Süddeutsche Zeitung

Abschiebungen in Bayern:Wirtschaftlich unsinnig, menschlich ein Skandal

Obwohl Arbeitskräftemangel herrscht, weisen Behörden immer wieder gut integrierte Menschen aus. Schlecht für alle, befinden einige SZ-Leserbriefautoren.

"Bittere Nachricht für Flüchtlinge" vom 17. November:

Abschreckendes Bayern

Jeden Tag kann man lesen, wie dringend Fachkräfte in Deutschland gesucht werden. Umso unverständlicher ist es, dass die bayerische Regierung Geflüchtete, die bereits gut integriert sind und sich in Deutschland eine Existenz aufgebaut haben, abschieben will. Das von der SPD vorgestellte neue Duldungsgesetz würde Menschen, die gut integriert sind, ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten und nicht straffällig geworden sind, ein dauerhaftes Bleiberecht ermöglichen. Das bayerische Innenministerium will dies offensichtlich verhindern.

Die Mitarbeiter der Ausländerämter schrecken nicht davor zurück, Geflüchtete mit falschen Versprechungen in die Behörde zu bestellen, um sie dann in Abschiebehaft zu nehmen oder Geflüchteten die Arbeitserlaubnis wieder zu entziehen. Diese Methoden sind menschenverachtend, schaden unserer Wirtschaft und sind ein Schlag ins Gesicht aller ehrenamtlich engagierten Flüchtlingshelferinnen und -helfer, die sich seit Jahren für die Integration, Ausbildung und Arbeit der Geflüchteten einsetzen.

Marion Blum, Burghausen

Arbeitsverbot für Arbeitswillige

Die Vorgehensweise des Ausländeramts im Falle des Muhamed B. kann man nur als zynisch und menschenverachtend bezeichnen. Seit Jahren gibt es immer wieder Berichte über solche Fälle, und sie sind vermutlich nur die Spitze des Eisbergs. In der CSU wird das restriktive Vorgehen gegen abgelehnte Asylbewerber mit Abschreckung begründet - es soll damit ein Signal gegeben werden, dass sich die Flucht nach Deutschland nicht lohnt, denn in der Denkweise dieser Leute bedrohen ja die Flüchtlinge unseren Wohlstand und die innere Sicherheit.

Die Wahrheit ist: erstens kommt diese Botschaft gar nicht in den Ländern an, zweitens sind die Flüchtlinge nicht etwa eine Bedrohung unseres Wohlstands, sondern eine Chance, angesichts des massiven Arbeitskräftemangels in Deutschland hoch motivierte junge Leute in die entsprechenden Berufe zu bringen.

Seit vielen Jahren mahnen die Wirtschaftsverbände an, hier liberaler vorzugehen. Stattdessen belegt man abgelehnte Asylbewerber mit Arbeitsverbot und überlässt sie in den Aufnahmeunterkünften in eine Perspektivlosigkeit mit ständiger Angst vor Abschiebung, was nicht selten zu depressiven Zuständen führt. Nicht wenige sind zudem traumatisiert. Andere dürfen eine Berufsschule besuchen und die Sprache lernen. Wenn sie dann soweit wären, eine Ausbildung zu beginnen, wirkt das Arbeitsverbot und sie sitzen wieder untätig in ihrer Unterkunft.

Nun könnte man fragen, warum die Leute dann nicht in ihre Länder zurückkehren: Viele haben zu Recht Angst vor einer Rückkehr, ein abgelehnter Asylantrag heißt ja leider noch lange nicht, dass die Leute in ihrem Herkunftsland sicher wären.

In meiner Arbeit als Traumaberater für Flüchtlinge habe ich oft den Satz gehört: "Warum darf ich nicht arbeiten, ich habe niemandem etwas getan und habe mich an die Gesetze gehalten, ich möchte doch einfach nur ... (zum Beispiel: Bäcker) werden.

Nun stellt sich die Frage: Warum schiebt man solche Leute ab, statt ihnen eine Ausbildung mit Bleibeperspektive zu erlauben, was ja auch bedeuten würde, dass sie dann den Staat nichts mehr kosten, ja sogar Steuerzahler werden.

Mir fällt darauf leider nur Rassismus als Antwort ein, denn alles andere ergibt keine Logik.

Es ist zu hoffen, dass die Bundesregierung solchen Praktiken einen Riegel vorschiebt. Mit Rechtsstaatlichkeit hat so ein Vorgehen meiner Meinung nach nichts zu tun. Ich wünsche daher allen Beteiligten viel Erfolg beim Versuch, die Abschiebung des Mohammed B. doch noch zu verhindern!

Karlheinz Höfele, Elchingen

Widersinn vom Amt

Unsere Politiker brauchen ja Gründe, um ins Ausland zu reisen und dort Arbeitskräfte anzuwerben, deren Deutschkenntnisse zu wünschen übrig lassen. Zudem haben wir ja genügend Nachwuchs, der uns im Rahmen der Flüchtlingswelle als "Arbeitskräfte von Morgen" angekündigt wurde, und dem in vielen Fällen in den Heimatländern kurze Schulbildung zu Teil wurde, die für unseren Arbeitsmarkt die besten Voraussetzungen bietet. Wozu benötigen wir also solide Mitbürger mit Migrationshintergrund, die sich hier bestens integriert haben und ihren Anteil für unser Gemeinwesen leisten? Wer das nicht versteht, sollte ein längeres Praktikum im Stall des Amtsschimmels ableisten.

Josef Feuerstein, Markt Schwaben

Zweierlei Maß bei Geflüchteten

Lassen wir uns einmal auf ein Gedankenspiel ein. In einem unbedeutenden Landkreis irgendwo in der Bundesrepublik würde ein Geflüchteter aus der Ukraine straffällig, und der Landrat verfügte die Ausweisung in sein Heimatland. Der Landkreis würde europaweit bekannt werden, und der Landrat wäre seinen Posten relativ schnell wieder los.

Was hat das jetzt mit der Abschiebung von Muhamed B. zu tun? In der Ukraine herrscht Krieg, in Äthiopien auch. Das Leben des Ukrainers wäre gefährdet, das von Muhamed B. ist es auch. Der Unterschied zwischen beiden Fällen ist, dass der Konflikt in Äthiopien irgendwo in Afrika stattfindet. Das interessiert seit Jahren hier keinen, zumal die Betroffenen "nur" Moslems sind. Wegen dieses Krieges oder wegen der anderen, die seit Jahrzehnten überall Menschen sterben lassen, käme doch keiner auf die Idee, eine "Zeitenwende" auszurufen. Und deswegen müssen die Flüchtlinge aus der Ukraine prinzipiell anders behandelt werden als die aus anderen Weltregionen. Oder bin ich da einer der wenigen, der das so wahrnimmt?

Ein Mann, der eigentlich auch in das "Idealbild" der CSU fallen müsste, ein Mann der sich in fast zehn Jahren nahezu vorbildhaft in unsere Gesellschaft integriert hat, soll aus parteitaktischen Gründen abgeschoben werden. Und da so etwas in Bayern kein Einzelfall ist, handelt es sich sicher nicht um eine "Überreaktion" eines Landratsamts.

Gehört jetzt systemische Missachtung von Rechten der Flüchtlinge zu dem, was wir immer als unsere "Werte" groß herausstellen und was andere, insbesondere Russland, überhaupt nicht kennen? Wenn die CSU etwas gegen das "Chancen-Aufenthaltsrecht" hat - und das ist ja ziemlich offensichtlich - dann muss sie es politisch bekämpfen. Und wenn sie für ihre Meinung keine Mehrheit findet, muss sie es akzeptieren. So etwas, habe ich gelernt, hat irgendetwas mit Demokratie zu tun und gehört auch zu unseren Werten.

Ich persönlich warte ja noch immer auf eine echte Zeitenwende, also der Zeitpunkt, von dem ab alle Kriege, nicht nur der eine, geächtet werden und in der wir alle Menschen achten unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Religion und all den Eigenschaften, die zwar nicht offiziell, aber doch sichtbar das Handeln der Verantwortlichen immer noch zu steuern scheinen.

Eine Zeitenwende wäre auch, wenn die Bayern die Partei der hinterfotzigen Maskendealer mal für längere Zeit in die Opposition schickten. Träumen ist erlaubt.

Thomas Spiewok, Hanau

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SZ/soy
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