Diskussion um Lebensmittelpreise:Leserbriefe zu Ernährungspolitik: Mehr regeln statt empfehlen

Günstige Lebensmittel sind in Deutschland ein Politikum. Doch wer mehr Bio-Anbau und besseres Tierwohl fordert, muss steigende Preise akzeptieren. Leser signalisieren, dass sie das mittragen, wenn damit auch Standards erhöht werden.

Diskussion um Lebensmittelpreise: Viel günstig kaufen: Lebensmittel sind in Deutschland billiger als anderswo. Damit wird auch Politik gemacht.

Viel günstig kaufen: Lebensmittel sind in Deutschland billiger als anderswo. Damit wird auch Politik gemacht.

(Foto: imago stock&people)

Zu "40 Cent mehr fürs Fleisch" vom 8./9. Februar, "In der Aldi-Falle" vom 6. Februar sowie zu "Streit ums Essen" und "Stachel im Fleisch", beide vom 4. Februar:

Das Henne-Ei-Problem

Durch das Anführen, dass wir nur 14 Prozent unseres Einkommens für Lebensmittel ausgeben, wir aber früher 40 Prozent dafür aufwenden mussten, wird auf primitive Weise Stimmung gemacht. Nicht zuletzt explodierende Mieten haben zu höheren Löhnen geführt. Folgerichtig führt der einseitige Anstieg von Kosten zu einer Verschiebung der prozentualen Verteilung. Mit welcher Aussagekraft? Staatlich verordnete Erhöhungen der Lebensmittelpreise stellen auch ein Henne-Ei-Problem dar. Solange der Staat nicht für ein Renten- und Sozialleistungsniveau sorgt, das es Beziehern ermöglicht, ohne die für sie kostenlosen Tafeln zu überleben, kann man davon ausgehen, dass es sich um eine populistische Aktion handelt, die lediglich Wählerstimmen bringen soll.

Liest man die Berichte über Tierquälerei in der Fleischproduktion, stellt sich zudem die Frage, ob die angestrebten Mehreinnahmen für Produzenten in die Produktionsbedingungen einfließen oder nur die Einkommen der Hersteller mehren. Was also ist unter fairen Preisen zu verstehen? Bedeutet fair, dass der verbleibende Verdienst dem Mindestlohn entsprechen muss? Wenn er höher sein soll, ist dann die Bezahlung eines Arbeitnehmers mit dem Mindestlohn unfair?

Sollte der Staat verbesserte Bedingungen für Tiere anstreben, wären überarbeitete Haltungsvorschriften der richtige Hebel. Darauf zu vertrauen, dass Mehreinnahmen den Tieren zugute kämen, ist allenfalls als blauäugig bezeichnen.

Josef Feuerstein, Markt Schwaben

Subventionen abschaffen

Nahezu sämtliche mir verfügbaren Medien setzen die Argumentation über zu niedrige Lebensmittelpreise bei zu geringen Erlösen der Landwirte an der falschen Stelle in der Logik unserer Wirtschaftsstruktur an. Die Politik predigt die Markwirtschaft! Sozial ist diese schon lange nicht mehr. Preise entwickeln sich hier bei uns und in der EU aus Angebot und Nachfrage.

Das Angebot ist, bedingt auch durch die uns allen bekannte Subventionspolitik, zu hoch und ruiniert zusätzlich auch noch viele Landwirte in den Ländern, die unsere Exporte verdauen sollen. Wenn diese unheilvollen Subventionen zurückgefahren und dann endlich eingestellt würden, würde das Angebot der Landwirte in schneller Folge sinken und ihnen die Preise erbringen, die gewinnbringend wären. Alle anderen Möglichkeiten sehe ich nicht als zielführend an. All dies käme folglich auch dem Klima und dem Boden zugute. Das all dies sozialverträglich für die Erzeuger über einen längeren Zeitraum erfolgen sollte, ist notwendig und selbstverständlich.

Dieter Schlangmann, Ergolding

Klimakrise verlangt den Wandel

Das Gipfeltreffen zwischen der Kanzlerin, der Landwirtschaftsministerin und den Einzelhandelskonzernen war der Gipfel des Weichspülens am Katzentisch des Kanzleramts für existenzielle Fragen. Landwirten und Verbrauchern wird so nicht geholfen. Die Globalisierung der Landwirtschaft als eine nachhaltige Strukturvorgabe von Konzernen für die Landwirtschaft darf nicht länger als Gegenargument für den Klimaschutz herhalten. Handelsunternehmen und Aktienmärkte werden sich, schon aus Selbsterhaltungsgründen, aktiv pro Klima verhalten müssen und für eine umweltgerechte Landwirtschaft eintreten, damit es weiterhin Lebensmittel gibt, mit denen diese Form des Handels möglich bleibt.

Das Klima ist viel mehr als ein Wirtschaftsfaktor, deshalb wird uns alle die Klimakrise als Wirtschaftsfaktor einholen. Wer diese Entwicklung unterschätzt, dem wird eine Kalkulation mit einem Geschäftsmodell, das Lebensmittel vor Gebrauch zu Müll werden lässt, und Lohndumping für Landwirte zwecks landwirtschaftlicher Billigproduktion mit einkalkuliert, keine gute Zukunft bringen.

Das inzwischen ungute Bündnis von Landwirten, Agrochemie, globalisierter Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte und dem internationalen Handel muss sich reformieren. Lebensverachtende Tierhaltung und Tiertransporte, unwürdige Schlachtungen und eine Fleischverarbeitung, die sich auch in einem menschenverachtenden Umgang mit osteuropäischen Mitarbeitern zeigte oder zum Verkauf von Gammelfleisch führte, verdirbt Menschen in allen sozialen Schichten die Lust auf den Sonntagsbraten. Billigfleisch, dank optimal konkurrierender Preisgestaltung im Lebensmittelsektor, ist keine das soziale Gefälle in Deutschland ausgleichende Strategie. Wenn der Warenkorb, nach dem der Bedarf von Mensch mit geringen Einkommen ausgerichtet wird, und auch die Höhe der Mindestlöhne in Deutschland eine gesunde und tierwohlgerechte Ernährung ermöglichten, dann hätten die Menschen und das Klima einige Probleme weniger.

Karin Gilke-Kleffner, Edewecht

Höhere Standards vorschreiben

In völliger Übereinstimmung mit der libertären Politik der Groko verhalten sich alle Lebensmittelmarktteilnehmer unter den politischen Rahmenbedingungen rational: Jeder versucht, mit geringsten Kosten zu produzieren oder einzukaufen und mit möglichst viel Gewinn weiterzuverkaufen. Dabei werden in der Branche (nicht durchsetzbare) höhere Gewinnmargen bei den produzierenden Bauern und beim Handel durch höhere Produktions- beziehungsweise Umsatzmengen kompensiert. Das Ergebnis dieses "Marktes" ohne ausreichende gesetzliche Rahmensetzung wird täglich beklagt: Gifte auf Äckern und im Essen, verseuchtes Grundwasser, klimazerstörende CO₂-Emissionen, Tierquälerei und Massentierhaltung, dramatisches Artensterben, Höfesterben, Bauern in Not, Industrialisierung der Landwirtschaft etc.

Aus diesem Dilemma kommt man nicht mit unverbindlichen Gesprächsrunden und Appellen an freiwillige Einsicht. In dem Markt gilt: Gewinn kommt vor Moral und Ethik. Die in Deutschland erheblich zu niedrigen Umwelt- und Tierschutzstandards müssen von der Regierung erhöht werden. Die Flächenbindung für die Tierhaltung muss wieder eingeführt werden. Massenzucht mit Tausenden Schweinen oder vielen Hundert Rindern in Deutschland ist nicht nur für Tiere und Umwelt eine Katastrophe, sie zerstört die bäuerlichen Strukturen europaweit und verdrängt Versuche, umwelt- und tierfreundlich zu handeln. Die Regierung muss im Interesse der (klein-)bäuerlichen und ökologischen Landwirtschaft gesetzlich eingreifen.

Michael Schiedermeier, Oberursel

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