Wolf und Bär:Zu viel künstliche Aufregung

Wolf und Bär: Der europäische Braunbär breitet sich aus - und die Diskussion über Lebensraum-Konflikte auch.

Der europäische Braunbär breitet sich aus - und die Diskussion über Lebensraum-Konflikte auch.

(Foto: Ralf Kistowski/Imago)

In Nachbarländern bekommen sie die Koexistenz zwischen den Wildtieren und Weidetieren auch ohne Drama hin, findet ein Leser. Und wünscht sich das auch für Bayern.

"Schützen oder Schießen?" vom 26. Mai:

Selten hat ein Thema den Freistaat so in Anspruch genommen wie das Auftauchen von Wolf und Bär in Bayern. Aber es ist gut und verdienstvoll, wie journalistisch verantwortungsbewusst die SZ mit diesem Thema umgeht. Im Interview vom 26. Mai sind vor allem die Äußerungen der Almbäuerin Brigitta Regauer von Interesse, während der Artenschutzbeauftragte des LBV, von Lindeiner, nur wenig neue Erkenntnisse in die öffentliche Diskussion beitragen konnte.

Wenn man Länder mit hohen Wolfs- oder Braunbärenpopulationen betrachtet, fällt die hohe Bestandsdichte in diesen Ländern mit der gegebenen Möglichkeit der Bejagung auf. Diese Option sollte daher auch bei uns im Interesse der Versachlichung der Diskussion ernsthaft angestrebt werden, wenn die Bestände oder eine konkrete Gefährdungslage dies für notwendig erachten.

Vehement widersprochen werden muss aber der ständigen Betonung, Weidehaltung und Wolfspopulationen (Braunbären spielen dabei eher eine untergeordnete Rolle) seien nicht kompatibel. Wir verfügen über jahrhundertelange Erfahrungen in Europa mit der gelebten Koexistenz zwischen Wölfen, Braunbären (in deutlich höherer Populationsdichte, als in Bayern in Jahrzehnten zu erwarten sind) und der Weidehaltung. Warum analysiert niemand diese dokumentierten Ergebnisse einmal näher, ehe solche durch die europäische Weidehaltungspraxis längst widerlegten Aussagen immer wieder unverantwortlich wiederholt werden? So werden in nahezu allen europäischen Gebirgspopulationen der Wölfe deutlich mehr Schafe (und auch Rinder) gehalten als in den bayerischen Alpen. Und mit dem dort in Jahrhunderten erprobten Weidehaltungsmanagement wurde diese bewährte Koexistenz letztlich auch erreicht. Die dortigen Almbauern - etwa auf Europas größter beweideter Almfläche in Pokljuka (slowenische Alpen) - wundern sich über die Diskussion in Deutschland, da sie seit ewigen Zeiten diese höheren Weidehaltungskosten einkalkulieren müssen. Die dortigen Almbauern wissen aber als Waldbauern auch, welche wertvollen Dienste ihnen gerade die Wölfe beim Aufbau klimastabiler Wälder leisten.

Und den Tourismus in dieser Debatte immer wieder als "Beelzebub" bemühen zu wollen, funktioniert doch nur marginal. Den wenigen ängstlichen, meist deutschen Touristen, die sich nicht mehr in den Wald trauen, sind die Vielzahl der hochinteressierten europäischen Gäste entgegenzuhalten, die Destinationen gerade dann als besonders attraktiv ansehen, wenn es dort möglicherweise zu einer Beobachtung von Bären oder Wölfen kommen könnte. Von den unbesorgt in diesen Regionen die Wälder aufsuchenden Einheimischen - auch mit Kindern - soll hier gar nicht gesprochen werden.

Dieter Popp, Haundorf

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