Süddeutsche Zeitung

Klimawandel I:Da hört der Spaß auf!

Lesezeit: 3 min

Der Kabarettist Bruno Jonas hat in der SZ eine Satire zur Klimakrisendebatte geschrieben. Das kam bei vielen Lesern gar nicht gut an. Falsches Thema, falscher Tenor, hieß es. Dabei darf Satire doch alles, oder etwa nicht?

Zur " Öko we can!"vom 26./27. Oktober:

Satire zum falschen Subjekt

Die Menschen engagieren sich wieder für ihre Zukunft und machen ihren Politikern Feuer unterm Hintern. Die Demokratie scheint endlich aus ihrem Dornröschenschlaf zu erwachen. Und das nennt Bruno Jonas "Diktatur"? Spätestens seit 1972 (Club of Rome) sind die Fakten bekannt, aber die gewählten Politiker haben nur mit vereinzelten Trippelschritten darauf reagiert. Irgendwann muss uns doch der Geduldsfaden reißen! Jetzt fordern wir die Bundeskanzlerin auf, endlich "Schaden von uns zu wenden", wie sie es im Amtseid versprochen hat. Der Satiriker sollte sich eher darüber lustig machen, dass diese weisen alten Männer (und Frauen), die Deutschland regieren, den Ratschlag von Kindern und Jugendlichen brauchen, um endlich in die Pötte zu kommen.

Claudia Fenster-Waterloo, Steingaden

Eine Zumutung

Bruno Jonas ist uns als großartiger Kabarettist erinnerlich. Warum er auf seine älteren Tage auf das Niveau inhaltsschwacher Anti-Klimaschutz-Sticheleien herabsteigt, ist schwer zu verstehen.

Grundsätzlich stimmt, was er im hämischen Ton in der ersten Hälfte seiner umfänglichen Glosse dartut: Uns droht eine Klimakatastrophe, und es bleibt, um sie abzuwenden, nur noch wenig Zeit. Unsere demokratisch gewählte Wischiwaschi-Groko ist dabei, sie zu vertun. Dann aber folgt eine faustdicke Lüge: "Es formiert sich bereits eine Bewegung, ,Diktatur for future'." Ich bin zwar bereit, bei Texten mit satirischem Einschlag eine gewisse Narrenfreiheit einzuräumen, kenne aber keine Vertreter der "Fridays for Future"-Bewegung, die eine Diktatur propagieren würden. Auch der penibel gewaltfreie zivile Ungehorsam von "Extinction Rebellion" ist nicht diktatorisch.

Wer Überzeugungsarbeit auf internationalen Konferenzen leistet, hat der die Diktatur im Sinn? Wenn Jonas Greta Thunberg gar eine "Fatwa" zuschreibt und sie so auf eine Stufe mit mörderischen Fanatikern stellt, so ist das eine bestenfalls dumme Zumutung.

Alfons Kitzinger, Bogen

Demokratie, nicht Diktatur

"Was darf Satire? Alles." (Tucholsky) Dies zugestanden, macht mich Bruno Jonas' Klimadebattensatire doch einigermaßen fassungslos, unter anderem wegen der populistischen Unterstellung, dass angesichts eines derzeit ablaufenden normalen demokratischen Prozesses die Kritiker des Klimaschutzpakets lieber zu diktatorischen Maßnahmen greifen würden. Zudem vermischt er (bewusst?) angebliche Kritik am Tempo demokratischer Prozesse mit der an für Veränderungen eingeplanten Zeiträumen und anderen Inhalten. Daher seien dem Demokratiewächter Jonas noch ein paar Basics entgegengehalten: Verbote oder Einschränkungen der individuellen Entscheidungsfreiheit sind nicht per se Merkmale einer Diktatur (das ist purer Populismus!), sondern sollen in einer Demokratie unter anderem Leben (im umfassenden Sinne) schützen beziehungsweise erhalten und für Gerechtigkeit sorgen. Deshalb ist es verboten, anderen Menschen Gewalt anzutun, die Vorfahrtsregeln zu missachten, Steuern zu hinterziehen usw. Auch im kleineren Maßstab waren Gurtpflicht, Kat-Pflicht, Glühbirnenverbot Ergebnisse langwieriger demokratischer Prozesse.

Es geht überdies auch nicht nur um Deutschland mit seinem scheinbar lächer-lichen Anteil von zwei Prozent am weltweiten CO₂-Ausstoß, denn Deutschland ist Teil der EU, die bereits zehn Prozent zu diesem Ausstoß beiträgt. Laut Weltbank hat Schweden schon in den 1990ern eine CO₂-Steuer eingeführt, die jetzt bei etwa 121 US-Dollar pro Tonne liegt. Sollten also mehr als zehn Euro CO₂-Bepreisung ab dem Jahr 2021 in Richtung Ökodiktatur weisen?

Dr. Cornelia Reil, Elchingen

Ein Zwerg auf dem richtigen Weg

Auch wenn Deutschland nur diesen "wahnsinnigen" Anteil (Bruno Jonas) von zwei Prozent des globalen CO₂-Ausstoßes verursacht, so möchte ich ihm mit Sebastian Pufpaff ("Happy Hour", 3sat, 13.10.19) entgegnen: "Ja, wir stoßen nur zwei Prozent CO₂ aus, wir sind ein kleiner Zwerg. Aber warum kann nicht der Zwerg anfangen, den richtigen Weg zu gehen?" Oder mit Edmund Burke (1729 - 1797): "Niemand begeht einen größeren Fehler als jemand, der nichts tut, weil er nur wenig tun könnte." Und damit schließe ich mich Greta Thunberg an, die nur sagt: "Tut etwas! Hört nicht auf mich, hört auf die Wissenschaft!"

Gerlinde Molter, Sauerlach

Deutschland war mal Vorreiter

Die Witzeleien über die "Fridays for Future"-Bewegung werden sicher von den Klimaleugnern in Wirtschaft und Politik goutiert und honoriert, mit Verantwortungsbewusstsein, das auch für den gilt, der seine Rolle offenbar als Hofnarr der Gesellschaft sieht, hat das nichts zu tun. Der Versuch, deutsche Bemühungen um die Einhaltung des in Paris bindend vereinbarten 1,5-Prozent-Ziels mit dem Hinweis auf den "wahnsinnigen deutschen Anteil von zwei Prozent am globalen CO₂-Ausstoß" lächerlich zu machen, ist untauglich.

Deutschland war etwa mit der Energiewende und dem Atomausstieg schon mal Vorreiter. Das EEG von 2000 hat weltweit eine vordem nie für möglich gehaltene Kostendegression der erneuerbaren Energien bewirkt, sodass heute die wahren Kosten von Wind- und Sonnenenergie international weit unter denen liegen, die für Energie aus Atomkraft, Kohle und Öl anfallen. Zwar hat es die Groko, allen voran Kanzlerin Merkel und Wirtschaftsminister Altmaier, geschafft, die erneuerbaren Energien in Deutschland abzuwürgen und Deutschland vom einstigen Vorreiter zum Bremser zu machen. Dank Greta, Fridays for Future etc. besteht die Chance, dass Deutschland die verlorene Vorreiterrolle wieder aufnimmt und der Welt beweist, dass Klimaschutz und Energiewende auch für ein Industrieland der einzig machbare und verantwortbare Weg sind.

Dr. Anton Huber, Vilshofen an der Donau

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Quelle:
SZ vom 09.11.2019
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