KriegMitgenommen

Lesezeit: 1 Min.

(Foto: privat)

Wer flüchtet, muss viel zurücklassen. Hier erzählen Kinder und Jugendliche, was sie retten konnten. Diesmal: Oleksandr, 9, aus Irpin in der Ukraine. Er lebt seit 21 Monaten bei München.

Protokoll von Leonie Georg

"Als wir unsere Wohnung in der Ukraine verlassen haben, dachten ich, dass wir in zwei Tagen wiederkommen. Nie hätte ich geglaubt, dass sich das alles so lange ziehen und der Krieg so lange dauern würde. Deswegen habe ich auch nicht viel mitgenommen - nur diese beiden Bücher. Das eine hatte ich damals schon fast fertig und das andere wollte ich unterwegs lesen. Als der Krieg losgegangen ist, habe ich am Morgen viele Helikopter am Himmel gesehen. Das sah aus wie in einem Film. Wir haben noch neun Tage gewartet, ob sich die Lage wieder verbessert. Aber dann ist das Licht überall ausgegangen. Man hat Schüsse gehört und einen sehr schrillen Alarm. Da habe ich Panik bekommen. Ich hatte wahnsinnige Angst, unsere Wohnung in Irpin zu verlassen. Sie liegt im Kreis Butscha, nicht weit von unserer Hauptstadt Kiew entfernt. Irgendwann haben wir verstanden, dass es zu gefährlich ist zu bleiben. Wir haben uns in unser Auto gesetzt und sind losgefahren. In Richtung Deutschland, weil die Cousine meiner Mama in München wohnt. Wir haben weiße Fahnen an unser Auto gehängt, weil wir an russischen Soldaten vorbeifahren mussten. Das ist ein Zeichen: Bitte nicht schießen, Zivilisten auf der Flucht. Aber manchmal wird trotzdem geschossen. Wir hatten Glück und sind rausgekommen, haben es bis nach Deutschland geschafft. Obwohl wir dort in Sicherheit waren, habe ich etwas gebraucht, bis es mir wieder besser ging. Was mir hier Angst macht, sind die Sirenen, die manchmal samstags losgehen. Ich weiß, es ist nur ein Test, aber ich mag es nicht. Neulich sind sie sogar mal mitten in der Nacht losgegangen, gegen 3 Uhr. Das war furchtbar. Letztes Jahr Silvester fand ich es auch schlimm. Es war okay, das bunte Feuerwerk zu sehen, aber den Lärm der Raketen habe ich kaum ausgehalten. Das laute Knallen machte mir Angst, es erinnert an echte Raketen. Deswegen bin ich im Haus geblieben. Dieses Jahr wird es, glaube ich, besser gehen. Zumindest hoffe ich das. Ich habe nicht mehr so viel Angst wie noch vor einem Jahr."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
  • Medizin, Gesundheit & Soziales
  • Tech. Entwicklung & Konstruktion
  • Consulting & Beratung
  • Marketing, PR & Werbung
  • Fahrzeugbau & Zulieferer
  • IT/TK Softwareentwicklung
  • Tech. Management & Projektplanung
  • Vertrieb, Verkauf & Handel
  • Forschung & Entwicklung
Jetzt entdecken

Gutscheine: