Süddeutsche Zeitung

Langzeitarbeitslose:Wenig Hoffnung auf Besserung

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Ein Leser rechnet vor, dass die Jobcenter viel zu viel Geld vom Etat der Arbeitsagentur abziehen - im Vergleich zu ihrer tatsächlichen Leistung. Nun soll ein "sozialer Arbeitsmarkt" geschaffen werden. Hilft das den Langzeitarbeitslosen wirklich?

"Akute Geldnot" vom 5./6. Mai über die Finanzierung der Jobcenter:

Das Ziel der Bundesregierung, in der laufenden Legislaturperiode für Vollbeschäftigung zu sorgen und insbesondere Menschen, die schon sehr lange arbeitslos sind, wieder eine Perspektive auf dem "sozialen Arbeitsmarkt" zu eröffnen, ist lobenswert. Doch die derzeit günstige Situation auf dem deutschen Arbeitsmarkt im Frühjahr 2018 mit "nur" noch etwa 2,4 Millionen Arbeitslosen erreicht mit 5,3 Prozent als Quote noch längst nicht das Ziel eines "hohen Beschäftigungsstandes". Nach früherer Definition wird die "Vollbeschäftigung" bei vier Prozent registrierten Arbeitslosen im Verhältnis zur Zahl aller arbeitswilligen Erwerbspersonen erreicht, neuerdings gilt für wirtschaftsstarke Regionen dies erst bei zwei Prozent. Und bekannt ist, dass die Zahl der registrierten Arbeitslosen "schöngerechnet" wird, weil etwa eine Million als Gruppe der "Unterbeschäftigten" herausgerechnet wird.

Betrachtet man die Zahlen von 2017, so wird ersichtlich, dass die Verwaltungskosten der mehr als 400 Jobcenter in Höhe von 4,43 Milliarden Euro gemessen an den Leistungen für ALG II mit 21 Milliarden Euro bei 21,1 Prozent liegen und relativ hoch sind. Würde es gelingen, einen großen Teil der etwa 840 000 Langzeitarbeitslosen durch eine "passgenaue Beratung und Qualifizierung" wieder dauerhaft in Arbeit zu bringen, wäre der hohe Verwaltungsaufwand der Jobcenter zu rechtfertigen.

War dies in der Vergangenheit jedoch schon wenig erfolgreich, so muss man ebenso skeptisch gegenüber dem Vorhaben der neuen Regierung sein, in den nächsten vier Jahren für 150 000 Langzeitarbeitslose 3,2 Milliarden Euro für einen Arbeitsplatz im "sozialen Arbeitsmarkt" staatlich zu bezuschussen. Umgerechnet würde dies monatlich etwas weniger als 450 Euro ausmachen. Ist dies Anreiz genug, einen eventuell nicht ausreichend qualifizierten Langzeitarbeitslosen einzustellen? Und wer von den 840 000 Langzeitarbeitslosen ist willens und fähig, einen völlig neuen Beruf zu erlernen mit einem Berufsbild, das auch in den nächsten Jahren noch gefragt ist?

Der Begriff vom "sozialen Arbeitsmarkt" im Koalitionsvertrag ist ebenso schillernd wie der Begriff von der dazu "erforderlichen Infrastruktur". Reine Worthülsen.

Karl O. Roth, Kehl

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Quelle:
SZ vom 17.05.2018
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