Atomausstieg:Die Wolke ist weg - die Spaltung bleibt

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(Foto: Denis Metz (Illustration))

Die einen begrüßen die Abschaltung der Kernkraftwerke, die anderen verurteilen diesen Schritt und sorgen sich um finanzielle Nachteile.

"Sonne und Wind sollen es richten" vom 15. April, "Alle deutschen Meiler sind abgeschaltet" vom 17. April, "Der Ausstieg als Anfang" vom 12. April, "Habeck verteidigt Abschalten der letzten AKWs" vom 11. April und weitere Artikel:

Selbstdarsteller der Premiumklasse

Game over. Der atomare Ofen ist aus. Und das ist gut so. Zu lange hat die unselige Kernenergie die Gesellschaft gespalten. Eine todbringende Energiequelle, wie wir aus Tschernobyl und Fukushima wissen. Nach wie vor fehlt in Deutschland ein Endlager für die mehr als 1000 Castoren, in denen die hochradioaktiven Abfälle vor sich hin strahlen und noch in Tausenden von Jahren die Folgegenerationen gefährden. All das wissen auch die Befürworter des horrend teuren Atomstroms. Man kann nur rätseln, was sie zum Festhalten an der Kernkraft bewegt hat - vor allem AfD, FDP, CDU/CSU und die Freien Wähler. Besonders der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Markus Söder, bekannt als gnadenloser Selbstdarsteller der Premiumklasse, läuft zu schauriger Bestform mit seiner Zuarbeit für die Atomlobby auf. Was soll damit bezweckt werden? Der Mann wirkt mit jedem Monat im Amt unheimlicher.

Doch all das wird den Fans der strahlenden Atomzukunft hoffentlich nichts nützen. Der 15. April war ein historischer Tag zum Feiern. Deutschland wird von einem tödlichen Risiko, der Atomkraft innerhalb seiner Staatsgrenzen, nicht mehr unmittelbar bedroht.

Claus Reis, Schwabach

Schielen nach dem Wahlergebnis

Wahrscheinlich verbindet Markus Söder mit einem AKW-Betrieb in Länderzuständigkeit auch den alleinigen Anspruch auf das atomare Endlager in Bayern. Fürchterlich solche Politiker, die nur noch auf Wahlergebnisse schielen. Keine klare Linie, keine nachhaltige Position - und: "was interessiert mich mein Geschwätz von gestern". Das berühmte Fähnchen im Wind ist richtig stabil dagegen. Leute, lasst es ihnen nicht mehr durchgehen!

Frank Schmidt, Bergkirchen

Alle bauen - außer Deutschland

Die letzten Kernkraftwerke sind abgeschaltet. Keine Rücksichtnahme auf die Mehrheitsmeinung der Wähler. Keine Berücksichtigung der fachlichen Meinungen, dass bei den Energiestresstests versäumt wurde, die Folgen von Cyberangriffen einzuplanen. Ideologie scheint bei Robert Habeck über allem zu stehen. Dabei ist wohl eine neue Energiewende in Sicht. Finnland, beim Bildungssystem Deutschland anerkannt überlegen, baut ein neues AKW mit Lösung der Endlagerung. Holland will neu bauen, Großbritannien und Frankreich sowieso, und der Wirtschaftskonkurrent China natürlich auch. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, heißt es. Auch bei der Energiesicherheit?

Hans Rentz, Waging am See

Gesunder Menschenverstand vermisst

Weltweit arbeiten heute etwa 440 Kernkraftwerke und weitere 57 sind im Bau und circa 100 in Planung. Wir schalten unsere AKWs ab und kaufen Atomstrom von unseren Nachbarn. Wo ist der gesunde Menschenverstand?

Dr. Karl-Albert Hahn, Bad Salzungen

Verletzung von Menschenrechten

Die Gewinnung des Urans blieb beim Atomausstieg unerwähnt - doch sie ist der Anfang der nuklearen Kette. Der Abbau von Uranerz findet weltweit überwiegend auf dem Land indigener Völker statt. Die strahlenden Zerfallsprodukte im zurück bleibenden Abraum kontaminieren diese Regionen auf Jahrtausende. Die Menschen verlieren ihren Lebensraum, oft ihr Leben. Jedes Festhalten am Atomstrom bedeutet die Verletzung von Menschenrechten anderswo - auch ohne GAU bei uns.

Claus Biegert, Uffing am Staffelsee

Das dicke und das goldene Ende

Die Reportage "Drück mich" zeigt zutreffend das dicke Ende der Atomwirtschaft. Für die Bevölkerung bedeutet es, dass sie die zeitlich und finanziell unkalkulierbare Entsorgung des Atommülls zahlen muss. Den Stromversorgern ist es zum wiederholten Male gelungen, sich mit einer Ablasszahlung von 24 Milliarden Euro aller Altlasten zu entledigen. Der für sie vorteilhafte Deal auf Kosten des Staates spiegelt sich auch in den seither gestiegenen Aktienkursen von EON, RWE, EnBW und Vattenfall wider.

Nicht erwähnt wird das "goldene Ende". Schon vor dem Entsorgungsdeal haben die Konzerne von steuerfreien Rückstellungen und dem sogenannten "goldenen Ende" der Atomkraftwerke profitiert. Golden ist das Ende natürlich nur für die Unternehmen, die ihre Meiler weit über den Abschreibungszeitraum von 20 Jahren betrieben haben und sich dabei die sprichwörtlich goldene Nase verdient haben. Sie haben nämlich danach die Strompreise nicht nur nicht gesenkt, sondern sogar erhöht.

Hilla Metzner, Berlin

Gigantische Kapitalvernichtung

Die Abschaltung der letzten drei AKWs Emsland, Isar 2 und Kornwestheim, die zu den sichersten und produktivsten weltweit gehörten, muss im Hinblick auf die Dringlichkeit einer raschen Minderung der CO2-Emissionen als töricht bezeichnet werden. Isar 2 hat eine Leistung von etwa 1,5 Megawatt und ist 1988 ans Netz gegangen. Seither hat das AKW mehr als 400 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugt ( Hinweis der Redaktion: In einer früheren Fassung war von 400 Millionen Kilowattstunden die Rede, es handelt sich aber um Milliarden; wir haben das nachträglich korrigiert). Es versorgte mit 11 Terawattstunden pro Jahr 3,2 Millionen Haushalte mit Strom. Wenn diese Energiemenge mit fossilen Kraftwerken erzeugt wird, - ein Ersatz mit Photovoltaik-Strom oder Windstrom (Grünstrom) ist erst nach weiterem Ausbau der Grünstromerzeugung und Infrastruktur möglich -, so werden dadurch jährlich etwa 12 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre emittiert. Das Umweltbundesamt beziffert die Umweltkosten jeder Tonne CO2 mit etwa 180 Euro, sodass dadurch Umweltkosten in Höhe von etwa 2,2 Milliarden Euro entstehen.

Zu diesen vermeidbaren Kosten kommen Mehrkosten infolge der Nichtnutzung der konkurrenzlos niedrigen, mit einer Laufzeitverlängerung des AKW erzielten Stromgestehungskosten hinzu. Das sind die Kosten, die für die Energieumwandlung von einer anderen Energieform in elektrischen Strom notwendig sind. Diese liegen unter 3 Cent pro Kilowattstunde. Die Stromgestehungskosten von Wind, Solarparks, Braunkohle oder Steinkohle liegen bei 6 bis 14 Cent pro Kilowattstunde. Bei Erdgas hängt sie vom Gaspreis ab. Für die Erzeugung von 11 Terawattstunden pro Jahr sind notwendig: Etwa 500 Windräder mit 5 Megawatt Leistung in Offshore Windparks oder etwa 2500 Freiflächen-Photovoltaik-Parks mit je 5 Megawatt Peak oder 1,2 Millionen PV-Anlagen mit je 10 Kilowatt Peak auf Hausdächern. Auf den für diese alternativen Energieerzeugungen erforderlichen Flächen-, Material- und Herstellaufwand sei hier nur hingewiesen.

Nicht berücksichtigt wird dabei, dass das AKW den Strom zu jeder Zeit verlässlich liefert, wohingegen die Grünstromanlagen unabhängig vom Bedarf Strom abhängig vom Wetter liefern, sodass eine aufwendige Infrastruktur zur Speicherung, Verteilung und Steuerung erforderlich ist. Die Abschaltung der drei voll funktionstüchtigen AKWs vor dem Ende ihrer sicheren Betriebsdauer ist eine gigantische Kapitalvernichtung, die infolge des Weiterlaufs oder sogar des Wiederanlaufs bereits vom Netz genommener fossiler Kraftwerke zusätzlich zu erhöhten, klimaschädlichen CO2-Emissionen führt. Das wäre vermeidbar gewesen. So hätte man Zeit zum Aufbau ausreichender Erzeugungskapazitäten von Grünstrom und der dafür erforderlichen Infrastruktur gewonnen.

Die Bundesrepublik hat nun die praktisch vernachlässigbare minimale Gefährdung der eigenen Bevölkerung durch einen gravierenden Reaktorunfall auf die tatsächliche Gefährdung der in klimatisch besonders gefährdeten Gebieten wohnenden Weltbevölkerung durch die zusätzlichen CO2-Emissionen verschoben. Dies ist ähnlich problematisch wie das regierungsseitige Selbstlob für die rasche Nutzbarmachung von besonders umweltschädlichem amerikanischen Fracking-Gas und die gleichzeitige Ablehnung, in Deutschland Fracking-Gas zu gewinnen.

Dr. Heiko Barske, Seefeld

Mutig in die Zukunft

Es ist der Union und anderen Bedenkenträgern sehr zu empfehlen, mutig in die Zukunft zu blicken und das Ende der Atomkraft zu akzeptieren. Die Erde wird sich definitiv länger drehen, als die politische Karriere von Söder dauern wird. Bequemlichkeit, Schlafmützigkeit und Mutlosigkeit sind falsche Rezepte in dieser Zukunftsfrage. Den gesamten Müll unserer Gesellschaft zukünftigen Generationen zu überlassen, ist zu billig. Finnland hat wenigstens konkrete Endlagerpläne, während hierzulande kreative Vorschläge, zumal aus Bayern, fehlen.

Das Argument der CO2-Einsparung durch Atomkraft ist ein Greenwashing-Programm. Durch sinnvolle Einschränkungen wie etwa einem Tempolimit, der Reduktion individuellen Kfz-Verkehrs zugunsten eines leistungsstarken ÖPNV (dessen Ausbau jahrelang durch CSU-Verkehrsminister verschlafen wurde), einer Reduktion des Fleischkonsums und des Wegwerfverhaltens könnten Energieeinsparungen erzielt werden, die den Wegfall der Atomkraft locker kompensieren. Mit dem Abschalten der Atomkraftwerke ist endlich ein wichtiges Etappenziel erreicht. Söder'sche Wahlkampfrhetorik sollte wirklichen Fortschritt nicht länger ausbremsen.

Christian Delanoff, München

Anders zur Energiewende

Frankreich setzt auf Atomenergie, Deutschland auf Gaskraftwerke. Beides klingt nicht nach einem "Green Deal". Zum Glück bleiben noch andere Dinge, die wir uns von unseren europäischen Nachbarn abschauen können. Zum Beispiel das allgemeine Tempolimit.

Lorenz Grötschel, Köln

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