Landwirtschaft:Es muss anders gehen

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Verteufeln wollen Leser die konventionelle Landwirtschaft nicht. Doch sie üben deutliche Kritik an der nicht nachhaltigen Produktion von Lebensmitteln und sind sich einig: Auch ökologischer Anbau könnte unter bestimmten Bedingungen die Menschheit ernähren.

Immer mehr, immer größer – das kann nicht die Lösung sein: Sojabohnenernte in den USA. (Foto: Daniel Acker/Bloomberg)

" Feldbegehung" vom 8./9. September:

Für immer verloren

Die Reportage über den konventionell wirtschaftenden Landwirt Michael Faust lässt wichtige Aspekte aus. Bauern wie er tragen Mitschuld an dem schlechten Image der Landwirtschaft. Denn die Folgen der immer stärker industriell arbeitenden Agrarbetriebe - das rasante Insektensterben, Nitrat im Trinkwasser und der Rückgang der Artenvielfalt - gehen auf diese Form der nicht nachhaltigen Produktionsweise zurück. Immer kommt das falsche Argument, nur die konventionelle Landwirtschaft könne die wachsende Menschheit (bis 2050: zehn Milliarden) ernähren. Aber jedes Jahr verschwinden weltweit etwa 17 Millionen Hektar an landwirtschaftlich genutzter Fläche (das entspricht der Agrarfläche in Deutschland) aufgrund von Bodenerosion, an der die konventionelle Landwirtschaft stark beteiligt ist. Diese riesigen Flächen sind für immer für die Landwirtschaft verloren. Der Öko-Landbau könnte die Weltbevölkerung ernähren, jedoch müsste hierzu der Anteil tierischer Lebensmittel deutlich gesenkt und es müssten Verteilungsprobleme gelöst werden.

Die herkömmliche Landwirtschaft steckt bereits in einer Krise. Und die wird sich verschärfen, wenn so weitergewirtschaftet wird.

Stefan Kaisers, Gießen

Die Nützlinge nicht vergessen

Landwirte haben es schwer. Konnten früher noch drei Generationen von den Erträgen leben, so kann dies heute oft noch nicht einmal eine. Und sie sind die Buhmänner der Nation geworden. Sagt man den schimpfenden Verbrauchern allerdings: "Dann müsst ihr eben mehr für Lebensmittel zahlen", so ist die Empörung groß. Aber auch mit alldem im Hinterkopf stößt mir doch so einiges an der Haltung des Landwirts Michael Faust auf. Er baut Winterweizen, Wintergerste und Raps an. Fährt man durch Deutschland, so sieht man neben diesen drei Feldfrüchten nur noch Futtermais und gelegentlich Zuckerrübe. Das sind Monokulturen, und diese sind optimal für Schädlinge. Bei ihm gibt es außerdem nur Schädlinge. Dabei ignoriert er die Tatsache, dass jeder Schädling auch jede Menge Feinde hat. Diese Nützlinge, wie Raupen- und Schwebfliegen sowie Schlupfwespen, bringt sein Chemiecocktail ebenfalls um. Das Bienen- und Insektensterben scheint ihn wenig zu interessieren. Nun gut, er baut schließlich Windbestäuber an und nicht Obst. Auch Nitratgehalt im Trinkwasser und das Verschwinden vieler Blumen durch Glyphosat und Co. scheinen ihn nicht weiter zu berühren. Nach mir die Sintflut. Diese Haltung der Agrarwirtschaft, der Agrochemie und des Verbrauchers, der nach dem Motto "Hauptsache, billig" lebt, wird, wenn nicht ein Umdenken erfolgt, die Geschichte der Bienen von Maja Lunde Wirklichkeit werden lassen.

Übrigens ist die Behauptung, dass wir ohne Spritzmittel alle verhungern werden, Blödsinn. Hier wird gerne auf frühere Zeiten verwiesen. Hungersnöte in der Geschichte der Menschheit wurden vom Wetter, durch Vulkanausbrüche und Kriege verursacht. Wie wenig wir dies im Griff haben, zeigt der Sommer 2018. Außerdem landet mittlerweile ein nicht unerheblicher Teil der Feldfrüchte im Auto (Biodiesel) oder in Biogasanlagen. Auch exportieren wir viel und zerstören so ganz nebenbei die Landwirtschaft in Afrika.

Dr. Cynthia Nagel, Felsberg

Prinzip Wachsen oder Weichen

Der konventionell wirtschaftende Landwirt Faust ist in den Augen der meisten Zeitgenossen keineswegs der Blödmann und Umweltzerstörer, wie er selbst mutmaßt. Für die meisten ist er ganz einfach ein "armes Schwein", Opfer einer Agrarpolitik des Prinzips Wachsen oder Weichen, das ihn dazu zwingt, ständig die Produktion zu steigern, um zu überleben. Die eigentlichen Nutznießer dieser Politik sind dabei die Pharma- und Futtermittelkonzerne.

Es ist Irrsinn, im Industriestaat Deutschland mithilfe importierter Futtermittel riesige Mengen an überschüssigem Fleisch zu produzieren, Fleisch, das dann mit allen Mitteln wieder in den Weltmarkt exportiert werden muss. Nicht das Kupieren der Ringelschwänzchen von Ferkeln durch die Landwirte ist das Problem. Vielmehr die Ertragssteigerung mithilfe von Soja.

Der Münchner Lehrstuhlinhaber für Allgemeine Soziologie, Stephan Lessenich, belegt in seinem Buch "Neben uns die Sintflut" auf zutiefst erschütternde Weise, wie die Menschen in Lateinamerika durch Chemieeinsatz beim Sojaanbau massive Gesundheitsschäden erleiden, wie Landraub zur Gewinnung von zusätzlichen Anbauflächen für Soja die ehemaligen Kleinbauern zu Tausenden in die Slums treibt und wie zur Gewinnung zusätzlicher Anbauflächen Urwälder vernichtet werden, nur damit die Landwirte hierzulande durch Zufüttern von Soja-Mastfutter ihre Existenzen sichern. Lessenich verschweigt dabei keineswegs, dass die "bösen Konzerne" nur daher so erfolgreich sind, weil unser übermäßiger Fleischhunger letztlich die enorme Nachfrage nach Mastfutter sicherstellt.

Karl Heinrich Knörr, Walpertskirchen

© SZ vom 24.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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