Automobilproduktion:Heutiger Luxus ist nachhaltige Verschwendung

Automobilproduktion: Lassen sich Luxusautos nachhaltiger produzieren - oder produzieren sie nachhaltige Klimaprobleme?

Lassen sich Luxusautos nachhaltiger produzieren - oder produzieren sie nachhaltige Klimaprobleme?

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Die Äußerungen eines BMW-Managers bei einer Tagung in Tutzing schlagen Wellen. Leser fordern mehr staatliche Lenkung beim CO2-Verbrauch.

"Wir produzieren Luxus" vom 15. Mai:

Schattenseite des Konsums

Die von BMW produzierten Autos seien "Ergebnis einer gesellschaftlichen Entscheidung, dass die Menschen das Recht haben zu konsumieren, was sie wollen"; treffender hätte der für Nachhaltigkeit und Mobilität zuständige BMW-Manager Thomas Becker seine und die Auffassung vieler wohlhabender Bürger und Bürgerinnen nicht beschreiben können. Der Manager scheint allerdings weder die Bedeutung von Nachhaltigkeit verinnerlicht zu haben, noch zur Kenntnis genommen zu haben, dass die Gesellschaft - sprich die Politik - sich mehrheitlich entschieden hat, dass die Freiheit zum Konsum aus Gründen der Endlichkeit der Ressourcen der Erde und der Endlichkeit der Belastbarkeit der Erde mit Schadstoffen eingeschränkt werden muss, da ein übermäßiger Konsum der Einen das Recht der Teilhabe am Konsum auch der Anderen einschränkt.

Die Politik versucht zur Zeit, gegen den Widerstand zahlreicher Lobbyisten, zu denen offensichtlich auch der für Nachhaltigkeit zuständige Manager gehört, durch Gesetze und Verordnungen - Verbrauchslimitierungen, Schadstofflimitierungen, Förderungen von die Nachhaltigkeit verbessernden Technologien, und so weiter - die Freiheit der bedenkenlos Konsumierenden so einzuschränken, dass für die Anderen ein gewisses Maß an Freiheit erhalten bleibt.

BMW, darin hat der Manager recht, baut diejenigen Autos, mit denen Geld verdient wird und Arbeitsplätze gesichert werden, und bedient dabei die weltweit genügend große Zielgruppe derjenigen, die sich, aus welchen Gründen auch immer, Ressourcen verschwendenden und Umweltbelastungen verursachenden, allen Grundsätzen der Nachhaltigkeit zuwider laufenden Luxus leisten. Gesellschaft und Gesetzgeber sind gut beraten, den Luxus in nachhaltigere Bahnen zu lenken, indem zum Beispiel Elektroautos mit 700 Kilogramm schweren Batterien, Ladeleistungen von mehreren 100 kW und Leergewichten von über zwei Tonnen als offensichtlich mit zukünftigen Notwendigkeiten unverträgliche Produkte durch intelligente Gesetzgebung zurückgedrängt und dadurch die Zielgruppe auf eine für BMW uninteressante Größe schrumpft. Das hochpreisige Luxussegment wird dadurch nicht verschwinden, sondern sich durch andere Größen definieren, die nicht mit Nachhaltigkeit kollidieren. Die Uhrenindustrie beispielsweise zeigt, wie sich Hersteller bei vergleichbarer Umweltbelastung ihrer Produkte so profilieren können, dass luxusorientierte Kunden bereit sind, für Uhren zehntausend Euro und mehr zu zahlen, obwohl es Uhren mit ähnlicher Funktionalität bereits für einige hundert Euro gibt.

Dr. Heiko Barske, Seefeld

Entgrenzte Egomanie

Was der "Leiter Nachhaltigkeit, Mobilität" des Autokonzerns BMW da gesagt hat, ist ehrlich. Aber jeder, der Augen im Kopf hat, konnte es seit Jahren wissen: Natürlich baut BMW Autos, die niemand wirklich braucht, reine Luxusartikel wie Champagner, teure Armbanduhren oder das Reisegepäck einer bestimmten Marke. Der Skandal ist nicht, dass BMW in diesem Segment unterwegs ist. In einem Hochlohnland wie Deutschland kann man gewinnbringend nur Dinge produzieren, die sehr exklusiv sind, entweder wegen ihrer einzigartigen Technik oder wegen des persönlichen Prestiges, das der Käufer eines Luxusartikels zusammen mit diesem erwerben will. Gerade Politiker, die sich zu Beschützern der normalen Leute berufen fühlen, müssen im Grunde dankbar sein, dass BMW die hohen Löhne erwirtschaftet und die Steuern, mit denen allein unser hochgezüchteter Anspruch an öffentliche Dienstleistungen und Sozialtransfers finanziert werden kann.

Und doch muss ein soziales Gemeinwesen, das sich noch dazu der Rettung der Umwelt verschrieben hat, den Götzendienst am Luxus nicht kritiklos mitmachen. Sollen reiche Chinesen, solange sie wollen, protzige BMW-Karossen kaufen, auch Deutsche mit zu viel Geld soll man davon nicht durch Verbote abhalten. Aber der Staat soll unmäßigen Konsum finanziell sehr viel höher belasten, als er es bisher tut. Die Kfz-Steuer zum Beispiel könnte jenseits der Grenze eines wohlproportionierten Kompaktwagens progressiv ansteigen. Der Verbrauch von Ressourcen und Energie sollte endlich so teuer werden, wie es dem Schaden entspricht, den ihre rücksichtslose Ausbeutung verursacht. Die skandalöse Umwegfinanzierung von Luxusautos als Dienstfahrzeuge sollte man ebenfalls schleunigst beenden. Und natürlich muss das nervige, asoziale Rasen auf unseren Autobahnen endlich aufhören, so wie seit langem in allen anderen zivilisierten Ländern. Das müsste nicht zum völligen Aussterben dieser automobilen Dinosaurier und Säbelzahntiger führen, aber dafür, dass bedeutend weniger davon unsere Straßen verstopften.

Auch wenn man die Einwände aus den bekannten Ecken schon im voraus hören kann: Das wäre nicht neidvolle Gleichmacherei, sondern Durchsetzung vernünftiger Maßstäbe des Gemeinwohls gegen entgrenzte Egomanie.

Axel Lehmann, München

Dämpfung über Klimazertifikate

Im Grundgesetz Artikel 14 wird die "Sozialpflichtigkeit" von Eigentum festgelegt und im Artikel 20 a, der am 27.10.1994 ergänzend eingeführt wurde, steht geschrieben, dass der Staat in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen schützen muss. Das Pariser Klimaabkommen, das am 4. November 2016 in Kraft trat und zwischenzeitlich von 180 Staaten ratifiziert wurde, legt im Sinne des Klimaschutzes (1,5-Grad-Ziel) für jedes Land Treibhausgasbudgets fest, die einzuhalten sind. Nicht zuletzt in diesem Kontext hat am 29. April 2021 das Bundesverfassungsgericht das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung als in Teilen verfassungswidrig erklärt und damit den Klimaschutz in Deutschland gestärkt.

Die Richter stellten fest, es dürfe nicht einer Generation zugestanden werden, "unter vergleichsweise milder Reduktionslast große Teile des CO2-Budgets zu verbrauchen, wenn damit zugleich den nachfolgenden Generationen eine radikale Reduktionslast überlassen und deren Leben umfassenden Freiheitseinbußen ausgesetzt würde."

Interessant ist nun, dass der BMW-Manager Thomas Becker die Rechts- und Gesetzeslage scheinbar nicht kennt oder zumindest nicht ernst nimmt, wenn er im Plauderton verkündet: "Wir produzieren Luxus. Wir machen Dinge, die man nicht braucht, sondern begehrt." Anders gesagt: Wir emittieren vollkommen grund- und sinnlos CO2. Plötzlich entsteht ein Zusammenhang zu dem Faktum, dass zehn Prozent der Bevölkerung - das ist die Gruppe, deren Vermögen über eine Million Euro beträgt - aufgrund ihres Lebenswandels beziehungsweise ihrer Konsumgewohnheiten für 50 Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich sind. Ressourcen werden von einer kleinen Gruppe der Gesellschaft regelrecht verprasst, ohne auch nur einen Gedanken an die dadurch verursachten Lebenswelten und Freiheitseinbußen der künftigen Generationen zu verschwenden.

Ist dieser Hedonismus sozial verträglich? Natürlich nicht - das Verhalten ist asozial und muss vom Staat hin zu einem sozial verträglichen Verhalten umgelenkt werden. Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans-Joachim Schellnhuber, der emeritierte Direktor des Potsdam-Institutes für Klimafolgenforschung, hat hierfür ein einfaches und auch sozial gerechtes Lenkungsmodell vorgelegt. Das im Klimaabkommen von Paris festgelegte nationale Klimabudget wird auf jeden Bürger zu gleichen Teilen in handelbaren Zertifikaten aufgeteilt. In diesem persönlichen Emissionshandel muss nun derjenige Bürger, der sein Budget überschreiten will, zusätzliche Zertifikate von denjenigen kaufen, die schon allein aufgrund ihrer finanziellen Situation nicht in der Lage sind, alle Zertifikate "auszugeben" oder die generell Zertifikate nicht nutzen, weil sie sich für einen klimafreundlichen Lebenswandel entschieden haben. Der Preis für diese Luxuszertifikate ist dann entsprechend hoch beziehungsweise irgendwann auch nicht mehr finanzierbar. Erwünschter Nebeneffekt ist die damit verbundene Umverteilung von Geldvermögen.

In der Schweiz ist übrigens ein System, das auf dem Budgetgedanken beruht, im Bereich der Gebäudebeheizung umgesetzt. Eine verblüffend einfache und sogar marktwirtschaftlich konforme Lösung.

Nichtsdestotrotz bleibt aber die alles entscheidende grundsätzliche Frage nach wie vor unbeantwortet. Kann ein Wirtschaftssystem, das für das Klimaproblem verantwortlich ist, auch gleichzeitig Teil seiner Lösung sein?

Professor Clemens Richarz, München

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