Bayern wirbt um Lehrkräfte:Absurde Personalpolitik

Abgesehen davon, dass die Aktion anderen Bundesländern gegenüber seltsam ist, stößt sie auch Bayerns eigene Absolventen vor den Kopf.

"Jetzt sollen es die Quereinsteiger richten" vom 27. Februar und "CSU will Lehrkräfte aus anderen Bundesländern anwerben" vom 19. Januar:

Auf einmal werden die Lehrkräfte in Bayern knapp. Deswegen sollen diese mit bayerischen Steuergeldern, mit finanziellen Umzugshilfen, angeworben werden. Es ist einfach absurd! Das bayerische Staatsexamen ist das schwierigste bundesweit, und wir Bayern sind laut Herrn Söder die allerbesten. Und dann müssen wir uns so etwas bieten lassen - eine unglaubliche Frechheit! Ich bin selbst von Bayern ausgebildeter Gymnasiallehrer und habe - wie zahllose andere - vor fast 25 Jahren keine Stelle bekommen.

In meiner eigenen Schulzeit in den frühen 80er-Jahren in Bayern hatte ich viele Referendarinnen und Referendare, die alle sehr engagiert waren. Alle unterrichteten für sehr wenig Geld, hatten ein anspruchsvolles Universitätsstudium hinter sich und eine ungewisse Zukunft vor sich. Schon damals wurden in fast allen Fächern nur äußerst wenige eingestellt. Ein fataler Fehler! Auch damals waren die Gymnasien mit den geburtenstarken Jahrgängen der Babyboomer voll. Doch das Ministerium handelte nicht, und dessen Bürokraten leuchtet es wohl immer noch nicht ein, dass sie zuvor viel Geld in die Ausbildung der Referendarinnen und Referendare investiert haben. Das wäre zu viel verlangt.

Gerade im Gymnasium und in der Realschule, wo die Fachlehrkräfte in mehreren Klassen unterrichten, hätte dies folgendermaßen schon vor Jahrzehnten problemlos gelöst werden können: Bei geringerem Bedarf bekommen die neuen Lehrerkräfte eine feste Stelle, zuerst weniger Stunden und dann nach und nach mehr, anstatt unattraktiver Zeitverträge und ähnlich schlechter Angebote. So werden die Lehrkräfte an die Schule gebunden und motiviert und nicht auf Abruf wie eine namenlose Masse hin- und hergeschoben. Seit vielen Jahren schon verdienen oft beide Ehepartner, und außerdem kann man als Single die ersten Jahre noch eine Nebentätigkeit wie Nachhilfe oder Nachmittagsbetreuung ausüben, wenn man weiß, dass man eine sichere Zukunft vor sich hat.

Der frühere bayerische Kultusminister Ludwig Spänle (CSU) konnte nicht einmal bis sechs rechnen, sonst gäbe es jetzt keinen Grundschullehrermangel. Denn es ist allgemein bekannt, dass jedes geborene Kind sechs Jahre nach seiner Geburt auf die Grundschule geht. Insgesamt haben in den vergangenen 40 Jahren diesbezüglich nicht gerade viele Schulleiter/-innen und Ausbilder/-innen von Referendarinnen und Referendaren protestiert. Ich kenne aber auch positive Beispiele. Jedoch hätte massiver Protest von Anfang an viel mehr Wirkung gezeigt und die Staatsregierung zum Handeln gezwungen!

Marcus Schrömer, München

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