Leserbriefe:Eigentor oder Volltreffer

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Mitglieder der Klimaschutzgruppe Letzte Generation haben das Brandenburger Tor in Berlin mit oranger Farbe angesprüht. (Foto: Paul Zinken/dpa)

Aktivisten der "Letzten Generation" haben das Brandenburger Tor mit oranger Farbe attackiert. Bei den Lesern stößt das auf geteiltes Echo - und einer schlägt gar ein anderes Monument als Alternativziel vor.

"Orange? Na logo" vom 27. September und "Gefasste Ruhe" vom 2. Oktober:

Warum nicht die Feldherrenhalle?

Hilmar Klute meint, wenn die orangene Farbe, mit der die Aktivisten der "Letzten Generation" das Brandenburger Tor in Berlin besprüht haben, nicht mehr abgeht, sei das "nicht so schlimm, wirklich nicht". Die "farbliche Nuancierung" sei letztlich irrelevant angesichts der Inanspruchnahme des Tores für die Hitlerhuldigung durch die SA- und SS-Formationen, die am 30. Januar 1933 durch das Tor zur Reichskanzlei zogen. Orangene Farbe als gerechte Strafe oder als Wiedergutmachung der braunen Befleckung von 1933ff.?

Da würde mir ein besser geeignetes Beispiel einfallen: die Feldherrenhalle in der früheren "Hauptstadt der Bewegung", die im November 1923 Ziel des Marschs zum Sturz der Republik von Hitler und Ludendorff gewesen ist. Denkt daran noch jemand von der Münchner Kulturbourgeoisie, wenn diese sich jährlich im Sommer zum Klassikkonzert davor andächtig versammelt!? Die Feldherrenhalle war ikonographisch für den NS, nicht aber das Brandenburger Tor. Der Marsch auf die Feldherrenhalle war ein blutiger Putschversuch zum Sturz der Republik mit einigen Toten, wofür Hitler wegen Hochverrats lebenslänglich hätte einsitzen müssen. Die Feldherrenhalle gilt bislang nicht als nachhaltig beschmutzt, offenbar weil sie in München steht. Das ist gewiss einer der lokalpatriotischen Irrtümer dieser Stadt. Farbliche Auszeichnungen im Sinne des Verfassers ließen sich nachholen.

Rudi Schmidt, Erlangen

Kontraproduktiver Protest

Die Relation zwischen dem Anliegen aufzurütteln und dem tatsächlichen Vorgehen ist längst verloren. Das Brandenburger Tor wird die Aktion gewiss überstehen. Aber die Aktion ist tatsächlich dumm, weil die "Letzte Generation" damit die Menschen gegen sich aufbringt, und damit leider auch gegen das wichtige Anliegen, nämlich das Klima durch wirksame Maßnahmen zu schützen. Solche Aktionen sind somit kontraproduktiv.

Renate und Joachim Hellriegel, Glonn

Es schmerzt und rüttelt wach

Eine grobe Sachbeschädigung ist inakzeptabel und muss geahndet werden, gerade hier an diesem bedeutenden Monument, wo es jedem sofort auffällt. Auch mir persönlich tut dies als passionierter Kunsthistorikerin, die ich dieses Tor schon oft mit Begeisterung, im Zuge von Kunstführungen, wegen seiner künstlerischen Qualität und historischen Relevanz gepriesen habe, weh.

Aber gerade, weil diese Schmiererei viele an diesem besonderen Ort schmerzt, sollten wir darüber nachdenken, warum die "Letzte Generation" dies gerade hier verübte und ob es nicht gerade deswegen legitim und die allerhöchste Zeit ist, uns aus unserer saturierten Wohlstandslethargie wachzurütteln und endlich zu Gunsten des Klimas neu zu denken.

Politiker ignorieren die verpflichtenden Klimaziele und tun dies als Kavaliersdelikt ab. Das ist es mitnichten, sondern es ist ein eklatantes Verbrechen an unseren Kindern! So schwer wie die Klimaschäden zu beseitigen sind, sind auch die Farbspuren nur langsam zu entfernen.

Kirsten Bauerdorf, Traunreut

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