„Die Rückkehr der Berufsverbote“ vom 17. Januar:
Berufsverbot für den Papst
In Bayern würde sogar der Papst Berufsverbot bekommen. Denn gegen das, was Franziskus an kapitalismuskritischer Haltung repräsentiert („Diese Wirtschaft tötet!“), sind die Aussagen von Lisa Poettinger nun wirklich harmlos. Sich gegen die „Profitmaximierung auf Kosten von Mensch, Umwelt und Klima“ zu wenden, ist eine Haltung, die für jeden authentischen Vertreter der katholischen Soziallehre und auch der evangelischen Sozialethik eine pure Selbstverständlichkeit ist. Solch eine christlich-soziale Aussage in einen Zusammenhang mit „kommunistischer Ideologie“ zu stellen, ist an Dreistigkeit und Bodenlosigkeit kaum zu überbieten.
Aber auch eine darüber hinausgehende Kapitalismuskritik ist nicht nur elementarer Bestandteil der päpstlichen Sozialverkündigung – und zwar beileibe nicht erst seit Franziskus, vielmehr ganz klar auch bei seinen Vorgängern Benedikt XVI., Johannes Paul II. und weit darüber hinaus. Eine solche Kapitalismuskritik – und das ist die eigentlich bedrohliche Dimension dieses skandalösen Verhaltens der bayerischen Staatsregierung – ist auch elementarer Teil des demokratischen Diskurses in der Bundesrepublik Deutschland.
„Nur durch eine neue und bessere Ordnung der Gesellschaft öffnet der Mensch den Weg in seine Freiheit. Diese neue und bessere Ordnung erstrebt der demokratische Sozialismus.“ So stand es schon im Godesberger Programm der SPD, mit dem diese sich damals gegenüber den Unionsparteien koalitionsfähig machte. Heute dagegen schützt wohl nur ihre zusammengeschrumpfte Größe und damit schwindende Bedeutung die bayrische SPD davor, ins repressive Visier der Staatsregierung zu geraten. Aber ernsthaft: Einen solchen Kurs der Intoleranz gegenüber linksdemokratischen Selbstverständlichkeiten muss die bayrische Regierung umgehend wieder verlassen, sonst wird sie selbst zur Gefahr für die pluralistische Demokratie.
Jonas Christopher Höpken, Oldenburg
Politische Bandbreite
In Kollegien gibt es von ziemlich rechts bis ziemlich links eingestellter Menschen die ganze Bandbreite. Das ist gut so für die Schüler:innen, denn so können sie lernen, ihre eigene Meinung zu bilden. Traurig, wenn das Kultusministerium, dessen Chefin Anna Stolz ja von den Freien Wählern ist, eine Bereicherung durch einen kritischen Geist ablehnt, wo sie doch in ihren Reihen (der Freien Wähler) selbst einen recht zweifelhaften Kandidaten haben, mit sehr rechten Ansichten. Armes Bayern, das sich rückwärts bewegt in die 1970er-Jahre, mit dem linken Auge vermeint es überall Gefahr zu sehen und auf dem rechten Auge ist es fast blind.
Ingeborg Keil, Germering
Bekennende Demokratin
Wie kann es sein, dass einer engagierten Streiterin für Klimaschutz und für demokratische Werte die Aufnahme in den Referendardienst verweigert wird? Die in ihrem Bericht aufgeführten Begründungen des Ministeriums sind an Absurdität kaum noch zu übertreffen.
Als Versammlungsleiterin einer der größten Kundgebungen, die es in München je gegeben hat, hat Lisa Poettinger doch ihren Willen zur Verteidigung von Demokratie und Freiheit unter Beweis gestellt. Ich war ihr und allen anderen Organisatorinnen und Organisatoren dieser Veranstaltung sehr dankbar, dass mir (wie auch vielen Tausend anderen aus dem Großraum München) damit Gelegenheit gegeben wurde, gegen Populismus und Rassismus ein Zeichen für Demokratie und Toleranz zu setzen. Die Entscheidung des Kultusministeriums empfinde ich auch als Schlag ins Gesicht all derjenigen, die sich beteiligt haben an den Protesten gegen die AfD und den Plänen, massenhaft Menschen mit Migrationshintergrund auszuweisen. Viele mögen nicht alle ihre Auffassungen teilen. Aber von der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Meinungen lebt Demokratie.
Unsere Gesellschaft braucht kritische und engagierte Menschen. Wer unseren Kindern Gutes tun will, der möge doch bitte engagierte Demokraten in den Schuldienst einstellen. Was bezweckt eigentlich das bayerische Kultusministerium mit dieser Maßnahme? Was ist das für eine Botschaft? Wehe dem, der sich engagiert und Kritik an der Regierung übt! Das Kultusministerium verdient die Note „ungenügend“ in Sachen Demokratievermittlung.
Uwe Heinrich, Olching
Augen auf bei der Berufswahl
Warum will Frau Poettinger auch unbedingt Lehrerin werden? Ich würde ihr zur Politikerin raten. Dann kann sie tun und lassen, was sie will. Dann kann sie in Bayern auch ohne Probleme Ministerpräsidentin oder zumindest Stellvertreterin werden. Ihre Aussagen oder ihr Verhalten spielen dann keine Rolle mehr. 2011 drängte der jetzige bayerische Ministerpräsident als einer der Ersten noch massiv auf den Atomausstieg. Hat sich jetzt wieder um 180 Grad gewandelt. Parole: Neue Atomkraftwerke braucht das Land. Als bayerischer Ministerpräsident steht man mit einer bestimmten Meinung auf und geht mit der gegenteiligen Meinung zu Bett. Alles kein Problem. Die eigenen Wähler stört das seit Jahren nicht.
Als stellvertretender Ministerpräsident darf man seine politischen Gegner auf unflätige Weise beschimpfen und als Kuhfladenexperte der Exekutive in den Rücken fallen, offenbar alles durch die Immunität gedeckt. Man kann auch die eigene Partei zur Bundesminister-Beschaffungseinheit ummodeln, um endlich dazuzugehören und seinen ewigen Minderwertigkeitskomplex zu beheben (und er würde selbst dann nicht „dazugehören“, aber das nur am Rande). Mit der Schaufel sollte man/frau allerdings umgehen können. Aber nicht, um zu arbeiten, sondern um die Gegner mit Dreck zu bewerfen. Also, liebe Frau Poettinger, auf in die Politik – und ganz nebenbei, die Bezahlung ist auch viel besser.
Ferdinand Maier, Passau
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