Lehrermangel:Nützliche Quereinsteiger

Allerorts wird zum Schulbeginn über Lehrermangel geklagt: Ein Leser hält ihn für das Ergebnis dilettantischer Planung in den Ministerien. Ein anderer bricht eine Lanze für Seiteneinsteiger im Lehrberuf. Sie müssten aber, weil sie viel zu bieten hätten, angemessener entlohnt werden.

"Wenn alles zusammenkommt" vom 15. September:

Die Berichterstattung über das Thema Lehrermangel in Deutschland hat mich als betroffenen Quereinsteiger mehr als nur verärgert. Das Problem der Seiten- und Quereinsteiger ist komplex, der Lehrermangel ist Realität, Ihre Grafiken zeigen nur Spitzen eines Eisbergs. Ihre Berichterstattung zeigt nach meinem Dafürhalten aber allein die Feldherrenperspektive. Vieles kann für den Unterricht qualifizieren - nicht nur die Begeisterung für ein Fach. Jeder verantwortliche Elternteil kann mitunter weitaus mehr bieten als ein 23-Jähriger mit Zweitem Staatsexamen. Dass da Seiteneinsteiger "ins Feuer geworfen werden" kann schon sein, aber oft ist es auch so, dass hier erstmals "Lebensrealität" (auf Seiten der Quer- und Seiteneinsteiger) auf "Bildungsideologie" (seitens der Schule) trifft. Nicht selten profitieren die SchülerInnen davon. Ich arbeite seit 13 Jahren als Quereinsteiger in Hamburg, seit neun Jahren fest angestellt, ich unterrichte drei Fächer in der Oberstufe und nehme das Abitur ab. Ich habe fünf Fächer studiert, in vier Fächern habe ich einen Abschluss (Magister, Dr. phil.). In Hamburg werde ich auf Grundlage des fehlenden Tarifvertrags und nach der durch die GEW mitzuverantwortenden Entgeltordnung nach Stufe 9 bezahlt, so wie viele ErzieherInnen im Schuldienst, das heißt auch: drei bis fünf Stufen niedriger als die Kollegen mit identischer Arbeit.

Meine vorangegangenen zwölf Jahre Arbeit in Weiterbildung waren kein Referendariat, fraglos - aber waren sie nicht auch Qualifizierung für die Unterrichtung? Wer in den 90ern ein Referendariat gemacht hat, würde mit der damaligen Didaktik heute garantiert kein Staatsexamen erreichen - die Bildungsideologien wechseln, und das, was vor 20 Jahren angesagt war, ist heute Teufelszeug (das Wort "Leistung" scheint in Hamburg zum Beispiel mit einem Bann belegt zu sein). Und ist man nach 13 Jahren Praxis nicht nachqualifiziert genug, zu gleichen oder wenigsten angeglichenen Bedingungen beschäftigt zu werden? Dr. Thomas Pusch, Hamburg

Was für ein Dilettantismus!

Seit Jahrzehnten wursteln 16 Bundesländer, dank Föderalismus, auf dem Gebiet der Schulpolitik vor sich hin und werden wieder einmal vom Beginn des Schuljahrs völlig überrascht - so hat es wenigstens den Anschein. Anders ist es nicht zu erklären, dass weit mehr als 3000 Lehrer fehlen. Dabei sind in den 16 Kultusministerien die Rahmendaten bekannt: Die Ministerien wissen, wie viele Studenten aufs Lehramt studieren, es ist bekannt, wie viele Lehrer in Pension gehen und man kennt die Zahl der zu erwartenden Schüler. Daraus müsste doch einigermaßen zuverlässig der Bedarf an Lehrern zu errechnen sein, da man die Zahlen über Jahre verfolgen, daraus Entwicklungen erkennen und rechtzeitig gegensteuern kann. Aber seit Jahrzehnten wechselt in Deutschland ein Lehrerüberschuss mit ellenlangen Wartelisten sich mit akutem Lehrermangel ab, wo dann plötzlich Tausende Lehrer fehlen. Was für ein Dilettantismus!

Hektisch werden nun in manchen Bundesländern, siehe Sachsen und Berlin, Studenten in zehn Tagen zu Lehrern ausgebildet und auf die Schüler losgelassen, ohne dass die sogenannten Seiteneinsteiger je etwas über Methodik und Didaktik gehört haben. Leidtragende sind die Schüler.

Wenn man dann hört, wie Politiker von Bildungsoffensiven und notwendiger Digitalisierung faseln, es aber an den Basics, und das sind nun mal gut ausgebildete Lehrer, eklatant fehlen lassen, dann geht einem der Hut hoch. Josef Geier, Eging

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