Barbara Stamm:Aufrecht, sozial und zutiefst menschlich

Barbara Stamm: Eine starke Frau aus Franken, die über Parteigrenzen hinweg Begeisterung statt Politikverdrossenheit ausgelöst hat: Barbara Stamm.

Eine starke Frau aus Franken, die über Parteigrenzen hinweg Begeisterung statt Politikverdrossenheit ausgelöst hat: Barbara Stamm.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Die verstorbene Politikerin habe dem Landtag Ehre gemacht - und Bayerns ehedem finstere Aids-Politik in eine vorbildlich humane umgewandelt.

"Abschied von der bayerischen Löwin" vom 15. Oktober und "Die Mutter Courage der CSU" vom 6. Oktober:

Dem Mandat Ehre gemacht

Auf den ersten Blick scheint es, als könnte der Unterschied zwischen Barbara Stamm, der Mutter Courage der CSU, und Alfred Sauter, dem Spezialisten für Masken- und Immobiliendeals, nicht größer sein. Ein zweiter Blick zeigt jedoch, dass die politischen Lebensläufe von Stamm und Sauter einige Gemeinsamkeiten aufweisen.

Beide waren Staatsminister im Kabinett von Edmund Stoiber. Beide wurden von Stoiber fallen gelassen, als es dem "blonden Fallbeil" Stoiber politisch opportun erschien. Als Stoiber 1999 wegen einer Fehlinvestition der staatlichen Wohnungsbaugesellschaft unter Druck geriet, erklärte er kurzerhand Sauter zum Sündenbock und warf ihn aus dem Kabinett. 2001 ereilte Barbara Stamm im Zusammenhang mit der Rinderseuche BSE das gleiche Schicksal.

Beiden geschah Unrecht und beide wussten, dass ihre CSU-Parteikollegen dies ebenfalls wussten. Beide zogen sich nicht aus der Landespolitik zurück, sondern kandidierten erneut für den Landtag.

An diesem Punkt enden die Gemeinsamkeiten von Stamm und Sauter, denn Barbara Stamm nutzte ihr Landtagsmandat in den Folgejahren, um den Buchstaben "S" im Parteinamen der CSU mit Leben zu erfüllen. Sauter dagegen benutze sein Mandat, um Geschäfte zu machen und sein Privatvermögen zu mehren (vergleiche zuletzt: "Seltsamer Immobiliendeal", SZ vom 6. Oktober). Sauter entehrte sein Mandat. Barbara Stamm dagegen machte ihrem Landtagsmandat Ehre.

Roland Sommer, Diedorf

Ein Engel in der Aids-Politik

Barbara Stamm war eine Große. Sie hatte die Kraft und die Inspiration, in der Politik das zu verwirklichen, was sie als Kind entbehren musste. Als Staatssekretärin war es ihr gegeben, die damals wuchernden Feindseligkeiten gegen Menschen mit Aids zu durchschauen und für eine nachhaltige Wende zu sorgen. Vorurteile, die seinerzeit in der Luft lagen, waren ihr fremd. Ihr gewaltiger Paradigmenwechsel war, von Zwangsmaßnahmen gegen von HIV und Aids Betroffene ("Maßnahmenkatalog") auf ein solidarisches und liebevolles "Hand in Hand. Gegen Aids" umzuschalten. Das war enorm, dachten doch viele Betroffene, sie müssten Bayern verlassen, sogar den HIV-Test machte so mancher in einem anderen Bundesland. In San Francisco bat man uns auf Knien: Bayern, kehrt zurück zur Menschlichkeit!

Dafür brauchte es "die Stamm". Sie verbrachte als Staatssekretärin einen Tag in unserer Aids-Wohngemeinschaft in Würzburg, aß und trank, lachte und weinte mit den von der Krankheit schwer gezeichneten Bewohnerinnen und Bewohnern, schleckte ein Eis gemeinsam mit unserer Simone und schlief die Nacht danach wenig. Bald darauf haute sie Im Kabinett Strauß auf den Tisch, legte sich mit demselben und mit jenem Staatssekretär an und läutete somit die grandiose Wende ein. "Es sind Menschen, meine Herren, es sind Menschen!" Dank Mut und Empathie von Barbara Stamm mutierte Bayern quasi "from the darkness into the light", also vom Dunkel ins Licht, wurde mit seiner neuen Aids-Politik samt Beratungsstellen und Wohngemeinschaften/Hospizen zum Vorbild für die Welt.

Das war eine exorbitante Wandlung. Eine solche kann es nur einmal geben, und das ist Barbara Stamm und einer Reihe von vernünftigen Landtagsabgeordneten zu verdanken, es ist ein Dank für die Ewigkeit.

Alfred Spall, Würzburg, ehemaliger Leiter des Caritas-Aids-Zentrums Unterfranken

Den Männern voraus

Barbara Stamm wurde 77 Jahre alt. Sie lebte Courage vor: "Mutter Courage". "Vater Courage" muss wohl noch geboren werden. Seltsam, dass nur Mütter das können? Courage: Weiblich?

Harald Dupont, Ettringen

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