Süddeutsche Zeitung

Klimaziele:Den Wandel besser gestalten

SZ-Leser sind ungeduldig geworden, der Umbau der Autoindustrie geht einigen zu langsam. Andere halten die Wirkung von E-Mobilität auf den Klimawandel für überschätzt. Es bleibt die Frage nach den Risiken der Batterien.

Zu "Deutschland schafft Klimaziel" vom 17. März und zu "Es reicht nicht, CO₂-Vorgaben zu machen", Interview mit Manfred Weber und Bernd Osterloh vom 8. März:

Wir sind alle verantwortlich

Der Klimawandel ist das größte von Menschen gemachte Problem der Lebensgeschichte. Seine Folgen können sein, dass sich ein neues Zeitalter zukünftigen Wohnens und dann auch zukünftiger Herkunft auf anderen, weniger wirtlichen Planeten anbahnt. Es wird darauf hinauslaufen, wenn man das Problem nicht ernst genug nimmt. Wir müssen in der Globalisierung, in Sachen Klimaschutz und ökologischer Entwicklung, Hand in Hand zusammenarbeiten, uns unserer Verantwortung bewusst werden und gemeinsam kämpfen. Eine Besserung der ökologischen Verhältnisse wird auch soziale Gerechtigkeit und Wohlstand in der Welt besser verteilen. Es lohnt sich also auch aus diesem Grund, gegen Klimawandel anzugehen.

Andernfalls wären die Folgen katastrophal. Ernten würden für Jahre ausbleiben, Bauern würden ihre Existenz verlieren, es könnte vermutlich auf der ganzen Welt zu Massenarbeitslosigkeit führen, und Milliarden müssten hungern. Die Gewässer, die sich nach dem Polschmelzprozess zunehmend erwärmen, werden schon in den nächsten Jahren zu Fischsterben und gewaltigen Hochwassern führen, was zur Folge haben wird, dass ganze Länder umsiedeln müssten. Es gäbe dann noch mehr humanitäre Notsituationen, Flüchtlingskrisen, und die Wüsten würden sich ausbreiten.

Am Ende könnte man nicht mehr jedes Lebewesen ernähren. Daher: Egal, wie man helfen will, die richtige Position und Motivation hilft immer, egal wie alt man ist.

David Weikert, 12 Jahre, Ruderting

Lockdowns zeigen, wie es geht

Jetzt wissen wir also, wie es geht: einmal pro Jahr die Wirtschaft fünf Monate lang auf null runterfahren, damit das Klima sich erholen kann. Entweder fünf Monate am Stück, zum Beispiel den Winter über - quasi als Winterschlaf - oder im Wechsel mit den aktiven Monaten. Die zweite Möglichkeit ist es, einfach 40 Prozent weniger zu arbeiten und dafür mehr klimaneutrale Freizeit zu genießen. Ein Modell zur Rettung des Klimas gibt es also schon mal. Jetzt muss nur noch die Regierung aufwachen.

Brigitte Molnar, München

Das ewige Arbeitsplatz-Argument

Die Botschaften von Weber und Osterloh im SZ-Interview zu den Klimazielen muten gespenstisch an. Eine ehrliche Gewissenserforschung würde wohl zeigen, dass CDU und Gewerkschaften der Misere der Autoindustrie und der Industrie insgesamt nicht hilflos gegenüberstanden. Im Gegenteil, man hat sie sogar aktiv herbeigeführt. Es ist nicht das Werk höherer Mächte oder der Eigensinn der Konsumenten, dass nicht Drei-Liter-Autos, sondern SUVs die Szene beherrschen. Das Tragische daran: In den vergangenen 30 Jahren war die Gangart in Richtung Klimaschutz und Nachhaltigkeit so gemächlich, dass nicht einmal die niedrig hängenden Früchte vollständig geerntet wurden.

Nun soll die Jugend bis 2050 das Tempo rapide erhöhen und gleichzeitig die anspruchsvollen Themen in Ökologie, Sozialem und Ökonomischem angehen. Manches spricht dafür, dass auch die von Herrn Weber angeführten Erfolge bei der Treibhausgasreduktion eher bescheiden sind. Zudem haben wir viele Prozesse ausgelagert und importieren energieaufwendig gewonnene Rohstoffe.

Weber und Osterloh pflegen weiterhin das Argument, dass konsequenter Klimaschutz Arbeitsplätze gefährdet und das Steueraufkommen mindert. Ihre Position gewinnt ihre Berechtigung aber nur daraus, dass 30 Jahre lang eine vorausschauende, zupackende Nachhaltigkeitspolitik fehlte, die den Bürgern reinen Wein eingeschenkt hätte. Was in der Vergangenheit verschleppt wurde, trifft uns jetzt umso härter.

Hermann Pütter, Neustadt

Europaweite Infrastruktur nötig

Viel zu oft schon hat das Veto Deutschlands notwendige Abgasvorschriften und Entwicklungen verhindert und damit der deutschen Wirtschaft geschadet. Eine aktive, gestalterische Unterstützung notwendiger Entwicklungen schützt Arbeitsplätze, Verweigerung gefährdet diese. Vieles, was über die Jahre im mobilen Sektor notwendig und möglich gewesen wäre, ist nicht umgesetzt worden. Dass jetzt Herr Weber zum Schutz dieser Branche mit den alten Argumenten "ins gleiche Horn" bläst, wird dem dringend notwendigen Klimaschutz nicht gerecht.

Viele Autohersteller, leider immer noch nicht alle deutschen, sind weiter und setzen gerade im Pkw-Bereich mehr bis voll auf E-Mobilität. Herr Osterloh hat recht, grüner Wasserstoff ist der richtige und notwendige Lösungsansatz für viele Industriezweige und den Schwerlastverkehr. Für den Pkw- und Kleinlastverkehr ist E-Mobilität der richtige Ansatz, zumal zum Beispiel dieser eine wo immer mögliche, wirtschaftliche, dezentrale Stromerzeugung für den eigenen Heim- und Autobedarf massiv unterstützt. Eine standardisierte, europaweite Infrastruktur muss jetzt endlich kommen, der Staat ist in der Verpflichtung.

Karlheinz Seim, Icking

Die Kutscher wurden nie gefragt

Die vergangenen Jahrzehnte haben doch gezeigt, dass kein Umdenken in der Autoindustrie zu erreichen ist: Die Fahrzeuge werden mit fast jeder Modellgeneration größer, schwerer und PS-stärker, reparaturfeindlicher! Mit an das Gewicht (und an den Luftwiderstand insbesondere der SUVs!) gebunden ist der Ausstoß von CO₂ und Feinstaub. Auch kann es nicht sein, dass mit Rücksicht auf 850 000 Arbeitsplätze und weiter auch für den Profit der Anteilseigner der Konzerne Umwelt- und Gesundheitsschäden größten Ausmaßes billigend in Kauf genommen werden. Haben denn die Autokonzerne in den 1920er- Jahren die Pferdekutscher gefragt, ob die Autoproduktion ausgeweitet werden darf und Kutscher dann ihren Job verlieren?

Die europäische Autoindustrie manövriert sich in eine zukunftslose Sackgasse, wenn sie jetzt nicht die Flucht nach vorn antritt und einerseits die deutliche Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs insbesondere in Städten unterstützt; und andererseits, wo Individualverkehr unverzichtbar ist, die dadurch bedingten Umweltschäden möglichst nahe an null bringt. Wenn weiterhin Strom zum Aufladen der E-Pkw zu 50 Prozent aus Kohle-, Gas- und Atomkraftwerken kommt, sind wir im Umweltschutz nur unwesentlich vorangekommen. Gerade die "Flottenbilanz" für Autokonzerne verhindert Fortschritte im Umweltschutz, da durch den Verkauf kleinerer oder elektrischer Fahrzeuge der Verkauf übergewichtiger CO₂- und Feinstaubschleudern als SUVs erst möglich wird!

Hoffentlich kommt es gerade nicht so, dass wer das wichtige Klimaziel mit den übrigen Zielen am besten in Einklang bringt, die Bundestagswahl gewinnt! Das ist der Ansatz von "im Wesentlichen weiter so!" den wir uns nicht mehr leisten können.

Manfred Bauer, München

Gewinn durch Verzicht

Das Zauberwort sowohl für die Pandemie als auch für den Klimawandel lautet Verzicht, zu beiden Herausforderungen sollten wir mit uns jeden Tag aufs Neue hart ins Gericht gehen. Beim Coronavirus gilt es, die direkten Kontakte zu minimieren, durch weniger Konsum lassen sich schädliche Treibhausgase entscheidend reduzieren.

Dr. Jens Brökelschen, Schwerte

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Quelle:
SZ vom 20.03.2021
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