Arbeitsmarkt:Gekündigt wegen des Alters

Arbeitsmarkt: Viele Arbeitgeber wollen ältere Mitarbeiter lieber loswerden.

Viele Arbeitgeber wollen ältere Mitarbeiter lieber loswerden.

(Foto: Erwin Wodicka/imago images/Shotshop)

Wer die 45 überschritten hat, wird von Arbeitgebern nicht mehr geschätzt - besonders von Personalern nicht, klagen SZ-Leser und Leserinnen.

"Mit 45 schon zu alt" vom 2. September, "Lebenserfahrung hat einen Wert" vom 5. September und weitere Artikel:

Keine Angst vor einem Neuanfang

Wer entledigt sich der älteren, erfahrenen Mitarbeiter? Es sind nicht die klein- und mittelständischen Unternehmen, die oft eigentümergeführt sind. Es sind auch nicht die Fachabteilungen der Großkonzerne, die ihre Kollegen oft gerne weiterbeschäftigen würden. Nein, es sind die Personalabteilungen, die mit großzügigen finanziellen Anreizen nach Schema F die älteren Mitarbeiter früh aus dem Arbeitsprozess drängen.

Mir hat man versagt, einen Monat länger zu arbeiten, damit ich noch mein 40. Dienstjubiläum feiern konnte. Der Inhaber eines Hightech-Unternehmens hat mir bereits ein halbes Jahr vor Ablauf meines Arbeitsvertrages einen neuen in seinem Unternehmen angeboten, den ich dankend angenommen habe. Hier arbeite ich nun seit drei Jahren, habe im letzten Jahr zwei Patente angemeldet, und man wirft mir kein Geld hinterher, damit ich endlich gehe. Im Gegenteil: Man zahlt mir jedes Jahr eine Prämie, wenn ich nicht kündige. Mein Appell an alle älteren, qualifizierten Mitarbeiter: Seid euch bewusst, welche Fähigkeiten ihr habt. Zeigt eure Qualitäten in den sozialen Medien wie LinkedIn und Xing und habt keine Angst vor einem Neuanfang.

Karl-Heinz Eickel, Bremen

Mehr Beweglichkeit

Anfang der 80er-Jahre hörte ich einen Vortrag über technischen Fortschritt. Der Vortragende stellte fest, dass nun der Punkt erreicht sei, dass der technische Generationswechsel schneller erfolge als der menschliche. Das, fand ich, traf den Nagel auf den Kopf. Dem muss man ins Auge sehen. Ich hatte aber das Glück, mit 55 noch eine gute Stelle zu bekommen, obwohl das Arbeitsamt mir sagte, es habe keinen Sinn, sich weiter zu bewerben. Ich möge mich doch frühverrenten lassen. Die Aussagen der zitierten Umfragen sind viel zu pauschal und keine Mutmacher.

Es gibt Grenzen der Kraft und Konzentrationsfähigkeit, die altersbestimmt sind. Es gibt Grenzen bei den zu beherrschenden Technologien, und da nützt Lebenserfahrung nichts. Und es gibt viele Fälle, in denen langjährige Erfahrungen ein großes Plus sind. Man denke zum Beispiel an den Rechnungswesensleiter, den Buchhalter, viele Juristen, Verwaltungskräfte und zahlreiche Handwerksberufe. Der Arbeitsmarkt muss segmentiert gesehen werden. Pauschale Aussagen zu den (Nicht-)Chancen der über 55-Jährigen sind nicht lösungsorientiert, das zeigt auch der Widerspruch: Fachkräftemangel einerseits und die zu häufige Missachtung erfahrener Mitarbeiter in Branchen, die eben nicht der technische Fortschritt permanent umgestaltet oder die kraftraubend sind.

Man würde weiterkommen, wenn die älteren Arbeitsuchenden beherzigten, dass die Gehaltskurve der Leistungskurve folgen sollte, also im Alter ein rückläufiges Leistungsvermögen mit weniger Verdienst einhergehen sollte. Dann fiele ein Wettbewerbsnachteil weg. Und man sollte nicht auf einer Festanstellung beharren, sondern beispielsweise mit Dreijahresverträgen zufrieden sein.

Die Personalabteilungen wiederum sollten das auch anbieten und nicht mit dem Alter des Aspiranten hadern, sondern herausfinden, was die Person an Wissen, Leistungsvermögen und Verlässlichkeit anzubieten hat und was das wert ist. Vielleicht bedarf es da einer innovativen Beweglichkeit bei den Personalern.

Dr. Johannes Rauter, Germering

Junge und Alte sind wichtig

Es wundert mich schon, dass in der freien Wirtschaft Menschen mit 45 Jahren keinen Job finden können. Da tun sich für mich große Widersprüche auf. In Anzeigen liest man oft, dass Mitarbeiter mit Berufserfahrungen gesucht werden; gleichzeitig sollten sie nicht älter als 40 sein. Andererseits kann aber das Familienleben in unserer marktwirtschaftlichen Gesellschaft ohne Großeltern oder Rentner nicht umgesetzt werden.

Auch in den sozialen Einrichtungen von Krankenhäusern und Altenwohnheimen leben die Verantwortlichen von "Alten" und Ehrenamtlichen, die mithelfen, damit Kranke oder Senioren soziale Kontakte haben. Soziale Marktwirtschaft heißt für mich: Sowohl der wirtschaftliche Bereich als auch die soziale Komponente müssen aufeinander abgestimmt sein. Insofern braucht man beide: die Jungen und die Älteren im Berufsleben.

Pfarrer Wolfgang Zopora, Bad Alexandersbad

Einfach aussortiert

Arbeitskräfte über 45, ihr Wissen, ihre langjährige Erfahrung, ihre große Arbeitsgeschwindigkeit - resultierend aus Erfahrung -, ihre Kreativität und vieles mehr sind bei Arbeitgebern nicht mehr gefragt. Als Frau über 50 bekomme ich das deutlich zu spüren. Dabei habe ich freiwillig Fortbildungen gemacht, sie sogar teils selbst bezahlt. Ich fühle mich auf dem neuesten Stand der Technik, hinke nirgends hinterher, war immer flexibel. Ich war so gut wie nie krank, immer für die Firma im Einsatz, sehr oft sieben Tage die Woche, da dies mein Arbeitsvertrag erlaubt. Ich habe nie Sonderzahlungen für Einsätze nachts und am Wochenende erhalten oder Weihnachtsgeld - aber plötzlich bin ich zu alt. Einfach so. Ohne Begründung. Wann es angefangen hat? Ich weiß es nicht. Dabei muss ich noch mindestens acht Jahre arbeiten und habe auch mega Lust dazu.

Doch nur Kolleginnen unter 35 werden befördert und erhalten neue Projekte. Sie seien jünger und deswegen flexibler, heiß es. Oder: "Wir wollen die Firma verjüngen." Ich fühle mich noch nicht alt oder langsam. Ich bewerbe mich also woanders, doch auch dort: nur Absagen. Obwohl ich Zugeständnisse mache: Es muss nicht das hohe Gehalt sein, lieber Anerkennung und Wertschätzung. Nicht mal ein Gespräch wird mir angeboten - selbst als Springerin für verschiedene Abteilungen nicht.

Aus purem Frust bewerbe ich mich - ohne meine hohe Qualifikation anzugeben - in der Gastronomie als Aushilfe. Ich wollte sehen, ob mich noch irgendjemand will. Und tatsächlich: Ich bekomme eine Chance. Zuerst in einem Bistro, dann in der Sterne-Gastronomie im Service. Zum ersten Mal wieder Anerkennung: Ein Sternekoch, der Speisen zaubert, die mir das Herz höher schlagen lassen, bedankt sich bei mir für meine tolle Arbeit. Ich habe Feingefühl mit den Gästen bewiesen.

Liebe Unternehmerinnen, liebe Unternehmer, schafft doch mal Anreize für uns Frauen über 50. Wir haben noch Lust zu arbeiten! Warum überseht ihr uns plötzlich? Wir packen mit an, auf eine große Karriere bei Tiktok hoffen wir im Allgemeinen nicht. Das echte Arbeitsleben macht uns "gar nicht Alten" immer noch viel mehr Spaß!

Sarah Schudy, Stuttgart

Mehr Möglichkeiten

Seit Längerem spricht man vom Fachkräftemangel, inzwischen gibt es auch bei geringer qualifizierten Tätigkeiten ausgeprägten Arbeitskräftemangel. Wenn Arbeitgeber den Wunsch nach längerer Wochenarbeitszeit bei Geringverdienern nicht erfüllen können oder wollen, dann gibt es jetzt mehr Möglichkeiten als je zuvor, einen neuen Arbeitsplatz mit den gewünschten Zeiten zu finden. Schade, dass diese Entwicklung nicht erwähnt wurde.

Sebastian Mohr, Taunusstein

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