Süddeutsche Zeitung

Kohle:Unverzichtbare Reserve

Befürworter der erneuerbaren Energien sind sich sicher, dass die Kohlekraftwerke in Deutschland bald der Vergangenheit angehören werden. Leser sehen das anders. Der Kohlestrom erfüllt aus ihrer Sicht eine wichtige Funktion.

"Energiewende wird etwas billiger" vom 17. Oktober, "Kohle für Europa" vom 12. Oktober und "Koalition oder Kohle" vom 9. Oktober:

Exportiert wird Ökostrom

Michael Bauchmüller behauptet in "Kohle für Europa", der aus Deutschland exportierte Strom sei Kohlestrom. Dabei zeigt die Grafik, dass am 11. Oktober um zwölf Uhr mittags vorwiegend der Sonnen- und Windstrom exportiert wurde, den man um diese Zeit nicht brauchen kann. Übers Jahr gerechnet entspricht die exportierte Strommenge genau der von Wind und Sonne erzeugten. Das Problem von Photovoltaik und Wind ist es, dass sie unberechenbar sind und manchmal ganz ausfallen. Ausreichende Stromspeicher zur Überbrückung der Ausfallzeiten gibt es nicht. In windstillen Nächten brauchen wir die Kohlekraftwerke als unverzichtbare Reserve. Prof. Konrad Kleinknecht, Garching

Bärendienst für den Klimaschutz

Ein staatlich reglementierter beschleunigter Ausstieg aus der Verstromung von Kohle führte zu höheren Treibhausgas-Emissionen. Konsequenz wäre nämlich nicht deren Ersatz durch erneuerbare Energien. Die haben Einspeisevorrang vor allen anderen Energien und gewinnen zusätzliche Marktanteile durch staatliche Förderung. Vielmehr würde mehr Erdgas verstromt. Das müsste aus Russland importiert werden. Die bei dessen Förderung und auf den langen Transportwegen entstehenden zusätzlichen Emissionen an Methan und an Kohlendioxid (CO₂) sind - anders als die CO₂-Emissionen aus der Verstromung von Kohle - nicht durch das europäische Emissionshandelssystem gedeckelt.

Eine staatlich reglementierte Verdrängung der Kohle zur Erfüllung des nationalen Treibhausgas-Minderungsziels von 40 Prozent bis 2020 im Vergleich zu 1990 hätte nur eine Verlagerung der Emissionen innerhalb der EU zur Folge. Die Höhe der Emissionen von Energiewirtschaft und Industrie wird nämlich durch die für diese Sektoren EU-weit gültige Obergrenze bestimmt. Bei einer Betrachtung über die Grenzen der EU hinaus wäre also eine durch administrierte Maßnahmen in der Kohleverstromung erzwungene nationale Zielerfüllung mit Mehremissionen verbunden. Dem Klimaschutz würde ein Bärendienst erwiesen. Sinnvoll wäre stattdessen eine Neujustierung des nationalen Treibhausgas-Minderungsziels mit der Konsequenz einer Begrenzung auf die Sektoren, die nicht dem europäischen Emissionshandelssystem unterliegen. Das sind der Gebäudesektor und der Verkehr. Dr. Hans-Wilhelm Schiffer, Aachen

Windei mit Folgen

Die Energiewende wird also etwas billiger. Für einen durchschnittlichen Vierpersonenhaushalt bedeutet dies eine Ersparnis von drei Euro pro Jahr. Drei Euro mehr im Jahr - was wir da alles kaufen können! Zwei Stückchen Kuchen für das Wochenende oder ein Fußballabendmenü - eine Tüte Chips und vier Flaschen Bier. Im Ernst: Der ungezügelte Bau neuer Windräder wird ja noch beschleunigt werden. Mir wäre es lieber, der CO₂-Ausstoß würde geringer. Da es aber auch in den nächsten zehn Jahren keine Massenspeicher geben wird, ist das Ganze ein Windei mit katastrophalen Folgen. Siegbert Geitz, Gingst

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Quelle:
SZ vom 24.10.2017
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