Kritik an IAA in München:Angezogene Handbremse

So breit, wie sich die Auto-Messe in der Innenstadt gemacht hat, stößt sie auf Skepsis bei vielen SZ-Lesern. Dass Verantwortliche der Stadt das genehmigt haben, wird als naive Willfährigkeit für eine Schau bewertet, die viel Ärger brachte.

IAA Demo & Sternfahrt Anlässlich der IAA in München Greenpeace Aktivisten mit großen Bustaben STOP SUV *** IAA Demo Ral

Ist in München nur bedingt auf Gegenliebe gestoßen: Die Internationale Automobil-Ausstellung, die zuvor in Frankfurt am Main stattfand.

(Foto: Foto: Tim Wagner/imago)

"Weniger Raum für Autohersteller" vom 14. September und "Umweltverbände kritisieren Stadtspitze" vom 10. September:

Industrieller Triumphalismus

In einem nun schon langen Leben habe ich den Odeonsplatz noch nie so obszön geschändet gesehen wie am IAA-Freitag. Gibt es für industriellen Triumphalismus nicht das Messegelände? Die IAA dürfte wie erhofft den Beweis erbringen, dass ein absurd überhöhter Aufwand für unzweckmäßige individuelle Mobilität auch mit einem gewissen Anteil elektrischer Energie möglich sein wird (die anscheinend grenzenlos und problemlos zu gewinnen ist). Schweigen wird man aber über die Tonnen und Kubikmeter an Auto- und Hubschraubertreibstoff und CO₂ und die tausende teuren Arbeitsstunden der Polizei, mit denen dieser Beweis gegen die Zivilgesellschaft mitten im Stadtzentrum durchgesetzt wurde. Die in Bayern so beliebte polizeiliche Großübung für den Bürgerkrieg hat aber auch ein beachtliches Belehrungspotenzial. Zwei Wochen vor der Bundestagswahl werden wir daran erinnert, dass es bei der Begrenzung der Klimakatastrophe nicht um einen friedlichen Wettstreit der besten Ideen geht, sondern um einen Machtkampf, in dem Mensch und Natur Gnade nicht erwarten dürfen.

Andreas Knipping, Eichenau

Reine Provokation

IAA in der Innenstadt? Die Beschlagnahme der schönsten Plätze der Stadt durch das Auto war eine reine Provokation. So etwas wird es in München nie wieder geben. Übrigens: Die Tatsache dass zu viele Autos nicht in enge Städte passen, macht auch ein anderer (elektrischer) Antrieb nicht wett.

Holger Machatschek, München

Kritiker mit Floriansprinzip

Von einer "inakzeptablen Einschränkung des öffentlichen Lebens" kann man zurecht sprechen, ist man vom Konzept der IAA betroffen, insbesondere wenn man in München auf das Auto angewiesen ist. Durch das Verkehrskonzept im Rahmen der IAA mit der Sperrung von Autobahnzufahrten und Spuren werden Staus auf anderen Straßen provoziert, und man fragt sich, ob die Stadtspitze das unter Mobilität von Morgen versteht. Und dann erdreisten sich Bund Naturschutz und Konsorten, sich über Kürzungen der geplanten Radsternfahrt zu beschweren. Mit welchem Recht wollen diese interessierten Kreise all die Personen für ihre Pläne in Geiselhaft nehmen, die aus welchen Gründen auch immer auf den Pkw angewiesen sind, indem sie zusätzliche Staus provozieren? Denen, die ihren Arbeitsplatz mit dem Fahrrad in überschaubarem Zeitrahmen erreichen, scheint es egal zu sein, wenn andere Menschen beim Verzicht auf den Pkw statt einer Stunde täglich drei Stunden unterwegs sind. Wie auch in der Politik üblich, ist es einfach, Verzicht zu fordern, sofern man selbst nicht betroffen ist.

Josef Feuerstein, Markt Schwaben

Zwiespältiger Messeerfolg

Mit der sehr beeindruckenden Inszenierung der IAA, einem Event von weltweitem Rang, hat sich die bayerische Landeshauptstadt - dem Zeitgeist zwiespältig anheimfallend - spektakulär exponiert und "Marvellous Munich" zelebriert, womit Sehnsüchte und Begehren bestimmt einen weiteren beachtenswerten Schub bekommen haben. Ob damit der Stadt und ihren Bürgerinnen und Bürgern und denen des Umlandes langfristig ein Gefallen getan worden ist, sei zum Nachdenken anheimgestellt.

Michael Mieslinger, Eichenau

Bayern als Polizeistaat?

Die Überwachung in München ist total. Hubschrauber kreisen in niedriger Höhe über der Stadt, dass eine Unterhaltung kaum mehr möglich ist. Hunderte Mannschaftswagen der Polizei belasten zusätzlich den Verkehr in der Landeshauptstadt. Wohin man schaut, sieht man Polizeibeamtinnen und -beamte. Derweil sitzen junge Leute, die vielleicht eine Ordnungswidrigkeit begangen haben, in Präventivhaft. Was unterscheidet da Bayern noch von Belarus? Liberalitas Bavariae, wo bist Du geblieben? Wo bleibt der Aufschrei der grün-roten Stadtregierung gegen dieses Gebaren der Staatsregierung ? Junge Menschen werden mit Handzetteln der Polizei eingeschüchtert. Wo bleibt da die Remonstration von Polizeibeamten? Hoffentlich lässt sich die Presse nicht einschüchtern. Liebe Journalisten, bleiben Sie wachsam.

Georg Ledig, München

IAA-Prachtbauten und Vorgarten-Radlständer

Da lässt sich der Oberbürgermeister zitieren: "Das war eine Überraschung für uns alle, wir wussten ja nicht genau, wie die Stände (der IAA-Aussteller) aussehen". Wenn dieses Zitat zutrifft, lässt es entweder auf eine bedenkliche Ahnungslosigkeit des Oberbürgermeisters schließen, oder aber darauf, dass die Stadt ihre eigenen Bürger gröblich anders behandelt als die Automobilhersteller. Wer das nicht glaubt, muss nur einmal versuchen, beispielsweise als privater Eigentümer einer kleinen Wohnanlage für acht Fahrräder seiner Mieter auf seinem eigenen Grund eine kleine überdachte Abstellmöglichkeit zu schaffen, vier Meter breit, zwei Meter tief, 1,5 Meter hoch. Keine große Sache, denkt man. Weit gefehlt: Dem wird die Stadt ganz schnell zeigen, dass das nicht so einfach geht wie den Odeonsplatz und ähnliche Locations mit überdimensionierten Gerüsten und Tribünen vollzubauen. Wo kämen wir denn sonst auch hin, wenn der Ort der geplanten Aufstellung noch dazu auf einem Vorgarten genannten Grünstreifen zwischen Haus und Gehweg liegt. Wir haben schließlich eine funktionierende Baubehörde, und die wacht streng über die Einhaltung der Vorgartensatzung, die vorsieht, dass der Vorgarten grundsätzlich freizuhalten ist. Will ein Vermieter von diesem gewichtigen Regelwerk abweichen, und sei es auch nur zugunsten seiner Mieter, so verlangt die Behörde von ihm erst einmal einen Antrag mit genauen Plänen, wie sie nur ein Architekt für gutes Geld fertigen kann. Aber auch mit noch so schönen Plänen ist eine Genehmigung der vergleichsweise zierlichen Fahrradgarage keineswegs sicher, wenn ein Gebäude gegenüber unter Denkmalschutz steht. Dann nämlich müssen auch noch die städtischen Denkmalschützer am Verfahren beteiligt werden. Das mag ja alles in Ordnung sein, aber ausgerechnet von Automobilherstellern sollten solche Pläne oder vielleicht sogar ein kleines Modell der geplanten Ausstellungsstände nicht zu verlangen sein, um das Vorstellungsvermögen des Herrn Oberbürgermeisters hinreichend zu aktivieren? Und ausgerechnet bei Aufbauten auf so historisch bedeutsamen Plätzen wie Odeonsplatz oder Königsplatz sollten die städtischen Denkmalschützer nichts mitzureden, geschweige denn ein Vetorecht haben? Da kann doch irgendetwas nicht ganz stimmen. Sollte vielleicht der Gedanke an die schönen Sondernutzungsgebühren für den schlaff gewordenen Stadtsäckel den Blick auf die monumentalen IAA-Prachtbauten beeinträchtigen? Das wäre ja durchaus verständlich. Nur die angebliche Überraschung hinterher ist es nicht.

Joachim Steiner, München

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