ob sie jemals von einem Minister, der sein Amt aufgrund der Proporzverteilung bekommen hat, gehört haben: "Nein, ich will das Amt nicht aufgrund des Proporzes, ich will es nur, weil ich es kann." Ich habe so einen Satz nie gehört.
Gisela Kranz, Oberschleißheim
Oppositionspolitiker
Friedrich Merz halte ich für einen reinen Oppositionspolitiker. Er hat noch nicht nachvollzogen, dass seine Partei bei der letzten Bundestagswahl abgewählt wurde. Merz tritt laufend als Besserwisser auf. Lösungen zu den momentan großen Problemen kann er nicht anbieten. Die Energiekosten wird Merz kaum reduzieren und leider auch den Krieg in der Ukraine nicht beenden. Erfolge in der Vergangenheit sind ausgeblieben. Für einen Ministerposten hat es nicht gereicht. Dafür fehlt ihm Charisma. Bei den Jungwählern bleibt er vermutlich ohne größere Chancen. Weshalb war die Frauenquote für ihn nicht viel früher ein Thema? Friedrich März plant, seine Partei zu verjüngen, was mit seinem Rücktritt verbunden sein sollte. Mit 66 Jahren hat er doch hoffentlich nicht die Ambition fürs Kanzleramt.
Stefan Herb, Roding
Eitelkeiten sind kontraproduktiv
Es bleibt wohl ein frommer Wunsch, aber Parteipolitiker und Politikerinnen sollten in Krisen nicht zuvorderst Gegensätze herausstellen, sondern gemeinsame Zielvorstellungen zügig umsetzen und Kompromisse für strittige Lösungen anstreben. Eine Diversifizierung bei Energie- und Rohstoffquellen ist erforderlich.
Im Gegensatz zu fossiler Energie gefährden Wasser-, Solar- und Windkraft nicht das Überleben auf unserem Planeten. Der Ukraine-Krieg verdeutlicht erneut, dass Atomreaktoren als Risikotechnologie willkommene Ziele für Schurkenstaaten und Terroristen sind. In Frankreich sieht man, dass Atomenergie ebenfalls in die Abhängigkeit führen kann. Die Bürger und Bürgerinnen werden regenerative Energie begrüßen, wenn dadurch die Krise absehbar überwunden wird und finanzielle Härten ausgeglichen werden. Fehler und Konflikte werden dabei nicht ausbleiben. Eitelkeiten der "Leitwölfe" sind kontraproduktiv und überflüssig.
Rolf Sintram, Lübeck
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